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Unter dem eben genannten Aspekt der Flexibilität spielt natürlich auch die Kündigungsfristeine Rolle. Je einfacher und schneller ein Produkt gekündigt werden kann, desto attraktiver wird das Produkt für mögliche Geldwäscher. So können auch Produkte mit einer per se langen Laufzeit auf einmal attraktiv werden, wenn man sich mit geringem Aufwand frühzeitig von ihnen trennen und flexibel agieren kann.
dd) Einbindung dritter Parteien
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Je mehr Parteien in ein Produkt eingebunden sind, desto höher wird tendenziell auch das Geldwäscherisiko. Sobald mehrere Institute eingebunden werden, beispielsweise bei der Kreditsyndizierung, muss gewährleistet sein, dass jedes Institut die Bestimmungen zur Geldwäscheprävention einhält.
c) Risikofaktoren der Dimension „Transaktion“[57]
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Durch eine Analyse der Transaktionen versucht man, darauf Rückschlüsse zu ziehen, woher die Mittel kommen und für welche Zwecke sie verwendet werden könnten. Natürlich kann man auch in diesem Zusammenhang keine absoluten Aussagen machen, es gibt aber wiederum Risikofaktoren, die auf ein tendenziell erhöhtes Risiko hindeuten können.
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Ähnlich wie bei der Analyse des Kundenrisikos spielt das Länderrisikoauch bei der Analyse des Transaktionsrisikos eine entscheidende Rolle. Wenn ein Kunde häufig Zahlungen aus Hochrisikoländern erhält, dann steigt das Geldwäscherisiko. Werden beispielsweise Gelder aus Ländern empfangen, von denen bekannt ist, dass Korruption und Steuerhinterziehung häufig sind, sollte diese Transaktion als riskanter eingeschätzt werden.
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Gerade im Zusammenhang mit Terrorismusfinanzierung spielt natürlich auch das Empfängerlandeine wichtige Rolle. Werden regelmäßig Transaktionen in Länder getätigt, von denen bekannt ist, dass sie terroristische Organisationen unterstützen, oder dass terroristische Organisationen in ihnen ansässig sind, so steigt das Risiko, dass diese Transaktionen der Terrorfinanzierung dienen.
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Gleich wie bei bargeldintensiven Produkten muss auch bei Bargeldtransaktionenvon einem höheren Risiko ausgegangen werden. Grund dafür ist, dass die Herkunft der Mittel von der Bank i.d.R. nicht nachvollzogen werden kann und gerade illegale Aktivitäten, wie Drogenhandel, oft Bareinnahmen verzeichnen.
dd) Korrespondenzbankgeschäft
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Eine Korrespondenzbankbeziehung besteht, wenn eine Bank, das sog. Korrespondenzinstitut, Bankdienstleistungen für eine andere Bank, das sog. Respondenzinstituterbringt. Diese Dienstleistungen können sowohl für das Respondenzinstitut, als auch für dessen Kunden erfolgen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass das Korrespondenzinstitut i.d.R. keine eigenen Geschäftsbeziehungen zu den Kunden des Respondenzinstitutsselbst unterhält.
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Während das Korrespondenzinstitut die Pflicht hat, das Respondenzinstitut vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung eingehend zu prüfen[58], hat es häufig keine oder wenig Kenntnis über dessen Kunden. Eine Taktik zur Geldwäsche ist beispielsweise das „Nesting“ oder „Downstream clearing“. Dabei werden Gelder durch eine Reihe von Korrespondenzbanken geschleust, sodass der Ursprung der Gelder verschleiert wird.
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Bei der Einschätzung des Risikos in Zusammenhang mit der Respondenzbank wird insbesondere darauf geachtet, in welchem Land die Respondenzbank ansässigist. Von erhöhten Risiken ist in jedem Fall immer dann auszugehen, wenn der Respondent außerhalb der EU ansässig ist. Doch auch einzelne EU-Mitgliedsstaaten können vom Korrespondenzbankinstitut als erhöhtes Risiko eingestuft werden.[59]
d) Risikofaktoren der Dimension „Vertrieb“[60]
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Bei den Vertriebskanälen gibt es Kanäle, die es den Tätern unter Umständen leichter machen, Geldwäsche zu betreiben, und solche, bei denen Geldwäsche tendenziell erschwert ist. Nachfolgend werden einige gängige Vertriebskanäle auf ihr Gelwäscherisiko hin erläutert.
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Persönlicher Kontakt in der Filialereduziert tendenziell das Geldwäscherisiko. Dadurch kann dieser Vertriebskanal grds. als weniger riskant beurteilt werden.
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Bei Onlinevertriebfällt der physische Kontakt in der Filiale zunächst weg. Das macht es Kunden potenziell leichter, eine falsche oder fremde Identität zu verwenden. Allerdings werden Gesichtserkennungsprogramme zunehmend besser und ermöglicht das von der BaFin anerkannte Videoidentifizierungsverfahreneine GwG-konforme Identifizierung. Im Ergebnis wird auch der Onlinevertrieb sicherer. Im Vergleich zum Filialvertrieb besteht aber weiterhin ein tendenziell höheres Risiko.
cc) Einsatz von Vermittlern
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Auch der Einsatz von Vermittlernkann zu erhöhtem Geldwäscherisiko führen.[61] Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wer den Kunden angeworben hat: Handelt es sich hierbei um eine Bank, die zur selben Institutsgruppe gehört, eine Drittbank oder um einen Vermittler, der selbst kein Finanzinstitut ist? Ist der Vermittler in einem Land mit erhöhtem Geldwäscherisiko ansässig?
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Bei der Beurteilung des Vermittlerrisikos müssen sich Banken überlegen, inwieweit sie dem Vermittler bei der Identifizierung des Kunden „vertrauen“ können. Gute Indikatoren sind die Tatsache, dass der Vermittler selbst Verpflichteter des GwG ist. Sofern es sich um einen ausländischen Vermittlerhandelt, ist u.a. entscheidend, ob das jeweilige Land strengen Anforderungen zur Geldwäscheprävention unterliegt.
2. Kapitel Risikoanalyse nach § 5 GwG: Identifizierung der Risiken der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen› C. Durchführung der Risikoanalyse › III. Schritt 3a: Risikokategorisierung und -bewertung – Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung › 4. Berechnung eines Gesamtrisikoscores pro Kunde
4. Berechnung eines Gesamtrisikoscores pro Kunde
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Die Risikoscoresder Risikodimensionen auf Einzelkundenebenesind zu einem Gesamtrisikoscorepro Kunde zu kombinieren.
Abb. 2:
Berechnung des Gesamtrisikoscores
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a) Mögliche Optionen bei der Kombination des Gesamtrisikoscores
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Bei der Bildung des Gesamtrisikoscores auf Einzelkundenebene bestehen grds. zwei Optionen.
aa) Option 1: Gesamtrisikoscore als Maximalwert
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Eine Möglichkeit, die einzelnen Scores je Dimension zu kombinieren, ist die Maximalwertmethode. Dabei bestimmt sich der Gesamtrisikoscore des Kunden anhand des Einzelscores mit dem höchsten Risiko.
Abb. 3:
Gesamtrisikoscore als Maximalwert
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Durch die Bildung des Maximalwerts wird quasi ein Vorsichtsprinzipangewandt. Allerdings werden mögliche risikomindernde Faktoren nicht berücksichtigt. So erhält beispielsweise ein in Saudi Arabien lebender deutscher Staatsangehöriger, der ein Bauspardarlehen für den Bau seines Einfamilienhauses in Hessen aufgenommen hat, automatisch eine schlechte Risikoeinstufung, da die Ausprägung „Saudi Arabien“ des Risikofaktors „Wohnsitz“ einen hohen Risikoscore hat, während die Ausprägungen „Deutschland“ (Risikofaktor „Nationalität“) und „Bauspardarlehen“ (Risikodimension „Produkt“) einen niedrigen Risikoscore haben.
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