Aufgrund der Einwendungen des BMI war danach ein Gespräch auf Ministerebene ( Schmidt/Genscher ) vorgesehen. Da dieses aus unbekannten Gründen nicht stattfand, die BReg andererseits im Weißbuch 1971/1972[33] ihre Absicht, das feierliche Gelöbnis durch eine Belehrung zu ersetzen, wiederholt hatte, verlangte der GenInspBw ( de Maizière ) mit Schreiben vom 29.2.1972[34], nur § 9 Abs. 2zu ändern („Soldaten, die auf Grund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, erhalten nach ihrer Einberufung eine Belehrung über ihre Pflichten und Rechte.“).
An sich war geplant, dieses Thema nach der Neuwahl des BT erneut auf die Tagesordnung zu setzen.[35] Die Motivation für eine Gesetzesänd. war jedoch mittlerweile, möglicherweise wegen der langen Zeitdauer, erschöpft. Mit § 54 Abs. 2 des G über den Bundesgrenzschutz (BGSG) vom 18.8.1972[36] war zudem für die Grenzschutzdienstpflichtigen ein dem § 9 Abs. 2 SGnachgebildetes feierliches Gelöbnis eingeführt worden. Deshalb erklärte die BReg im Weißbuch 1973/1974[37], die Ankündigung des Weißbuchs 1970 werde „nicht mehr verfolgt“.
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Erst in den 90er Jahren des letzten Jh. erfuhr § 9(und gelegentlich auch § 7) erneut öff. Aufmerksamkeit. Ausgangspunkt für die sog. „Reichweite“-Debatte[38] waren die vermehrten Auslandseinsätze der SK. Die BReg erklärte dabei stets,[39] sie beabsichtige nicht, die Gelöbnis- oder Eidesformel zu ändern. Die Pflicht zur Tapferkeit sei lediglich ein besonderer „Aspekt“ der Treuepflicht, und diese wiederum gelte weltweit.
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Ein Gesetzentw. der Gruppe der PDSim BT vom 1.4.1998[40], Eid und Gelöbnis in § 9durch ein für alle Soldaten geltendes „Versprechen“ zu ersetzen („Ich verspreche, meinem Land treu zu dienen, das Grundgesetz und die Freiheit zu achten und zu verteidigen. Nie wieder sollen Krieg und Völkermord von Deutschland ausgehen.“), löste keine feststellbaren Aktivitäten aus. Infolge der BT-Wahl im Herbst 1998 verfiel dieser Gesetzentw. dem Grds. der parlamentarischen Diskontinuität.
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Das gleiche Schicksal erlitt ein am 23.3.1999 von der Fraktion der PDSgestellter Antrag[41], nachdem dieser bereits im VertA mit allen Stimmen gegen die PDS abgelehnt worden war.[42]
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Durch Art. 2 Nr. 5 des SkResNOGwurden in Abs. 2 die Wörter „auf Grund der Wehrpflicht“ durch die Wörter „nach Maßgabe des Wehrpflichtgesetzes“ ersetzt, um klarzustellen, dass auch FWDL (gemeint waren solche nach dem WPflG) ein feierliches Gelöbnis abzulegen haben.[43] Durch Art. 1 Nr. 3 des G vom 8.4.2013[44] wurde in § 9 Abs. 2der Kreis der ein Gelöbnis ablegenden Personen um die FWDL nach § 58berweitert.
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Nach § 59 Abs. 3 Satz 2 legen Personen, die nicht BS oder SaZ gewesen sind (i.d.R. ungediente Frauen, die sich freiwillig zu Dienstleistungen i.S.v. § 60verpflichten), wie wpfl Männer ein feierliches Gelöbnis entspr. § 9 Abs. 2ab. Man wollte damit vermeiden, dass es in den SK eine Personengruppe gibt, die keine feierliche Verpflichtungsformel ausspricht.[45] Weil die freiwillige Dienstleistung gem. § 58a a.F. (jetzt: § 59 Abs. 3) „nicht durch den Berufscharakter der Wehrdienstverhältnisse der Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit[46] geprägt ist“,[47] griff der Gesetzgeber auf das feierliche Gelöbnis und nicht auf den Eid zurück.
3. Bezüge zum Beamtenrecht bzw. zu sonstigen rechtl. Vorschriften; ergänzende Dienstvorschriften
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Außer BS und SaZ haben auch Personen, die in ein Reservewehrdienstverhältnis berufen werden, einen Diensteid nach § 9 Abs. 1zu leisten (§ 6 ResG). Zudem hat eine Vielzahl von Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland und Angehörigen des öff. Dienstes bei Amts-/Dienstantritt einen (Amts-)Eidabzulegen, u.a.:
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der BPräs gem. Art. 56 GG |
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der BK und die Bundesminister gem. Art. 64 Abs. 2 GG |
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die ParlSts gem. § 3 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der ParlSts |
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die Richter des BVerfG gem. § 11 BVerfGG. |
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der Bundesbeauftragte für den Datenschutz gem. § 22 Abs. 2 BDSG |
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die Bundesbeamten gem. § 64 BBG[48] |
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die Richter und ehrenamtl. Richter gem. § 38 DRiG und § 45 Abs. 2, 3 und 6 DRiG |
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die Notare gem. § 13 der Bundesnotarordnung |
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die Rechtsanwälte gem. § 12a BRAO. |
Die Eidesformel ist der jew. Amts-/Berufsgruppe angepasst. Die Formulierung des § 9 Abs. 1 Satz 2findet sich in fast allen Eidesvorschriften wieder.
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Das Gelöbnisist nach geltendem Recht[49] sehr viel seltener. Es ist u.a. vorgesehen für:
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Beamte, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen die Formel „ich schwöre“ ablehnen (§ 64 Abs. 3 BBG) |
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Nichtdeutsche, die in ein Beamtenverhältnis berufen werden sollen, gem. § 38 Abs. 3 BeamtStG i.V.m. § 7 Abs. 3 BeamtStG |
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Nichtdeutsche, die zu Honorarkonsularbeamten ernannt werden sollen (§ 21 Abs. 2 Satz 2 des Konsulargesetzes) |
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Ehrenamtl. Richter, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wollen (§ 45 Abs. 4 DRiG). |
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Als Erlassregelungdes BMVg zu § 9ist die ZDv A-1420/23(Diensteid und feierliches Gelöbnis) zu nennen.
II. Erläuterungen im Einzelnen
1. Eid ( Absatz 1)
a) Funktion des Soldateneides
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Es ist hier nicht der Ort, Sinn und Zweck von Eiden ausführlich zu referieren. Insoweit wird auf die einschlägige Lit.[50] verwiesen. Hier genügen einige wenige Anmerkungen:
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In seiner ursprünglichen Bedeutung stellt der Eid eine Anrufung Gottesals Zeugen für die Ernsthaftigkeit eines Versprechens dar. Der ohne Anrufung Gottes geleistete Eid hat nach der Vorstellung des deutschen Verfassungsgebers keinen religiösen oder in anderer Weise transzendenten Bezug.[51]
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Der Eid wird vom Eidgeber(Soldat) gegenüber einem Eidnehmer(Bundesrepublik Deutschland) geleistet; bei der Anrufung Gottes übernimmt dieser die Funktion des Eidwächters. Die Bedeutung des Eides liegt weniger im rechtl. als im ethischen Bereich.
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Unterschieden wird zwischen dem assertorischenoder Aussageeid und dem promissorischenoder Versprechenseid.[52] Der Eid des Beamten oder Soldaten ist ein promissorischer Eid, da im Gegensatz zum assertorischen Eid, der z.B. durch Zeugen oder Sachverständige vor Gericht geleistet wird, der Eidesbruch als solcher keine Strafbarkeit etwa wegen Meineids (§ 154 StGB) nach sich zieht. Deshalb wird der Soldateneid auch gelegentlich[53] als „politische Erklärung“ bezeichnet.
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Trotz fehlender Strafbewehrtheit des promissorischen Eides werden dem Soldateneid fünf überwiegend psychologische Funktionen[54] unterlegt:
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Eine Angleichungsfunktion, d.h. die Vergleichbarkeit des Dienstverhältnisses der länger dienenden Soldaten mit dem der Beamten, |
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eine Integrationsfunktion, mit deren Hilfe die Eingliederung des Einzelnen in die soldatische Gemeinschaft erleichtert werden soll, |
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eine Sicherungsfunktion, die den Eidgeber auf einer emotionalen Ebene enger an die soldatischen Pflichten binde, |
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eine Bewusstmachungsfunktionals erzieherische Wirkung auf den Soldaten i.S. seiner Funktion im Staat (nach vorheriger Unterrichtung über die Eidesthematik), |
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eine religiös-ethische Funktionals zusätzliche individuelle Pflichtenbindung. |
Ob der Soldateneid in der Praxis diese Funktionen zu erfüllen vermag, kann hier dahinstehen.[55] Dies haben in erster Linie die jew. aktiven Soldaten insbes. in Vorgesetztenstellungen zu beurteilen.
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