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Die Gestaltungswirkung des Verwaltungsakts bleibt grundsätzlich selbst dann erhalten, wenn der Verwaltungsakt aus formellen oder materiellen Gründen rechtswidrig ist. Es gilt der Grundsatz der Bestandskraft von Verwaltungsakten. Er ist in dem Regelungssystem der §§ 43ff. VwVfG angelegt und in § 44 VwVfG – im Ergebnis dem Unionsrecht vergleichbar[348] – nur für bestimmte Fälle einer offensichtlichen und schwerwiegenden Fehlerhaftigkeit durchbrochen. Der Grundsatz der Bestandskraft wendet sich bei belastenden Verwaltungsakten zwar gegen den betroffenen Bürger, wird aber durch die Möglichkeit der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach § 48 VwVfG sowie – in bestimmten Fällen – durch einen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51 VwVfG) in Richtung auf das Gegenprinzip der Flexibilität des Verwaltungshandelns abgemildert.[349]
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Die wichtigste Rechtsform für konsensuales Handeln der Verwaltung ist der öffentlich-rechtliche Vertrag, genauer gesagt, der Verwaltungsvertrag (§§ 54ff. VwVfG).[350] Wegen des Ungleichgewichts zwischen den Beteiligten erschienen für Otto Mayer „wahre Verträge des Staates auf dem Gebiete des öffentlichen Rechtes“ noch „überhaupt nicht denkbar“[351]. Durch § 54 Satz 2 VwVfG ist aber (auch) der subordinationsrechtliche Vertrag als Kategorie voll anerkannt. Daneben regeln die §§ 54ff. VwVfG auch den unproblematischen koordinationsrechtlichen Vertrag zwischen Verwaltungsträgern. Der Verwaltungsvertrag steht heute gleichberechtigt auf einer Stufe neben dem Verwaltungsakt (vgl. § 9 VwVfG); er ist zulässig, soweit nicht ausnahmsweise (z.B. Beamtenernennung, Steuerfestsetzung, Prüfungsentscheidung) ein Vertragsformverbot eingreift. Damit ist er sowohl rechtlich als auch empirisch zur Normalität der Verwaltung in Deutschland geworden.[352] Gleichwohl wird er in der Lehre zum Teil noch immer – zu Unrecht – als „atypische“ bzw. „irreguläre“ Handlungsform der Verwaltung angesehen.[353]
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Nach dem Grundsatz der Wahlfreiheit der Verwaltung stehen der öffentlich-rechtlich organisierten (Leistungs-)Verwaltung auch die Handlungsformen des Privatrechts offen.[354] Ob ein Vertrag als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich anzusehen ist, richtet sich nach dem Charakter der durch den Vertrag begründeten Pflichten (Vertragsgegenstand).[355] Öffentlich-rechtlich ist eine Pflicht, wenn sie sich gerade an einen Träger hoheitlicher Gewalt „als solchen“ wendet (modifizierte Subjektstheorie bzw. Sonderrechtstheorie).[356] Für den verwaltungsrechtlichen Vertrag gelten subsidiär die bürgerlichrechtlichen Normen entsprechend (§ 62 Satz 2 VwVfG).
cc) Administrative Normsetzung
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Eine Regelung, welche die Grenze zur Rechtsnorm überschreitet, kann die Verwaltung nach traditioneller Auffassung nur aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung in Form einer Rechtsverordnung oder einer Satzung erlassen.[357] Eine Rechtsverordnung ist ein Rechtssatz, der von der Exekutive aufgrund einer besonderen parlamentsgesetzlichen Ermächtigung erlassen wird (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG)[358] und der abstrakt-generellen Charakter hat.[359] Die Verordnungsermächtigung ist damit ein zentrales Instrument zur Verlagerung von Entscheidungsverantwortung von der Legislative auf die ausführende Gewalt, von dem angesichts der Vielfalt der für normierungsbedürftig befundenen Sachgebiete und der gewünschten Regelungstiefe zur Entlastung des Parlaments – und wohl auch zur Wahrung seines Charakters als einer politischen Instanz – in hohem Maße Gebrauch gemacht wird.
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Die Satzung ist den juristischen Personen des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben zur Wahrnehmung dieser Aufgaben vorbehalten. Sie ist gleichfalls eine abstrakt-generelle Regelung mit Außenwirkung, vermag aber nur für die Personen, die der Selbstverwaltungskörperschaft angehören und damit ihrer Entscheidungsgewalt unterworfen sind, Rechtswirkungen zu erzeugen.[360] Die Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG gelten für Ermächtigungen zum Erlass von Satzungen nicht, auch nicht analog.[361] Wohl aber können die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte in Verbindung mit der Wesentlichkeitstheorie für bestimmte Satzungsinhalte eine spezielle formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fordern.
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Verwaltungsvorschriften enthalten wie Rechtsverordnungen und Gesetze abstrakt-generelle Regelungen, anders als diese begründen sie unmittelbar aber keine Rechte und Pflichten im Außenverhältnis zum Bürger. Sie sind „Innenrecht“, mit dem eine übergeordnete Stelle der Verwaltung untergeordnete Einheiten organisiert und das Verwaltungsverfahren, die Auslegung des Gesetzes und die Ausfüllung von Ermessensspielräumen anleitet.[362] Das Dogma von der fehlenden Außenrechtsqualität bedarf allerdings mehrerer Einschränkungen. Anerkannt ist zunächst, dass Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eine mittelbare Außenwirkung erlangen können (Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung).[363] Das soll nach der Rechtsprechung sogar dann gelten, wenn tatsächlich noch kein Fall gemäß der Verwaltungsvorschrift entschieden wurde (Verwaltungsvorschrift als „antizipierte Verwaltungspraxis“).[364] In der Rechtsprechung ist außerdem in bestimmten Fällen (vor allem bei komplizierten naturwissenschaftlich-technischen Fragen) die Figur einer „normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift“ anerkannt, die als solche grundsätzlich auch für die Gerichte bindend ist.[365] In der juristischen Dogmatik wird diskutiert, inwieweit sich diese Rechtsfigur verallgemeinern lässt und wie weit die Bindungskraft des „originären Verwaltungsrechts“ reicht.[366]
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Die Bedeutung von Planung (als komplexem Vorgang) sowie Plänen (als dem „Produkt“ von Planung) ist in den letzten Jahren nicht zuletzt unter dem Einfluss des Unionsrechts ständig gewachsen, wie etwa ein Blick auf das europäische Umweltrecht belegt (z.B. Wasserrahmenrichtlinie, Luftreinhalteplanung, FFH-Schutzgebiete).[367] Dabei gibt es „den“ Plan zwar als Handlungsform (insbesondere der Infrastrukturverwaltung),[368] nicht aber als einheitlichen Rechtsbegriff und als selbständige Rechtsform. „Plan“ stellt vielmehr eine Sammelkategorie für sehr unterschiedliche Erscheinungen dar, die jeweils nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen eingeordnet und behandelt werden müssen und deren rechtliche Qualifikation bei fehlender gesetzlicher Regelung im Einzelfall durchaus schwierig und umstritten sein kann.[369]
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Der Plan tritt im Gewande aller klassischen Rechtsformen auf: als Rechtssatz (formelles Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung), Kabinettsbeschluss, Richtlinie des Bundeskanzlers, Verwaltungsakt, Verwaltungsvorschrift, Einzelweisung oder Realakt. Daneben gibt es aber auch immer wieder neuartige Zwischenformen und Pläne sui generis (z.B. Konzept[370]). Zu unterscheiden sind imperative, influenzierende und indikative Pläne, wobei den imperativen Plänen rechtlich die größte Bedeutung zukommt.[371] Beispiele für imperative Pläne sind die Landesentwicklungs- und Regionalpläne (je nach Land in der Regel formelles Gesetz, Satzung oder Rechtsverordnung), der Bebauungsplan (Satzung)[372], der Planfeststellungsbeschluss (Verwaltungsakt) oder der Haushaltsplan von Gemeinden (Satzung)[373].
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Planung ist Finalprogrammierung und kann definiert werden als „analysierende[n] Erfassung gegenwärtiger Lagen, […] Prognose künftiger Entwicklungen und […] Vorentwurf einer normativen Ordnung. Sie zielt auf den Ausgleich von Interessen und die Koordination von Aktivitäten in einem Gefüge abgestimmter, miteinander zu einem Konzept verflochtener Maßnahmen.“[374] Planende Verwaltung ist durch das Moment der Gestaltungsfreiheit (Planungsermessen) gekennzeichnet, das ein Stück weit eine Selbstprogrammierung hinsichtlich der verfolgten Ziele und der hierfür eingesetzten Mittel zulässt.[375]
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