1. Maßgebliche Grundrechte102, 103
2. Grundrechte des Rechtsdienstleisters104 – 115
a) Berufswahlfreiheit105, 106
b) Berufsausübungsfreiheit107 – 115
aa) Eingriffe108
bb) Rechtmäßigkeitskriterien109 – 112
cc) Fragwürdige Gemeinwohlrelevanz113 – 115
3. Grundrechte der Rechtsuchenden116 – 124
a) Grundrechtsverkennung117 – 120
b) Grundrechtseingriffe121 – 124
IX. Bedeutung der Rechtsprechung zum RBerG und der Motive für die Auslegung des RDG125 – 131
1. Motive126 – 128
2. Rechtsprechung zum RBerG129, 130
3. Prognose131
X. Lokaler Anwendungsbereich des RDG132 – 162
1. Maßgebliche Kriterien133
2. Grundsatz: Inland134 – 136
3. Keine Geltung im Ausland137 – 139
4. Keine Geltung bei Rechtsdienstleistung im Inland für Ausländer von Ausländern140 – 142
5. Rechtsdienstleistungen für Inländer vom Ausland143 – 162
a) Kriterien144, 145
b) Erbringung vom Ausland aus bei vollständigem Inlandsbezug146 – 151
aa) Schutzzweck147
bb) Inlandstätigkeit148 – 151
c) Erlaubnisfreiheit bei vorübergehenden Rechtsdienstleistungen im Inland bei Niederlassung im Ausland?152 – 161
aa) Keine vorübergehende Dienstleistung bei Niederlassung154
bb) Kriterien der vorübergehenden Dienstleistung155 – 157
cc) Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit158 – 161
d) Umgehung162
XI. Prüfungsschema des Vorliegens einer erlaubnispflichtigen Rechtsdienstleistung163
XII. Praktische Hinweise164 – 166
1. Leistungsbeschreibung165
2. Werbung der Rechtsdienstleister166
1
Die Regulierung des Rechtsdienstleistungsrechts in Deutschland ist eine „Erblast“ des Dritten Reichs. Seit der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869 hatte auch für die Rechtsbesorgung die Gewerbefreiheit gegolten.[1] An nichtanwaltliche „Rechtskonsulenten" wurden keine besonderen Anforderungen gestellt; es gab lediglich eine gewerberechtliche Untersagungsmöglichkeit im Fall der Unzuverlässigkeit.
2
Mit dieser liberalen Konzeption der nichtanwaltlichen Rechtsbesorgung brach das von der Reichsregierung am 13.12.1935 auf der Grundlage des Ermächtigungsgesetzes erlassene „Gesetz zur Verhütung von Missbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung“.[2] Die mit der Neuregelung verbundene Einführung des Erlaubnissystems stellte für das Rechtsberatungsrecht einen Paradigmenwechsel dar. Die nichtanwaltliche Rechtsberatung wurde „aus dem Bereich gewerbepolizeilicher Behandlung herausgehoben".[3] Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wurde einem speziellen Berufsrecht unter Aufsicht der Justiz unterworfen.
3
Dieses diskriminierende Gesetz diente bei seinem Erlass in erster Linie der Verdrängung der deutschen Juden aus der Rechtsberatung. Jüdische Juristen, denen nach 1933 ihre Rechtsanwaltszulassung entzogen wurde, sollten daran gehindert werden, in die nichtanwaltliche Rechtsberatung auszuweichen. § 5 1. AVO RBerG bestimmte 1935 denn auch lapidar: „Juden wird die Erlaubnis nicht erteilt“.[4]
4
Nach 1945 bestätigte die Rechtsprechung die Fortgeltung des Gesetzes ohne seine antijüdischen Vorschriften.[5] Es wurde schließlich 1958 unter der abgeänderten Überschrift „Rechtsberatungsgesetz" in die Sammlung des Bundesrechts aufgenommen,[6] ohne dass eine sorgfältige Prüfung seiner Verfassungsmäßigkeit erfolgte.
5
Jahrzehntelang galt das RBerG unangefochten.[7] Eine exzessive Ausweitung erfuhr es zudem noch durch die Rechtsprechung. Sie dehnte seinen Anwendungsbereich z. B. auf die Rechtsberatung in der Presse aus.[8] 1960 wurde durch einen Kurswechsel der Rechtsprechung auch Rechtsschutzversicherungen die Möglichkeit der Rechtsberatung genommen.[9] Unter völligem Verzicht auf eine teleologische sowie verfassungskonforme Auslegung wurde das Gesetz in den Folgejahren bis 1998 von Gerichten und Anwaltschaft instrumentalisiert, um das Anwaltsmonopol weiter zu stärken. Sein Anwendungsbereich wurde ohne Blick über den Tellerrand des Einzelfalles in einem heute kaum mehr vorstellbaren Maße – z. B. auf eine Rechtsberatung in den Medien oder in Fällen der Unentgeltlichkeit bei caritativen Organisationen – ausgeweitet.
6
Erst gegen Ende der 90er Jahre setzte ein seit langem überfälliger Trend in Richtung auf einen Abbau des Rechtsberatungsmonopols der deutschen Anwaltschaft ein.
1. Änderung der Judikatur
7
Wie in Deutschland üblich wurde auch die Reform des Rechtsberatungsrechts durch Gerichte veranlasst. 1998 erging – auf Druck des EuGH[10] – die Masterpatentscheidung des BVerfG[11] mit einer ersten Korrektur der exzessiven Judikatur zum Erlaubnisvorbehalt, welche aber zunächst folgenlos blieb. Der Verfasser hat im Jahre 2000 mit einem Aufsatz in der NJW[12] auf die Notwendigkeit einer Reform des Rechtsberatungsrecht und einer restriktiven Auslegung des Gesetzes im Anschluss an die Masterpatentscheidungen des EuGH und des BVerfG hinwies. Auch die EU beanstandete die mit der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit unvereinbare Monopolisierung der Rechtsberatung bei der Anwaltschaft in Deutschland.
8
In zahlreichen höchstrichterlichen Entscheidungen wurde ab dem Jahre 2000 durch die Gerichte unter Heranziehung der seit 1949 „sträflich“ vernachlässigten Grundsätze der teleologischen sowie verfassungskonformen Auslegung der Vorbehaltsbereich des RBerG eingeschränkt. Verwiesen sei nur auf folgende Entscheidungen des BVerfG von grundsätzlicher Bedeutung: So sah das BVerfG die Inkassounternehmer als berechtigt an zur Beratung der Kunden über Grund und Höhe der Forderung,[13] es räumte weiter Erbenermittlern eine verstärkte Beratungskompetenz ein;[14] in der „Mahnmann“-Entscheidung zur RTL-Sendung „Wie Bitte“ betonte es die Bedeutung der Rundfunk- und Pressefreiheit gegenüber dem RBerG;[15] diese Freiheitsrechte wurden auch in dem Beschluss „Auto Bild/SAT 1- Jetzt reicht‘s“ herausgestellt.[16] In den weiteren Beschlüssen „Kramer I und II“ bejahte es die Erlaubnisfreiheit der altruistischen bzw. unentgeltlichen Rechtsberatung.[17] Weiter wurde einem Interessenverband von Heilpraktikern das Recht zugestanden, Mitglieder bei der Durchsetzung ihrer Erstattungsansprüche gegen private Krankenversicherungen zu unterstützen.[18] In dem „Anti-Strafzettelbeschluss“ stärkte das BVerfG die Meinungsfreiheit gegenüber dem RBerG.[19] – Auch der BGH änderte ab dem Jahr 2000 seine exzessive Judikatur, indem er den Erlaubnisvorbehalt des RBerG in zahlreichen Entscheidungen – z. B. zur Rechtsberatung in den Medien[20], zur Testamentsvollstreckung und Fördermittelberatung[21] – einschränkte. Gleiches gilt für das BVerwG mit Entscheidungen zum Forderungskauf[22] sowie zur Insolvenzberatung.[23]
9
Angesichts der Liberalisierung der Rechtsprechung und der vermehrten öffentlichen Kritik am RBerG geriet auch die reformunwillige Politik unter Druck. Am 14.4.2005 wurde ein Referentenentwurf und am 23.8.2006 ein Regierungsentwurf[24] vorgelegt. Der Deutsche Bundestag billigte am 11.10. und der Bundesrat am 9.11.2007 das Gesetzespaket in der Fassung, wie sie dem Ergebnis der Beratungen im Rechtsausschuss entsprach. Nachdem das „Gesetz zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts" vom 12.12.2007 am 17.12.2007 im Bundesgesetzblatt[25] verkündet worden war, trat es zum 1.7.2008 in Kraft.
3. Scheitern der Kritiker
10
Die Reform stieß bei den konservativen Verfechtern des tradierten Anwaltsmonopols auf erheblichen Widerstand. Die BRAK oder auch Teile der Rechtswissenschaft, welche nach 1945 auf breiter Front mit der unkritischen Verteidigung des unhaltbaren RDG versagt hatte, versuchten wie z. B. Römermann[26] – die Bedeutung des RDG durch eine Auslegung konform dem RBerG in Frage zu stellen. Letzterer z. B. glaubte sogar vor einem „Sturm“, gar einer „Revolution“ sowie der Gefahr „skrupelloser Quacksalber“ warnen zu müssen. Mit Verve stürzten sich die „Traditionalisten“ bei ihren Attacken auf begriffsjuristische Aspekte. So richteten sie sich vornehmlich gegen Begriffe wie „vertiefte“, „besondere“ „Rechtsprüfung“ in § 2 I RDGoder gegen liberale Ansätze bei § 5 RDG.
Читать дальше