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Hauptanwendungsfall der Finanzportfolioverwaltung ist die Vermögensverwaltung.[5] Voraussetzung hierfür ist die Verwaltung von – dem Vermögensverwalter wirtschaftlich nicht als eigenes zustehenden – Vermögen, durch Investitionen in Finanzinstrumente im Sinne des § 2 Abs. 2b WpHG, wobei ihm bei den im Kundeninteresse vorzunehmenden Anlageentscheidungen ein Ermessensspielraum zusteht.[6] Dieser liegt vor, wenn die Anlageentscheidungen auf dem eigenen Ermessen des Verwalters beruhen und von diesem dementsprechend ausgeführt werden können und scheidet aus, wenn er eine von ihm getroffene Entscheidung erst wirksam umsetzen kann, nachdem ihr der Anleger zugestimmt hat (Zustimmungsvorbehalt).[7] Der Vermögensverwalter disponiert über das Depot des Anlegers ohne vor jeder Anlageentscheidung Rücksprache mit diesem zu halten, unter Vorrang des Kundeninteresses und unter Zugrundelegung der gegebenenfalls vereinbarten und damit bindenden Anlagerichtlinien.[8] Die individuell vereinbarten Anlagerichtlinien dienen dazu, dem Vermögensverwalter die Kenntnis der persönlichen Umstände des Anlegers zu verschaffen und im Vorfeld die Art der einzelnen Anlagen, die Anlageziele des Kunden sowie das Verhalten des Verwalters festzulegen.[9] Gesetzlich gefordert wird die Informationsbeschaffung für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch § 31 Abs. 5 S. 2 WpHG, wonach „von den Kunden Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen einzuholen [sind], soweit diese Informationen erforderlich sind, um die Angemessenheit der Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen für die Kunden beurteilen zu können“ (sogenannte Explorationspflicht)[10]. Die im WpHG statuierten Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten gemäß § 2 Abs. 4 WpHG für Finanzdienstleistungsunternehmen, die Finanzportfolioverwaltung anbieten, mithin auch für den Vermögensverwalter. Kennzeichnend ist somit das Element der Dispositionsbefugnis des Vermögensverwalters, aber auch jenes der Dauer des Rechtsverhältnisses, da ihm die fortdauernde Verpflichtung obliegt, für das Vermögen des Anlegers Sorge zu tragen.[11]
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Zur Begründung der Dispositionsbefugnis und fremdnützigen Vermögensfürsorgepflicht ist der Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages von konstitutiver Bedeutung. Erst dieser berechtigt den Verwalter zu anlagerichtlinienkonformen eigenständigen Dispositionen und schafft die notwendige Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit.[12] Abzugrenzen ist dieser von dem Depoteröffnungs- respektive Depotvertrag in Form eines Verwahrungsvertrages.[13] Dieser begründet keine Vermögenssorge, Beratungspflicht oder Dispositionsbefugnis der Bank, des Brokers respektive des Verwalters und belässt die volle Verantwortung für Anlageentscheidungen beim Kunden.[14]
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In Deutschland wird die Vermögensverwaltung weitestgehend in Form des Vertretermodells durchgeführt.[15] Eigentumsrechtlich hat dies zur Folge, dass das Eigentum an dem zu verwaltenden Vermögen beim Anleger verbleibt.[16] Der Vermögensverwalter wird bevollmächtigt über das Vermögen des Anlegers als offener Stellvertreter zu disponieren.[17] Vertraglich schuldet der Vermögensverwalter dem Anleger die Mehrung und Verwaltung des angelegten Vermögens, wobei er aber nur für die sachgerechte Vornahme der Verwalterhandlungen einzustehen hat.[18] Aufgrund der Maßgeblichkeit des Anlegerinteresses dient die Vermögensverwaltung der Besorgung eines objektiv fremden Geschäfts und wird mithin als Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB qualifiziert.[19]
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Gemäß §§ 675, 666 BGB ist der Vermögensverwalter verpflichtet, dem Anleger retrospektiv „die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäftes Auskunft zu geben und nach Ausführung des Auftrages Rechenschaft abzulegen“. Prospektiv schuldet das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Anleger gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WpHG „alle zweckdienlichen Informationen […], soweit dies zur Wahrung des Interesses des Kunden und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist“. Die §§ 675, 667 BGB verpflichten den Vermögensverwalter dazu „dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben“.
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Versucht man nun die Dienstleistung der Finanzportfolioverwaltung schablonenartig mit der Phänomenologie des Churning in Relation zu bringen, zeigt sich, dass es sich bei dieser Finanzdienstleitung um die klassische Dienstleistung handelt, im Rahmen derer die Spesenschinderei betrieben werden kann und auch wird. Der potentielle Täter hat hier nach Abschluss des konstitutiven Verwaltungsvertrages mit Erteilung der Vollmacht den nötigen Zugriff auf das Depotkonto (formelle Kontokontrolle) und die Dispositionsbefugnis zur Tätigung der einzelnen An- und Verkäufe. Ein solcher Verwaltungsvertrag inklusive der Einräumung einer vollumfänglichen Vertretungsbefugnis mit der Folge der Dispositionsbefugnis zu den einzelnen Geschäften wird nur im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung geschlossen.
Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund› D. Die zentralen Finanzdienstleistungen des WpHG› II. Die Abschlussvermittlung
II. Die Abschlussvermittlung
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Mit der Finanzportfolioverwaltung meist einher geht die Abschlussvermittlung im Sinne der § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 WpHG, § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KWG. Danach versteht sich die Abschlussvermittlung als „die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung)“. Von dem Begriff der Abschlussvermittlung sollen sämtliche Fälle der Ausführung von Kundenaufträgen über Finanzinstrumente in offener Stellvertretung im Sinne des § 164 Abs. 1 BGB erfasst und von dem Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 WpHG abzugrenzen sein, welches vorliegt, wenn der Vermittler im eigenen Namen für Rechnung des Kunden handelt.[20] Wie soeben gesehen, verwaltet der Finanzportfolioverwalter fremdes Vermögen nicht notwendigerweise aber zumeist aufgrund einer Vollmacht seines Kunden durch das Tätigen von Geschäften auf dessen Rechnung. Der auf dieser Grundlage handelnde Vermögensverwalter erfüllt zudem den Tatbestand der Abschlussvermittlung.[21] Dies hat in praktischer Hinsicht zur Folge, dass das geschäftliche Spektrum für die isolierte Abschlussvermittlung in Deutschland faktisch eher begrenzt ist.[22] Zurückzuführen ist dies darauf, dass die Anforderungen, die ein Unternehmen erfüllen muss, um eine Erlaubnis zum Betreiben der Finanzportfolioverwaltung zu erhalten, höher sind als die Anforderungen zum Betreiben der Abschlussvermittlung.[23] Daraus ergibt sich, dass der erlaubterweise die Finanzportfolioverwaltung Betreibende zugleich die Abschlussvermittlung durchführen darf, wenngleich er für diese keine separate Erlaubnis hat; umgekehrt ist dies aufgrund der fehlenden erhöhten Erlaubnisanforderung für die Vermögensverwaltung selbstredend nicht möglich.[24]
Teil 1 Der kapitalmarkt- und börsenrechtliche Hintergrund› D. Die zentralen Finanzdienstleistungen des WpHG› III. Die Anlageberatung
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Die Anlageberatung wird in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG als „die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“ definiert. Um die Anbieter der erforderlichen Aufsicht zu unterwerfen, muss, wer gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, die Anlageberatung betreiben will, seit dem 1.11.2007 vor Aufnahme der Tätigkeit eine Zulassung nach § 32 Abs. 1 KWG seitens der Bundesanstalt einholen.[25] Bei dem Anlageberatungsvertrag handelt es sich regelmäßig um einen Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter im Sinne der §§ 611, 675 BGB, aus dem sich die Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung ergibt.[26] Die Kundenempfehlung ist dabei zu verstehen als ein Raten zu einer bestimmten Handlung als im Anlegerinteresse liegend.[27] Keine persönliche Empfehlung liegt bei bloßer Informationsweitergabe vor, das heißt, wenn der Anlageberater dem Kunden lediglich Erläuterungen über dessen in Finanzinstrumenten angelegtes Vermögen gibt, ohne gezielte Vorschläge zur Änderung der Zusammensetzung dieses Vermögens zu unterbreiten.[28] Persönlich ist die Empfehlung nur, wenn sie entweder auf einer Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt sind oder zumindest als für ihn geeignet dargestellt werden.[29] Der Anlageberater tritt dem Anleger nicht als Vertreter eines bestimmten Produktgebers gegenüber, sondern ermöglicht dem Kunden die Auswahl unter Produkten vieler verschiedener Anbieter.[30] Bei der Anlageberatung verbleibt die Dispositionsbefugnis über das eigene Vermögen allein beim Anleger, der nach der Beratung seine Entscheidung trifft, die der Berater dann ausführt.[31] Der Anlageberater ist zur umfassenden Information und zur Nachforschung sowie zur schriftlichen Aufklärung verpflichtet.[32] Die Informationspflicht begründet für den Berater die Pflicht, dem Anleger alle Informationen zuzutragen, die für dessen Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können.[33] Um der Recherchepflicht oder auch Informationsbeschaffungspflicht zu entsprechen, muss der Berater die Anlageziele, Erfahrungen, Kenntnisse und finanziellen Verhältnisse seines Kunden ermitteln („Know Your Customer“), aber auch das zu empfehlende Produkt kennen („Know Your Merchandise“).[34]
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