3. Einsätze der deutschen Streitkräfte „out of area“
a) Heranziehung zu Auslandseinsätzen
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Die bisher kontrovers diskutierte Frage, welche Statusgruppen zwangsweise oder zumindest auf freiwilliger Basis zu Auslandseinsätzen der deutschen SK herangezogen werden könnten, hat mit der Aussetzung der Heranziehung zum GWD und durch Regelungen wie z.B. § 58e Abs. 1 Satz 2 ihre Bedeutung verloren.
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SaZund BSsind dienstrechtl. aus § 7heraus verpflichtet, solchen Einsatzbefehlen Folge zu leisten. Die Treuepflichtunterliegt keiner territorialen(oder statusabhängigen) Begrenzung[40], soweit der Einsatz als solcher materiell und formell verfassungsrechtl. legitimiert ist. Der Einsatz von SaZ und BS für friedenssichernde Aufgaben ist auch außerhalb des im NATO-Vertrag festgelegten territorialen Bereichs zulässig, ohne das es insoweit einer Änd. einschlägiger geltender Gesetzesvorschriften des nationalen Rechts (wie des § 7) bedarf.[41] Hier kann sich der Soldat nicht darauf berufen, dass zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bw mangels damals gegebener Auslandseinsätze z.B. im Rahmen der VN eine andere, insbes. auf die Landes- und Bündnisverteidigung bezogene, enger gefasste Konzeption der soldatischen Treuepflicht bestanden habe.[42]
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Soldaten, die nicht SaZ oder BS sind, werden im Frieden nur mit ihrem schriftl. Einverständnis im Ausland eingesetzt.[43]
b) Die „Reichweite“ der Tapferkeitspflicht
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Mit der h.M.[44] ist die Pflicht zur Tapferkeit als Konkretisierung der Treuepflichtnicht als eigenständige Pflicht zu sehen. Der deutsche Soldat hat daher von Gesetzes wegen – entspr. der territorial nicht begrenzten Treuepflicht – ebenso weltweit tapfer seinen Auftrag zu erfüllen. Die seit Jahren sich inhaltl. und territorial ändernde Aufgabenzuweisung an die deutschen SK muss daher auch diesbzgl. nicht zwangsläufig in einer Novellierung von § 7nachvollzogen werden. „Recht und Freiheit des deutschen Volkes“ sind überall(tapfer) zu verteidigen, nicht nur dort, wo deutsche oder alliierte Rechtsgüter bedroht oder angegriffen sind.[45]
4. Verhältnis von § 7zu den §§ 8 ff.
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Nach der früheren Rspr. des BVerwG[46] war ein Verstoß gegen die §§ 8 ff.zugleich ein solcher gegen die Treuepflicht. Die §§ 8 ff.wurden lediglich als beispielhafte Ausprägungender Grundpflicht angesehen.
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Inzwischen besteht Einigkeit, dass § 7durch die besonderen Pflichten ausgeschlossen wird, die Grundpflicht somit lediglich eine Auffangfunktioni.S.e. Generalklausel[47] besitzt.[48] Mit dieser Norm wird zunächst nur (teilweise) die Grundstruktur des soldatischen Dienstverhältnisses ausbuchstabiert,[49]die durch die Rspr. weiter offengelegt wurde (s.u. Rn. 26).
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Allerdings nennt die Rspr. des BVerwG dabei gelegentlich „zur Bekräftigung“ neben den Einzelpflichten aus den §§ 8 ff.zusätzlich die Grundpflicht aus § 7, ohne dass immer deutlich wird, zu welchem Zweck dies geschieht.[50] Insbes. bei Verstößen gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 schließen die WDS eine Verletzung der Grundpflicht nicht vollständig aus.[51]
Insgesamt verfolgen die WDS jedoch die Linie, bei der Prüfung von Dienstpflichtverletzungen die allg. Pflicht zum treuen Dienen nach § 7nur anzuwenden, wenn dieser die in §§ 8 ff.normierten Dienstpflichten für ihren jew. Anwendungsbereich nicht als speziellere Vorschrift vorgehen.[52] Das ist vor allem dann der Fall, wenn Rechtsverstöße von Gewicht, die in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen, in ihrem Unrechtsgehalt von den Pflichtenregelungen der §§ 8 ff.nicht oder nicht voll erfasst werden.[53] Hilfreich ist in diesem Zusammenhang, dass zu der in § 7normierten Pflicht insbes. die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung gerechnet wird.[54] Verstößt ein Soldat gegen ein Strafgesetz und begeht damit kriminelles Unrecht, so liegt – entgegen der früheren Rspr.[55] – darin nur dann ein Verstoß gegen § 7, wenn es sich nicht um außerdienstliches Fehlverhalten handelt.[56]
5. „Bundesrepublik Deutschland“
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Die o. in Rn. 5zit. Feststellung des VertA, der deutsche Soldat habe nur Befehle und Anweisungen von „Organen“ der Bundesrepublik entgegen zu nehmen, hat zur Konsequenz, dass nur Vertreter dieses Staates dem deutschen Soldaten gegenüber befehls-/weisungsbefugt sind.
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Ausländische Soldaten, auch soweit sie Angehörige von Staaten des NATO-Bündnisses sind, haben gegenüber deutschen Soldaten keine Befehlsbefugnis i.S.v. § 2 Nr. 2 WStG; sie können nicht mil. Vorg. i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1sein.[57] Die Befehlsbefugnis ist Teil der Souveränität; eine (gesetzl.) Übertragung deutscher Hoheitsrechte auf ausländische Soldaten hat bisher nicht stattgefunden.
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Keine Befehlsbefugnisse gegenüber den Soldaten haben auch ziv. Angehörige der Bw(sie haben ggf. das Recht, Soldaten dienstl. Anordnungen zu erteilen, wenn Soldaten außerhalb der Streitkräfte (bspw. in der Bundeswehrverwaltung) verwendet werden – eine Anordnungsbefugnis ergibt sich dann aus § 3 Abs. 4 BBG). Mil. Vorg. muss immer ein anderer (deutscher) Soldat sein. Einzige Ausnahme ist der BMVg als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt gem. Art. 65a GG bzw. sein „alter ego“, der Sts[58], sowie in V-Fall der BK (Art. 115b GG).[59]
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Alliierte und andere ausländische Soldatensowie ziv. Angehörige der Bwsind funktionsbezogen gegenüber deutschen Soldaten weisungsbefugt. Die Verpflichtung der Soldaten, solchen Weisungen Folge zu leisten, wird allg.[60] aus der Treuepflicht des § 7abgeleitet. Diese Auffassung lässt sich begründen, wenn ihr eine vorherige Delegation deutscher Weisungsbefugnis zu Grunde gelegt wird. Eine solche Delegation erfolgt für alliierte KdoBehörden oder andere internationale Stäbe usw. durch völkerrechtl. Vertrag oder Regierungsabkommen, für ziv. Vorg. der Bw durch OrgErl. des BMVg.
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Eine Definitiondes unbestimmten Rechtsbegriffes „treu zu dienen“ ist bisher weder durch die Rspr. noch durch die Lit. erfolgt. Ähnlich wie bei der „Würde des Menschen“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG begnügt man sich mit einer Inhaltsbeschreibungund einer kasuistischen Aufzählungdenkbarer Verstöße.
Allg. wird folgende Standardformelverwendet:
„Gegenstand der in § 7normierten Treuepflicht ist es, zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr als eines militärischen Verbandes beizutragen und alles zu unterlassen, was die Wahrnehmung ihrer durch die Verfassung festgelegten Aufgabenstellung beeinträchtigen oder zumindest in Frage stellen könnte. Denn die Bundeswehr kann den ihr in Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG erteilten Auftrag zur Verteidigung nur dann erfüllen, wenn einerseits ihre Angehörigen, ihr Gerät und ihre Mittel jederzeit präsent und voll einsatzbereit sind und andererseits das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind.“ Dazu soll „neben den Pflichten zur Anwesenheit, zu sorgsamem Umgang mit dienstl. anvertrauten Sachgütern und einer gewissenhaften Dienstleistung vor allem die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtsordnung“ gehören.[61] Bei einem Verstoß gegen diese Pflichten muss es sich allerdings um einen Rechtsverstoß von Gewichthandeln, der zudem in einem Zusammenhangmit dem Dienstverhältnissteht.[62]
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