Die Anerkennung ist eine einseitige, empfangsbedürftige (aber nicht annahmebedürftige) Willenserklärung ( → Rechtsgeschäft, einseitiges). Durch sie wird ein Tatbestand oder eine Rechtslage außer Streit gestellt; bei späterem Bestreiten verstieße der anerkennende Staat gegen das Verbot des venire contra factum proprium (Estoppel-Prinzip). Die Anerkennung kann zwar Teil eines bilateralen Vertrages sein, als einseitige Erklärung ist sie aber von dem reziproken Vertragsverhältnis zu unterscheiden.
Eine Anerkennung kann ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) erfolgen. Entscheidend ist der im konkludenten Verhalten zum Ausdruck kommende Wille des Staates (siehe auch Art. 4 S. 2 der Montevideo-Konvention über die Rechte und Pflichten der Staaten von 1933, 165 LNTS 19). Mit der vorgenannten Unterscheidung nicht zu verwechseln ist die Anerkennung de jure und de facto . Sowohl die De jure- als auch die De facto-Anerkennung kann ausdrücklich wie konkludent erklärt werden. Während die Anerkennung de jure eine vollständige Anerkennung bedeutet, bringt ein Staat mit der Anerkennung de facto zum Ausdruck, dass zwar eine gewisse faktische Verfestigung eingetreten ist, deren Dauerhaftigkeit aber noch offen ist. So kann beispielsweise ein Staat neben der offiziellen, de jure anerkannten Regierung eine Gruppe von Aufständischen, die über einen Teil des Staatsgebiets die effektive Kontrolle ausübt, als De facto-Regierung anerkennen. Selbst wenn die Dauerhaftigkeit einer bestimmten Situation nicht mehr in Zweifel zu ziehen ist, kann die De facto-Anerkennung als „minus“ zur Anerkennung de jure erfolgen, um eine politische Missbilligung zum Ausdruck zu bringen (z. B. bloße De facto-Anerkennung einer neuen Regierung nach einem Staatsstreich).
Nach h.M. ist die Anerkennung unwiderruflich mit Ausnahme der De facto-Anerkennung, bei der der nur provisorische Charakter bereits in der Anerkennungserklärung als solcher zum Ausdruck kommt. Widerrufbar ist darüber hinaus aber auch die Anerkennung von Regierungen. Einer de jure anerkannten Regierung, die von einer rivalisierenden Gruppe Aufständischer effektiv aus dem Amt gedrängt wurde, kann nämlich die Anerkennung entzogen werden. Im Gegensatz dazu ist die Anerkennung von Staaten in der Tat als unwiderruflich zu qualifizieren (vgl. auch Art. 6 Satz 2 der Montevideo-Konvention). Möglich ist hier lediglich, dass das Objekt der Anerkennung untergeht (z. B. durch Beitritt eines Staates zu einem anderen Staat). In diesem Falle verliert die ursprüngliche Erklärung mit dem Untergang des beitretenden Staates ihre Wirkung. Grund dafür ist aber nicht ein etwaiger Widerruf der Anerkennung – ein solcher ist nicht einmal erforderlich –, sondern vielmehr die Akzessorietät der Anerkennung: Eine Anerkennung entfaltet Wirkung nur, solange der anzuerkennende Gegenstand existiert.
Die Anerkennung ist grds. bedingungsfeindlich (vgl. Art. 6 Satz 2 der Montevideo-Konvention). Dennoch wird sie in der Staatenpraxis oftmals an Bedingungen geknüpft. Dabei handelt es sich allerdings regelmäßig nicht um Bedingungen im Rechtssinne. Intendiert ist mit der Formulierung von „Bedingungen“ vielmehr typischerweise die Statuierung von Auflagen, etwa dahingehend, dass sich der anerkannte Staat zur Fortführung der vom Vorgängerstaat geschlossenen → völkerrechtlichen Verträge, zum Schutz nationaler Minderheiten o.Ä. verpflichtet.
III. Anerkennung von Staaten
Nach der auf Georg Jellinek zurückgehenden Drei-Elemente-Lehre ( → Staat) ist die Staatsqualität eines sozialen Gebildes gekennzeichnet durch das Vorhandensein eines → Staatsgebiets, eines → Staatsvolksund einer hinreichend effektiven → Staatsgewalt. Fraglich ist, ob bereits das Vorliegen dieser drei Voraussetzungen allein einen Staat im Sinne des Völkerrechts ausmacht (deklaratorische Theorie), oder ob es zum „Eintritt“ in die Staatengemeinschaft als zusätzliches, viertes Kriterium noch der Anerkennung durch andere Staaten bedarf (konstitutive Theorie).
Die konstitutive Theorie ist vor allem vor dem Hintergrund der eurozentrierten Epoche des Völkerrechts im 19. Jh. ( ius publicum europaeum ) erklärlich, als mit der Anerkennung die Aufnahme in den numerus clausus der Staaten einherging. In die heutige Zeit des universell gültigen Völkerrechts passt sie nicht mehr. Zwar ist der konstitutiven Theorie zuzugeben, dass der Staat kein bloßes Faktum ist, das lediglich anerkannt (im Sinne eines „Zur-Kenntnis-Nehmens“) werden müsste. Der Staat als juristische Person ist vielmehr ein rechtliches Konstrukt, und gerade vom Standpunkt eines streng verstandenen Positivismus aus mag es geboten erscheinen, dass einem Staat nicht gegen seinen Willen ein anderes → Völkerrechtssubjekt„aufgedrängt“ werden darf. Andererseits knüpft die Anerkennung als Staat aber durchaus an gewisse faktische Gegebenheiten an: Nur wenn sich auf einem Territorium mit einem entsprechenden Volk eine hinreichend effektive Staatsgewalt dauerhaft etabliert hat, kann von der Existenz eines eigenständigen Staates die Rede sein. Das spricht dafür, dass mit der Anerkennung das Vorliegen der drei Elemente lediglich deklaratorisch außer Streit gestellt wird.
Entscheidend gegen die konstitutive Theorie sprechen indes konzeptionelle Einwände: So führt sie dazu, dass ein und dasselbe soziale Gebilde zugleich Staat (gegenüber den anerkennenden Staaten) und Nicht-Staat (im Verhältnis zu den die Anerkennung verweigernden Staaten) ist. Der nicht anerkannte Staat wäre als völkerrechtliches nullum streng genommen nicht an das Gewaltverbot gebunden, umgekehrt stünde er im Verhältnis zu den die Anerkennung verweigernden Staaten auch nicht unter dem Schutz desselben. All dies lässt sich mit einem auf universelle Geltung angelegten Völkerrecht nicht vereinbaren, weshalb die konstitutive Theorie heute auch kaum mehr über Anhänger verfügt. Wie schon Alfred Verdross bemerkt hat, wohnt der Anerkennung lediglich insofern ein konstitutives Element inne, als mit ihr regelmäßig die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verbunden ist. Notwendig ist das allerdings nicht, ein Staat kann vielmehr trotz Anerkennung der Staatsqualität die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verweigern. Die deklaratorische Theorie liegt auch Art. 3 der Montevideo-Konvention zugrunde.
Eine umfassende Pflicht zur Anerkennung und ein damit korrespondierendes Recht auf Anerkennung bestehen nach ganz h.M. nicht, die Staaten entscheiden vielmehr hierüber rein nach politischen Gesichtspunkten. Aus Sicht der deklaratorischen Theorie ist eine solche Pflicht ohnehin entbehrlich, da die Staatsqualität ja nicht von der Anerkennung abhängt. Auf der Grundlage der konstitutiven Theorie erscheint sie hingegen notwendig, um das vorstehend beschriebene Problem eines rechtlichen Vakuums zu vermeiden (sog. Lauterpacht-Doktrin). Allerdings begegnet diese Konstruktion dem weiteren Einwand, dass ein Recht auf Anerkennung dann einem noch gar nicht existenten Staat zuerkannt wird.
Die Anerkennung darf nicht zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die drei Elemente der Staatlichkeit noch nicht voll ausgeprägt sind. Das Problem der verfrühten Anerkennung stellt sich vor allem bei Sezessionsprozessen, wenn die Regierung des sezedierenden Staatsteils noch nicht die erforderliche auf Dauer angelegte Unabhängigkeit gegenüber der Zentralregierung erlangt hat. Eine gleichwohl ausgesprochene Anerkennung als Staat stellt ein völkerrechtliches Delikt in Gestalt der Intervention in die inneren Angelegenheiten des Mutterstaates dar. Rechtlich ist eine solche Anerkennung wirkungslos, und zwar sowohl nach der deklaratorischen als auch nach der konstitutiven Theorie: Zwar kommt der Anerkennung nach der letztgenannten Theorie konstitutiver Charakter zu, jedoch nicht in dem Sinne, dass sie einen inexistenten Staat hervorzubringen vermöchte. Vielmehr ist auch hier der akzessorische Charakter der Anerkennung ausschlaggebend dafür, dass Rechtswirkungen erst ab der Existenz des anzuerkennenden Gegenstandes eintreten können.
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