5. Einzelfälle zu § 8aus der Rechtsprechung[60]
31
In der Rspr. wird § 8in unterschiedlichen systematischen Zusammenhängen angewandt. Als eine zentrale Dienstpflicht ist er zum einen Grundlage für die Feststellung von Dienstvergehen, was jedoch immer ein Minimum an Gewicht und Evidenz der Pflichtverletzung voraussetzt.[61] Die Pflicht zur Verfassungstreue kommt aber auch bei der Anwendung statusrechtl. Best. (z.B. § 55 Abs. 4) zum Tragen sowie bei anderen truppendienstl. Entscheidungen, beispielsweise der Wegversetzung von bestimmten Dienstposten, sowie im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen nach dem SÜG. Dabei erscheint es aber durchaus zweifelhaft, aufgrund von Verhaltensweisen, die eindeutig keinen Pflichtverstoß gegen § 8darstellen, Maßnahmen gegen einen Soldaten zu treffen und diese allein auf § 8zu stützen.[62]
Beispiele aus der Rspr. sind:
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Verunglimpfung von hier lebenden ausländischen Mitbürgern(Türken) durch Uffz (SaZ). Verletzung der Menschenwürde; Verstoß gegen die Pflicht, die FdGO anzuerkennen.[63] |
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Leugnung des Holocaustdurch KKpt (BS). Verletzung des Achtungsanspruchs der Juden und damit der Menschenwürde; Verstoß gegen die Pflicht, „aktiv“ für die geltende Verfassungsordnung einzutreten.[64] |
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Verbreitung sog. Judenwitzedurch OFw (SaZ). Missachtung der Menschenwürde und damit der FdGO[65]. |
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Mitgliedschaft in der „Artgemeinschaft Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ (Zugführer).[66] |
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Mitgliedschaft und Funktionärstätigkeit durch Offz (SaZ) in der NPD .[67] |
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Mehrmalige Teilnahme an rechtsradikalen Veranstaltungen(u.a. der NPD) durch SaZ 4 (Uffz); Entlassung nach § 55 Abs. 5.[68] |
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Besitz und Abspielen von als verfassungsfeindlicheinzustufender Musikim privaten Bereich[69] bzw. in der dienstl. Unterkunft[70] durch SaZ; Entlassung nach § 55 Abs. 5. |
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Propagierung der NS-Ideologiedurch wehrübenden Offz d.R. Verstoß gegen die Menschenwürde und damit die FdGO.[71] |
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Einbringen von NS-Propagandamaterialin den dienstl. Bereich durch StUffz.[72] |
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Postieren vor Hakenkreuzfahnedurch OFw. Verletzung der Pflicht zum Eintreten für die FdGO „in eklatanter Weise.“[73] |
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Mitgliedschaft in der Partei DIE REPUBLIKANERdurch Offz (Hörfunkredakteur in einer Rundfunkkompanie der Bw). Zweifel am Bekenntnis zur FdGO. Dienstl. Bedürfnis für Versetzung gegeben.[74] |
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Mitgliedschaft und Funktionärstätigkeit durch Hptm und OFw in der Partei DIE REPUBLIKANERkein Verstoß gegen § 8.[75] |
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Aufhebung des Einberufungsbescheides Alarmreserve für einen OLt d.R., der Mitglied und Funktionär in der Partei DIE REPUBLIKANERist, auch mit § 8begründet.[76] |
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Offenes Bekenntnis zum Salafismusund zur Scharia ,[77] |
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Zeigen des „Hitlergrußes“,[78] |
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Tragen von Tätowierungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt (Beamtenrecht),[79] |
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Die Weigerung eines Soldaten, aus religiösen Gründen Frauen die Hand zu geben,[80] |
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„Gefällt mir“-Markierungen bei Internetauftritten rechtsradikaler Organisationen.[81] |
[1]
BT-Drs. II/1700, 4.
[2]
BT-Drs. II/1700, 19.
[3]
So Barth , Prot. der 86. Sitzung des Rechtsausschusses des BT v. 18.11.1955, 22.
[4]
Sten. Ber. v. 12.10.1955, 5780.
[5]
Sten. Ber., 5793.
[6]
86. Sitzung v. 18.11.1955, Prot. Nr. 86.
[7]
Prot. Nr. 86, 23; Ausschussdrs. 18 des Rechtsausschusses.
[8]
Vgl. Cuntz , 145.
[9]
Prot. Nr. 37 der Sitzung v. 28.11.1955, 7; Ausschussdrs. 21 v. 4.1.1956.
[10]
BT-Drs. II/2140, 5, 31.
[11]
Cuntz , 146.
[12]
BGBl. I S. 232.
[13]
BVerfGE 39, 334 (346, 351 f.).
[14]
Die G 1-Hinweise, Grundwerk, 2520, 2530, sind überholt.
[15]
Nr. 2408.
[16]
Vgl. hierzu BVerwGE 83, 345 = NJW 1988, 2907.
[17]
Nr. 101.
[18]
Anl. 6.3.1.
[19]
BVerfGE 39, 334 = NJW 1975, 1641.
[20]
Zuletzt BVerwGE 160, 370-396, zit. nach juris, Rn. 15 ff.
[21]
GKÖD Yk, § 8 Rn. 2; BVerfGE 3, 288; BVerwGE 21, 270/274; vgl. auch Komm. zu § 37 Rn. 22m.w.N.
[22]
BVerfGE 28, 51=NZWehrr 1970, 218; SchAPL, SG, § 6 Rn. 32 m.w.N.
[23]
BVerfGE 39, 334/355/367.
[24]
GKÖD L § 60 Rn 63; BVerwGE 113, 347.
[25]
So aber GKÖD L, § 60 Rn. 62f.
[26]
Siehe hierzu unten Rn. 22f.
[27]
So für das Beamtenrecht, Battis, BBG § 60 Rn. 15 ff.
[28]
GKÖD, Yk, § 8 Rn. 6.
[29]
GKÖD, Yk, § 8 Rn. 6.
[30]
BVerfGE 39, 334 LS. 8.
[31]
Dies wird insbes. gelten, wenn das BVerfG, wie im NPD-Verbotsverfahren, die Verfassungswidrigkeit einer Partei festgestellt hat, von deren Verbot jedoch mangels Potenzialität der Umsetzung der verfassungswidrigen Zielsetzung absieht, BVerfGE 144, 20 ff Ls 10b.
[32]
EGMR, NJW 1996, 375/377; s.a. Battis , BBG, § 7 Rn. 13.
[33]
Hufen, Friedhelm, JuS 2018, 733.
[34]
So berechtigt das Vorgehen gegen Rechtsextremisten im öff. Dienst ist, zeigen sich hier aber auch z.T. tendenziöse Vorbehalte insbes. gegenüber Angehörigen von Sicherheitsbehörden.
[35]
S. hierzu Krämer , UBWV 2019, 1.
[36]
Zuvor spielten religiöse Haltungen im Zusammenhang mit der Treuepflicht in erster Linie im Hinblick auf die Scientology-Sekte eine Rolle, vgl. Battis , § 7 Rn. 13.
[37]
Wenn das BVerwG in anderem Zusammenhang ausführt, der Dienstherr könne von BS „mehr Loyalität“ erwarten als von WPfl (BVerwGE 103, 361 = NZWehrr 1997, 117), kann dies zumindest nicht auf den Wortlaut des § 8gestützt werden. Zur Möglichkeit, mit § 37 Abs. 1 Nr. 2 zu argumentieren, s. die Komm. zu § 37 Rn. 21.
[38]
1 WB 81/83; BVerwGE 83, 345 = NJW 1988, 2907. In einer früh. Entsch. (BVerwGE 43, 48, 50) hatte der 1. WDS noch betont, der Gesetzgeber fordere nicht die volle Hingabe des Soldaten an den Soldatenberuf, hatte diese Feststellung jedoch – ohne Begr. – auf WPfl begrenzt.
[39]
BVerfGE 39, 334 = NJW 1975, 1641.
[40]
BVerwGE 86, 321 = NZWehrr 1991, 32.
[41]
BVerwGE 113, 48 = NZWehrr 1997, 161; BVerwGE 111, 22 = NZWehrr 2000, 82; BVerwGE 111, 25 = NZWehrr 2000, 126; BVerwGE 111, 45 = NZWehrr 2000, 255; BVerwG NVwZ 2001, 1413 = NZWehrr 2001, 168; BVerwG DokBer B 2002, 192 = NZWehrr 2002, 257; BVerwGE 114, 258 = NJW 2002, 980. Wenn es dort heißt: „Nach den für alle Gerichte bindenden Entscheidungen des BVerfG (...) verlangt die politische Treuepflicht von dem Beamten bzw. Soldaten die Bereitschaft, sich mit (...) der freiheitlichen demokratischen (...) Ordnung des Staates zu identifizieren“, hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass das BVerfG eine auf Soldaten bezogene Entsch. dieses Inhalts bisher nicht getroffen hat. Etwas abgeschwächt in BVerwGE 123, 346 = NZWehrr 2006, 85. Vgl. auch BVerwGE 132, 179 (193, Rn. 54); BVerwG (EA) 2 WD 26.11 Rn. 49 = NZWehrr 2014, 32 (34).
[42]
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