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Dass Ossenbühl darüber hinaus selektiv argumentiert, zeigt sich daran, dass er auf die seit jeher durchaus verbreiteten[185] gemischt-wirtschaftlichen, d. h. in sog. Public-Private-Partnershipgeführten Unternehmen überhaupt nichteingeht.
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Derartige Unternehmen erfüllen in der Regel (auch) „Aufgaben“, die ansonsten der öffentlichen Verwaltung zugewiesen sind, gleichwohl werden Public-Private-Partnership-Unternehmen im Verwaltungsrecht ganz überwiegend nicht unter dem topos einer bloßen Organisationsprivatisierung geführt.[186]
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Wenn Ossenbühl die Verwaltungsrechtsakzessorietätder Begriffe in § 11 Abs. 1 Nr. 2c n. F. wirklich ernst nehmen würde, hätte er sich – zur Vermeidung von „Nachlässigkeiten“ – auchmit der „sonstigen Stelle“auseinandersetzen müssen. Dabei hätte sich dann ergeben, dass im Verwaltungsrechteine „Stelle“ entweder eine „Behörde“ist oder ein „Behördenteil“bzw. eine Organisationseinheit, die inder Verwaltung (aber außerhalb von Behörden) angesiedelt ist. Dass eine solche „Stelle“ aber nicht eine GmbH oder AG sein kann, die als eigene Rechtspersönlichkeit in selbständigen vertraglichen Beziehungen mit Trägern öffentlicher Gewalt steht, dürfte unbestreitbar sein. Daraus folgt, dass die Erfüllung von Aufgaben der Verwaltung bei Beauftragung eines Dritten Sache der Verwaltungbleibt, die sich ggf. lediglich zur Erfüllungeiner sie nach wie vor treffenden Aufgabe eines privatrechtlichen Subjekts bedient. Dessen Mitarbeiter sind dann aber keine Sachwalter der Verwaltung, der sie nicht nur (arbeits-)rechtlich nichts schulden. Sie sind vielmehr allein ihrem privatenAnstellungsunternehmen nach Maßgabe arbeits- und/oder gesellschaftsrechtlicher Vorgaben verpflichtet.[187] Derartige rein privatrechtliche Verpflichtungen bestehen aber unabhängig davon, ob das Unternehmen zu 100 % von Trägern öffentlicher Gewalt beherrscht wird, ob die Mehrheit sich bei einem Privaten befindet oder der Staat, fürden das Unternehmen welche Aufgabe auch immer erfüllt, überhaupt nicht beteiligt ist. Das von der Verwaltung jeweils mit der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben beauftragte Unternehmen ist – z. B. aus Gründen des Vergaberechts –[188] grundsätzlich durch jedes andere zur Vertragserfüllung sich im Stande sehende Unternehmen, welcher Organisationsform auch immer, ersetzbar. Letzteres gilt aber nichtfür den zur Aufgabenerfüllung ggf. verpflichteten oder sonst sich zuständig fühlenden, drittbeauftragenden Staat.
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Soweit Ossenbühl dem BGH auch noch vorhält, dieser gehe in Bezug auf privatisierte Unternehmen zu Unrecht von einem Primat des Zivilrechts aus und ignoriere dabei „die seit Jahrzehnten eingeübte Rechtsprechung und Lehre im Verwaltungsrecht“ – immerhin sei „die Grundrechtsbindung … unbestritten“[189] – verfängt auch dies nicht:
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Übersehen wird nämlich, dass privatrechtlich verfasste Unternehmen primär gesellschaftsrechtlichen Normenverpflichtet sind. Die öffentliche Hand, „die sich auf das Gebiet der Privatwirtschaft begibt, um dort ihre unter Umständen sehr vielfältigen Interessen zu verfolgen“, nimmt auch in Ansehung ihrer Bindung an das Gemeinwohl gesellschaftsrechtlich keineSonderstellung ein.[190]
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Auch Ossenbühls Hinweis auf die „völlig unumstrittene“ Grundrechtsbindung, „wenn die Verwaltung in Privatrechtsformen handelt“,[191] wendet sich gleich mehrfach gegen seinen Urheber:
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Immerhin betrachtet die h. M. in der Verfassungsrechtslehre privatisierte Unternehmen mit noch so geringer privater Beteiligung vor allem unter Hinweis darauf, dass die Privatrechtsform die Beachtung von Art. 19 Abs. 3 GG gebiete, als grundrechtsfähig[192] und verneint damit implizit das Vorhandensein einer „Stelle“, die Verwaltungsaufgaben unmittelbar wahrnimmt.
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Abgesehen davon gilt in Zusammenhang mit privatisierten Unternehmen das öffentliche Rechtjenseits einer etwaigen Grundrechtsbindung z. B. (auch) nicht, wenn es um das Disziplinarrechtginge; und ob der Staat in einem Haftungsfallfür den Angestellten eines privatisierten Unternehmens einzustehen hat, gilt als weitgehend ungeklärt.[193] Dass die Entscheidung des 5. Senats des BGH – wie Ossenbühl auch noch meint – der Verwaltung die Befugnis verliehen hätte, „das Strafrecht abzuwählen“,[194] kann schon deswegen nicht (ernsthaft) als Argument für eine folgenorientierte Auslegung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c fungieren, weil diese Vorschrift – entgegen Ossenbühl – nicht „in einem Bereich angesiedelt ist, der für Korruption in besonderem Maße anfällig ist“[195], sondern im Allgemeinen Teil!
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Hinzu kommt, dass es dem Gesetzgeber nicht schwer fallen würde, der angeblich ins Haus stehenden „Flucht“ aus den Korruptionsdelikten (die mit einiger Sicherheit nieein Grund zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben war), durch die – längst in Gang gesetzte – Verschärfung etwa der Regelungen der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§§ 299 f.)[196] zu begegnen. Allerdings hat sich im Zuge der „Bankenkrise“ seit 2008 ohnehin eine gegenläufige Entwicklung abgespielt. Im Zuge einer (Teil-)Verstaatlichung einiger Banken konnten gleichsam „über Nacht“ Bankangestellte auf welcher Ebene auch immer plötzlich zum verlängerten Arm des Staates und damit zu Amtsträgern geworden sein. Eine schon fast absurd anmutende Konsequenz![197]
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Wenn also – entgegen der Intention des Entwurfs der Bundesregierung[198] – die Erweiterung des § 11 Abs. 1 Nr. 2c durch das KorrBekG nur festgehalten bzw. klargestellt haben sollte, was ohnehin schon immer galt und daher von einer Kontinuität der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit den Zeiten des Reichsgerichts[199] auszugehen wäre, bietet sich der Verteidigung, insbesondere in Fällen gemischtwirtschaftlicher Unternehmen,[200] aber auch bei allen sonstigen privatrechtlich organisierten Unternehmen der öffentlichen Hand in Bezug auf das Merkmal der „sonstigen Stelle“durchaus noch materiell-rechtlich fundierbarer Argumentationsspielraum:
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Immerhin hatte es der 2. Senat des BGH, der die organisatorische durch die funktionaleBetrachtung ersetzen will, in seiner grundlegenden Entscheidung ( BGHSt 43, 370) mit der „GTZ“ zu tun, die durch einen öffentlich-rechtlichenVertrag mit dem Staat verbunden ist und – auch von außen – zwanglos als bloßes „Anhängsel“ des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erscheint. Die Distanz eines solchen, aus entwicklungshilfepolitischen Zwängen entstandenen Gebildes zu einer gemischtwirtschaftlich agierenden GmbH oder AG ist durchaus erheblich.
e) Aufgaben der öffentlichen Verwaltung
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Nach dem sprachlichen Duktus des § 11 Abs. 1 Nr. 2c muss die „sonstige Stelle“ zusätzlich „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“wahrnehmen.
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Nicht nur die Rechtsprechung versäumtes allerdings regelmäßig, die beiden Begriffe trennscharf auseinander zu halten. Vielmehr wird zum Teil zunächst der Frage nachgegangen, ob ein Unternehmen „Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ wahrnimmt, um sodann – anhand der Formel vom „verlängerten Arm“[201] – zu prüfen, ob eine „sonstige Stelle“ vorliegt[202] oder aber es wird die Amtsträgereigenschaft im Wege einer diffusen „Gesamtbetrachtung“ der „sonstigen Stelle“ und der „Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ beurteilt.[203] Insoweit könnte sich die Berufung auf das von Art. 103 Abs. 2 GG ausgehende, nicht auf Vermögensdelikte beschränkbare sog. „Verschleifungsverbot“ durchaus anbieten.[204]
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