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Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern eröffnen sich aufgrund ihrer vielfältig rechtlich durchdrungenen Qualifizierung aber auch zusätzliche Betätigungsfelder. Für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wie auch der Steuerberater von Bedeutung ist insb. die Regelung des § 5 Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), der sich mit der Erbringung von Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit anderen Tätigkeiten beschäftigt. Das Vorliegen einer danach zulässigen Nebenleistung ist nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der für die Haupttätigkeit erforderlichen Rechtskenntnisse zu beurteilen. Ganz wesentlich ist also, dass WP und StB ein durch staatliches Berufsexamen belegtes fundiertes Wissen im Bilanzrecht, Wirtschaftsrecht und Steuerrechtvorweisen können.
Hinsichtlich treuhänderischer Tätigkeiten i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 3 WPO sind etwa der Abschluss von Geschäftsbesorgungsverträgen zum Erwerb von Grundstücken und Immobilienfonds sowie Treuhandabreden zum Zahlungsverkehr zulässige Rechtsdienstleistungen.
Vor allem ist jedoch die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen i.S.d. § 15 AktG aus dem Anwendungsbereich des RDG von vornherein ausgenommen, ohne dass es darauf ankommt, ob sie eine erlaubte Nebenleistung darstellt. Aufgrund des Zusammenhangs mit der Konzernbilanzierung und der steuerlichen Organschaft, steht Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern damit die Beratung im faktischen wie im Vertragskonzern offen.[1]
Wirtschaftsprüfer verfügen zudem über die Befugnis zur unbeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 2 Abs. 2 WPO, §§ 3 Nr. 1, 12 StBerG. Die Steuerberatung wiederum kann als Teil der Rechtsberatung angesehen werden. Zulässige Rechtsberatung ist damit jede Darlegung von zivilrechtlichen Grundlagen, soweit sie zur steuerlichen Beratung notwendig sind, sowie die Lieferung von Tatsachenmaterial und Einschätzung zum wirtschaftlichen Stand des Mandanten. Dadurch sind aber auch Vertragsentwürfe für Standardverträge durch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater durch das RDG legitimiert.
§ 1 Vorbemerkung› C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers
C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers
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Vertiefte gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Kenntnisseeinschließlich solcher des Konzern- und Umwandlungsrechts als Teile des Gesellschaftsrechts sind für den (angehenden) Wirtschaftsprüferbesonders wichtig. Beide Rechtsgebiete bilden zusammen mit dem Handelsrechtund dem Bürgerlichen Rechtdie Grundlage seiner Berufstätigkeit. Unverzichtbar sind ebenso insolvenzrechtliche Kenntnisse etwa in Bilanzierungsfragen.
§ 1 Vorbemerkung› C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers › I. Identifikation und Beantwortung von Rechtsfragen
I. Identifikation und Beantwortung von Rechtsfragen
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Insb. die gesetzlichen Prüfungen nach § 2 Abs. 1 WPO beschränken sich nicht auf rein betriebswirtschaftliche Fragestellungen. Vielmehr muss der WP in diesen Fällen rechtliche Problemstellungen erkennenkönnen und sodann selbst oder durch Hinzuziehung von Fachleuten zutreffend beurteilen.
1. Beispiel Umwandlungsprüfung
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§ 9 Abs. 2 UmwG formuliert als Aufgabe einer Verschmelzungsprüfung an den WP: „Soweit in diesem Gesetz vorgeschrieben, ist der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Verschmelzungsprüfer) zu prüfen“ .
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Es handelt sich also um eine Vertragsprüfungund der Inhalt des Verschmelzungsvertrages ist zu beurteilen. Zu seinem Inhalt (vgl. § 5 UmwG) gehört gem. Abs. 1 Nr. 3 z.B. das Umtauschverhältnis der Anteile, was (dem WP vielleicht eher vertraute) Unternehmensbewertungen der beteiligten Rechtsträger einschließt. Aber bereits hier sind die Ausnahmen von der Notwendigkeit der Unternehmensbewertung in § 5 Abs. 2 UmwG oder sogar von der Verschmelzungsprüfung im Ganzen (§§ 9 Abs. 3, 8 Abs. 3 UmwG) zu erkennen. Dazu muss aber der Ablaufplan von Umwandlungenbekannt sein. Gleiches gilt etwa im Hinblick auf die zu prüfenden Folgen für das Gewinnbezugsrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 UmwG) oder den Verschmelzungsstichtag (Nr. 6).
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Hinzu kommt, dass zum Inhalt eines Verschmelzungs- bzw. jedes Umwandlungsvertrages auch z.B. „die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen“ (Nr. 9) gehören, so dass individual- und kollektivarbeitsrechtliche Fragenzu beantworten bzw. zu prüfen sind. Handelt es sich stattdessen um eine Spaltung, sind zusätzlich z.B. „die genaue Bezeichnung und Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die an jeden der übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, sowie der übergehenden Betriebe und Betriebsteile unter Zuordnung zu den übernehmenden Rechtsträgern“ (§ 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG) zu beurteilen. Dem liegen schuldrechtliche Grundsätze der Haftung für Verbindlichkeiten(vgl. § 133 UmwG) zugrunde.
2. Beispiel Jahresabschlussprüfung
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Gleiches gilt für die Jahresabschlussprüfung, als alle dort einfließenden Veränderungen des Vermögensbestands nicht nur rechnerisch, sondern auch sachlich richtig sein müssen. Der rechtlichen Beurteilungim Rahmen der Jahresabschlussprüfung unterliegen damit nicht nur die Ordnungsgemäßheit der Buchführung und damit der zutreffende Ansatz und die Bewertung einzelner Geschäftsvorfälle aus Handelsgeschäften(vgl. § 238 Abs. 1 HGB). Betroffen sind vielmehr auch z.B. alle gesellschaftsrechtlichen Maßnahmendes entsprechenden Wirtschaftsjahres. Kapitalerhöhungen, Verschmelzungen oder Spaltungen unterliegen deshalb nicht nur u.U. einer besonderen Prüfungspflicht, sondern wirken sich ebenso auf den Jahresabschluss aus und sind auch im Rahmen der „normalen“ Jahresabschlussprüfung zu begutachten.
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Bei der Prüfung nach § 89 WpHG ist festzustellen, ob Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihre Dienstleistungen ordnungsgemäß entsprechend den Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes erbringen. Das erfordert neben dem Verständnis für die Geschäftstätigkeiten selbst deren Subsumtion unter den rechtlichen Regelungsrahmen, wofür insb. Kenntnisse von Gesetzesauslegung und der Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörden vonnöten sind.
§ 1 Vorbemerkung› C. Wirtschaftsrechtliche Aufgaben des Wirtschaftsprüfers › II. Vertiefte Kenntnisse höchster Kompetenzstufe
II. Vertiefte Kenntnisse höchster Kompetenzstufe
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Zu Recht verlangen das Wirtschaftsprüfungsexamen und der auf der Grundlage der WPAnrV verbindlich erklärte Referenzrahmen vom 29.11.2016 für die Anerkennung von Studiengängen (§ 8a WPO) und die Anrechnung von Prüfungsleistungen (§ 13b WPO) in den insoweit berührten Rechtsgebieten – qualitativ – eine Kompetenzausprägung der sechsten und damit höchsten Stufe „ Bewertung“: „Studierende können Werturteile abgeben, Vergleiche heranziehen und richtige Schlussfolgerungen ziehen, sie können Prognosen erstellen und die eigenen Aussagen rechtfertigen“ . Diese qualitative Kompetenz darf sich lt. Referenzrahmen insb. im Gesellschafts-, Konzern- und Umwandlungsrecht, aber auch in weiten Teilen des Handelsrechts nicht nur auf den Gesetzeswortlaut beziehen, sondern muss – in der Tiefe – seine gesamte Auslegung durch Rechtsprechung und Schrifttumumfassen.[2]
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