1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Ich war auf eine redselige Seele gestoßen. Dieses Glück wollte ich ausnutzen, weil es in der Phase der Ermittlungen wichtig war, so viele Informationen zu erhalten wie möglich. Ich fragte deshalb: „Ich habe auch schon von Johannitern gehört. Das ist dann dasselbe?“
Er hatte seinen großen Tag und freute sich sichtlich darüber: „Ursprünglich wurden wir Johanniter genannt. Der evangelische Zweig unserer Vereinigung wird auch heute noch so genannt. Nachdem das Heilige Land von den Christen verlassen wurde, wurde der Orden auf Rhodos heimisch und nach der Vertreibung von dort auf Malta. Daher kommt der heute gebräuchliche Name für unseren römisch-katholischen Orden: Malteser.“
Als er römisch-katholisch aussprach, schien es mir, als finge das Madonnenbild hinter ihm an zu strahlen. Es machte allerdings den Eindruck, als wäre die Madonna aufgebracht. Vielleicht lag es aber auch nur daran, weil die Sonne durch die Wolken gebrochen war und höher stieg.
„Und diese karitativen Tätigkeiten der Malteser in Deutschland werden alle vom Orden wahrgenommen?“, wollte ich seinen Redefluss auf für meine Ermittlungen wichtige Aspekte in Gang setzen.
„Naja, nicht ganz. Der Malteser Hilfsdienst e.V. wurde mit Beginn der 1950er Jahre gegründet. Gründer waren der Caritas-Verband und eben die jetzige Deutsche Assoziation des Malteser-Ordens.“
Ich war mir nicht sicher, wohin mich das führen würde und auch nicht, ob es wirklich einen Beitrag zur Aufklärung leisten konnte. Aber man konnte nie wissen und ich hatte auch nicht viel, an das ich mich ansonsten halten konnte. Deshalb fragte ich: „Da muss man also unterscheiden zwischen dem Malteser-Hilfsdienst und dem Malteser-Orden?“
Er nickte: „Ja, da muss man unterscheiden. Der Malteser Hilfsdienst ist ein Verein nach deutschem Recht und unterliegt damit deutscher Gerichtsbarkeit. In Deutschland engagieren sich fast 50.000 Malteser ehrenamtlich und mit über 30.000 hauptamtlichen Mitarbeitern sind die Malteser auch einer der großen Arbeitgeber. Operativ findet die Arbeit in GmbHs statt, an denen der Verein beteiligt ist.
Daneben gibt es die Ordensorganisation in Deutschland. Der deutschen Assoziation gehören die Mitglieder der drei Stände des Ordens an. Der Orden ist in der Steuerung und Verwaltung des Vereins und der GmbHs tätig und auch vielfach Mitgesellschafter der GmbHs. Ohne den Orden läuft also nichts, er ist da ganz maßgeblich. Der Orden ist aber selbstständig außerhalb des deutschen Rechts.“
Mein Blick wanderte über das Regal mit den Aktenordnern, die viele ganz unterschiedliche Beschriftungen der Rückenschilder aufwiesen, sehr unruhig. Ich bekam das Gefühl, das Ganze war eine recht komplexe Sache und falls es notwendig werden würde, wären die Fäden der Malteser nicht leicht zu entwirren. Ich war schon lange im Geschäft und wusste daher, dass ich gleich damit anfangen konnte: „Ich bin sicher, Sie können das genauso gut erklären wie Herr von Beroy. Was heißt denn ‚selbstständig außerhalb des deutschen Rechts‘?“
Wie erwartet tat ihm meine kleine Schmeichelei gut und er nahm begierig meine Frage auf: „Der Orden ist völkerrechtlich souverän, hat eine eigene Ordensregierung, unterhält Botschaften, hat eine eigene Währung und wir geben sogar eigene Briefmarken heraus. Der Orden hat auch eine eigene Jurisdiktion für seine Mitglieder mit Ordensgerichten und einer Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwälte und Richter werden vom Großmeister unter Beteiligung des Souveränen Rates ernannt. Sie sehen, wir sind so eine Art Staat. Leider haben wir nach der Eroberung von Malta durch Napoleon kein Staatsgebiet mehr.“ Sein Gesicht glänzte vor Freude darüber, sein Wissen mit mir teilen zu können und sein Ohrhaar vibrierte.
Mir war nicht entgangen, dass er sich einbezogen hatte: „Sie sind auch Mitglied des Ordens?“
Seine Wangen zuckten etwas, er räusperte sich und antwortete dann mit leiser Stimme: „Nein, ich bin Angestellter beim Malteser Hilfsdienst.“ Es war zu erwarten, dass er kein ‚Leider‘ anfügte, aber es war ersichtlich, wie gerne er eine wichtige Rolle im Leben spielen würde, das aber niemanden interessierte. Seine Resignation über ein Leben, das ihn schikanierte und auslachte, wurde greifbar, als er sich mit beiden Händen die Schläfen rieb und dazu mit verkrampften Lippen vor sich auf die Kaffeeseen starrte.
Ich sah aber keinen Grund, ihn zu trösten: „Wie wird man denn Mitglied in diesem ‚Staat‘?“
„Der Orden entscheidet souverän über die Aufnahme und die Aufgaben seiner Mitglieder. Das ist in dem Kodex des Ordens festgelegt. Allenfalls der Papst kann da mitsprechen. Immer noch stammen viele Mitglieder des Ordens in Europa aus Adelsfamilien, hauptsächlich aus dem Stand der Ritter, es werden aber mittlerweile auch Nicht-Adelige aufgenommen. Die Zeiten des Elitarismus sind vorbei“, sagte er wieder aufblickend, aber es war Bitterkeit in seiner Stimme. „Mittlerweile können auch Frauen in den Orden eintreten.“
„Das ist in der Tat höchst egalitär“, warf ich ein, da ich begann, von seinen Ausdünstungen Kopfschmerzen zu bekommen. „Eugen Schäfer war also hauptamtlicher Mitarbeiter beim Malteser Hilfsdienst und Herr von Beroy ist Mitglied des souveränen Malteser-Ordens?“
„Ja, genau“, bestätigte er, meine kleine Spitze gar nicht bemerkend und in seine Gesichtszüge kroch die Angst, bald wieder allein in seinem erbitternden Büro sein zu müssen. „Soweit ich weiß, haben Schäfer und von Beroy viel über einige Aspekte diskutiert“, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der verdeutlichen sollte, er wäre Hüter des vertraulichen Wissens der Welt, damit ich noch etwas blieb.
Ich hoffte, es würde mich weiterbringen und fragte deshalb: „Worum ging es da?“
Er sah mich dankbar an: „Oh, das weiß ich nicht genau, irgendetwas über Häretiker des Glaubens und deren Einfluss und Hinterlassenschaft in unserer heiligen Kirche. Ehrlich gesagt ist Herr von Beroy zu Carpand ein wenig, wie soll ich sagen, esoterisch veranlagt.“ Ich begriff, bei ihm waren Redseligkeit und Klatsch eine Symbiose eingegangen und wusste deshalb, ich würde noch etwas erfahren. „Es heißt auch, dass das von Frau Bernadea von Richtplatz kommt, unserer großen Spenderin. Eugen Schäfer hatte jedenfalls viel Freiheit, Sie verstehen schon. Er hat eigentlich nicht in unsere Organisation gepasst.“ Damit ich seine Kompetenz nicht falsch einschätzte, fügte er noch hinzu: „Ich hätte das nicht zugelassen und ihn in den Griff bekommen, aber er untersteht ja dem Leiter Rettungsdienst.“
Der Hinweis auf die Spenderin Bernadea von Richtplatz war sehr wichtig und ich hätte darum gewettet, einen Besen zu fressen, wenn Bernadea von Richtplatz nicht irgendetwas mit Belvon von Richtplatz zu tun gehabt hätte. „Wie ist denn die Beziehung zwischen Bernadea von Richtplatz und Hieronymus von Beroy?“, wollte ich ihn nicht vom Haken lassen.
Er war nun voll in seinem Element und blickte sich scheu und schnell über die Schulter, auch wenn er genau wusste, mit mir allein zu sein. Dann sagte er in verschwörerischem Ton: „Es heißt, Bernadea von Richtplatz habe von Beroy bezirzt. Deshalb sei er ihr hörig und sie tue alles, damit das so bleibt. Sie wissen schon.“ Dabei machte er eine obszöne Geste und fuhr dann fort: „Zusätzlich mache sie ihn mit ihren Spenden auch abhängig, denn sie könne ihn jederzeit mit der Drohung, die Spenden einzustellen unter Druck setzen.“ Dabei nickte er mir einmal zur Bekräftigung zu und reckte mir sein Kinn entgegen.
Die Sonne war mittlerweile so hoch gestiegen, dass einzelne Strahlen ein Muster auf die Wand warfen. „Warum will Frau von Richtplatz von Beroy abhängig machen? Was will sie von ihm?“, fragte ich.
Er zog sein Kinn abrupt zurück und sagte: „Davon weiß ich nichts. Ich beteilige mich auch nicht an Gerüchten.“
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