Impressum
2021 Eigenverlag
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage
Umschlaggestaltung: Marcel Fenske-Pogrzeba
Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Aus der Erkenntnis entsteht die Wahrheit. Wahrheit jedes Einzelnen, so unterschiedlich wie der Mensch selbst.
Unterspickt kann diese Wahrheit mit Illusionen, Fantasie, Erlebtem, Erwünschtem, Begehrtem, Verwehrtem sein.
Freude, Hoffnung, Liebe, Glück, Spaß, Ernst, sowie Trauer, Unglück, Sehnsucht und diverse Tugenden machen die Wahrheit zu dem, was sie für jedes menschliche Individuum auf mannigfachste Weise bedeutet.
Also ist die Wahrheit ein subjektives Empfinden für jedermann. Träume können Wahrheit sein, Unbewusstes wird im Traum wahr, gelebt, erlebt, bearbeitet, verarbeitet, erinnerlich und fantasievoll umrahmt.
Vorstellungskraft verschwimmt mit der Wahrheit, verwebt sich mit allen Sinnen, lässt Türen öffnen, die fest verschlossen waren. Sie ist imstande, Berge zu versetzen.
Lassen wir trotzdem fantasievoll unser Leben gestalten, was schadet bisschen Schöpferkraft unserem Dasein? Sie schmückt es höchstens aus, verziert und verschnörkelt es, lässt dadurch Seilsprünge der Freude zu, denn das Leben ruft oftmals dann und wann eh immer nach seiner Ordnung, wenn es ihm zu viel an Einbildungskraft oder Übertreibung wird.
Die Protagonistin Brigitte lebt nach diesen, ihren Werten, und sie hat ihre Imagination bis zur Perfektion geschärft und ist dabei glücklich geworden.
Es war kein kurzer Lernprozess, dem ihre ureigenste Wahrheit entsprang, aber bekanntlich macht Übung den Meister.
Zu diesen Zeilen passt hervorragend Hebbels Gedicht, weshalb ich es nicht vorenthalten möchte:
Erleuchtung
In unermeßlich tiefen Stunden
Hast du, in ahnungsvollem Schmerz,
Den Geist des Weltalls nie empfunden,
Der niederflammte in dein Herz?
Jedwedes Dasein zu ergänzen
Durch ein Gefühl, das ihn umfaßt,
Schließt er sich in die engen Grenzen
Der Sterblichkeit als reichster Gast.
Da tust du in die dunkeln Risse
Des Unerforschten einen Blick
Und nimmst in deine Finsternisse
Ein leuchtend Bild der Welt zurück;
Du trinkst das allgemeinste Leben,
Nicht mehr den Tropfen, der dir floß,
Und ins Unendliche verschweben
Kann leicht, wer es im Ich genoß.
Friedrich Hebbel
(* 18.03.1813, † 13.12.1863)
Es war im Moment nicht ihre Zeit.
Das Leben in der Enge ihrer Ehe nahm ihr öfter als ihr lieb war den Atem, obwohl sie sich meistens zu helfen wusste. Der immer heftiger werdende spürbare Freiheitsdrang machte sie mitunter zornig und ungerecht.
„Lass dich nicht unterkriegen, du schaffst das, wie du es immer geschafft hast“, war zwar ihr Leitspruch geworden und zeitweise gab er ihr Stärke und Zuversicht, doch heute, gerade jetzt, benötigte sie einen Anker, einen Hafen, wo sie anlegen konnte, um die Begrenztheit ihrer Möglichkeiten in jene Tatkraft umzuwandeln, die ihr den Freiraum schaffte, den sie dringend benötigte.
„Paolo wird mich auf andere Gedanken bringen, da bin ich mir sicher“, dachte sie bei sich. Paolo, jung, stark, draufgängerisch und nicht so mühevoll wie ihr alternder Mann. Paolo nahm das Leben leicht, konnte noch jedes Mal ihre aufkeimenden bitteren Gedanken zerstreuen. Einige Stunden mit ihm und ihre kaputte Ehe ward vergessen. Mehr brauchte sie nicht, um wieder energiegeladen und erwartungsfroh in den Tag zu leben.
„Ich brauche unbedingt mehr Abwechslung in meinem Leben, mir fällt die Decke auf den Kopf, wenn ich hier nicht raus komme“, dachte sie sich und sah dabei aus dem Fenster der Villa in den wunderbaren Garten. Ein Gärtner war gerade dabei, neue Pflanzen zu setzen.
„Das alles hat mein Mann erwirtschaftet“, dachte sie bitter. „Er lässt mich das immer wieder spüren, dass kein Cent von mir kam. Nein, er sagt es mir in seiner arroganten, sarkastischen Art bedenkenlos ins Gesicht. Dabei war er es, der auf Kündigung meines Jobs, gleich nach unserer Verehelichung, bestand.
„In meiner Position muss die Frau zu Hause sein, stets gewappnet, mit Honneurs meinen Geschäftsfreunden dienlich zu sein, Geschäftsessen zu Hause vorzubereiten, oder bei Geschäftsessen außer Haus mit anwesend zu sein“, waren seine Argumente. „Denn, hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau“.
Diese Worte ließen ihr Kälteschauer auf der Haut zurück, machten sie wütend und enttäuscht. Der Satz degradiert die Frauen, macht sie unselbstständig, abhängig, erklärt sie zu Marionetten, die nach dem Takt der Männer zu tanzen haben.
„Doch bin ich nicht selbst an meiner Situation mitschuld? Es wäre ein Leichtes gewesen, Ludwig dahingehend zu beeinflussen, dass ich wieder ins Berufsleben einsteige. Ich tat es nicht, weil mir das Leben im Goldenen Käfig ja gefiel“. Sofort verwarf sie diese Gedanken, weil sie nur dazu dienten, ihr den Tag zu verderben, und sie an ihrer verpfuschten Ehe mitverantwortlich werden zu lassen.
Natürlich war das anfangs für sie neu und interessant. Sie zählte durch ihren Mann gesellschaftlich zu den gehobenen Kreisen, viele beneideten sie darum. Sie kam sich neben ihm bevorzugt vor, elitär sozusagen, ein Mitglied der „besseren Gesellschaft“.
Dieser Mythos der Auserlesenen verpuffte rascher, als ihr lieb war. Die Eintönigkeit machte ihr Angst. Sie begann viel zu lesen, um ihren Horizont zu erweitern, um nicht gänzlich zu verblöden. Sie besuchte Seminare über dies und jenes, die ihren Alltag ein wenig aufmöbeln sollten. Sie musste für ihren Mann eine Herzeigefrau vom Feinsten sein, gut aussehend, klug, belesen, charmant, damit er mit ihr reüssieren konnte. Sie pflegte seine diesbezügliche Ideologie, indem sie munter und ergeben sein Verlangen stillte. Kaum zu glauben, dass ihr das sogar Spaß bereitete.
Man war gerne in ihrer Gesellschaft, denn es umgab sie ein gewisser Luxus, nicht zu dick aufgetragen, keinesfalls zu latent. Die richtige Dosis eben, damit die anderen Damen nicht zu sehr ins Hintertreffen gelangten. Zwietracht in der gehobenen Clique ist sehr leicht gesät, was wiederum dem geschäftlichen Interesse ihres Mannes nicht gedient hätte. Sie fühlte sich als typisches Opfer manipulativer Persönlichkeiten und wusste es in jener Zeit nicht einmal. Ihr Mann sagte ihr immer auf subtile Weise, was sie wie zu tun hatte. Und sie tat es. Sie schränkte ihren freien Willen ein, weil sie sich dieses unnatürliche, akquirierte Verhalten nicht realisiert hatte. Ihr war nicht bewusst, dass sie ihre eigenen Entscheidungen drastisch reduzierte. Sie war von einer Spinne im Netz gefangen, die ihre Beute eingewickelt hatte, und sich, wann immer die Spinne Lust hatte, sukzessive davon ernährt. Es war ihr nicht klar, dass ihre emotionalen Defizite durch die manipulative Persönlichkeit ihres Mannes hervorgerufen wurden.
Sie war Gliederpuppe, die nach seinen Handfertigkeiten, indem er gekonnt die Schnüre bewegte, an denen sie hing, hin und her taumelte. Nur sie ließ das zu, das war die Kehrseite der Medaille.
Und dann … plötzlich … ward ihr das gewahr geworden. Genau so plötzlich, änderte sie ihre Situation.
Das war geraume Zeit her.
*
„Meine Anwandlungen vergehen genau so rasch wieder, wie sie gekommen sind.
Das war immer schon so“, beruhigte sie sich selbst. „Paolo hat es immer noch geschafft, mich aufzuheitern, mich umzustimmen. Ich müsste halt die Möglichkeit haben, ihn öfter zu sehen“…
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