Na ist doch meine Rede , schmunzelte er in sich hinein. Bis ihm auffiel, was an dieser Aussage nicht stimmte. Da verging ihm das Lachen.
»Woher wissen Sie, dass ich gesessen habe? Ich habe nichts in dieser Richtung erwähnt und ich bin mir ziemlich sicher, wir sind uns noch nie begegnet.«
»Sind wir auch nicht, aber ich habe Ihre Akte gelesen.«
»Sie haben meine …« Es geschah ja wirklich nicht oft, doch er war nah dran, dass es ihm die Sprache verschlug. »Darf ich vielleicht auch den Grund Ihres gesteigerten Interesses an meiner Person erfahren?«
»Vielleicht sollte ich mich zunächst vorstellen.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Major Rachel Kepshaw. Admiral Nogujama dürfte es Ihnen gegenüber eigentlich bereits erwähnt haben. Ich befehlige den zweiten Teil des Einsatzteams.«
Der Besprechungsraum roch muffig. Das lag zum einen an der abgestandenen und immer wieder aufbereiteten Luft des völlig überlasteten Lebenserhaltungssystems und zum anderen an den mehr als hundert Offizieren, die gespannt auf den Beginn der Einweisung warteten. Die meisten Anwesenden waren untereinander in unterdrückte, meist hitzige Diskussionen vertieft, die den ganzen Raum als Hintergrundwispern durchdrangen.
Alan saß in der ersten Reihe und war sich unangenehm der Nähe dieser Rachel Kepshaw bewusst. Die Eröffnung, sie würde ebenfalls am Einsatz teilnehmen, hatte ihn gelinde gesagt ein wenig aus dem Konzept gebracht. Dass eine Frau dabei war, störte ihn nicht. Immerhin hatte er selbst zwei ausgewählt. Aber musste sie so verdammt gut aussehen? Eines musste man sagen: Nogujama hatte Sinn für Humor.
Die Tür ging auf und schlagartig verstummten alle Geräusche, als vier Admiräle und ein General der Marines den Raum betraten. Die Männer und Frauen sprangen wie auf Kommando auf und nahmen Haltung an. Bis auf vier Männer und zwei Frauen in der ersten Reihe, die eher lässig auf ihren Stühlen saßen.
Kepshaw warf ihm von der Seite einen missbilligenden Blick zu und zog ihre Stirn in Falten. Verdammt. Selbst wenn sie sauer war, sah sie sexy aus. Eigentlich sogar noch mehr als zuvor.
Der führende Admiral, ein grauhaariger Kauz, trat an das Rednerpult, während die anderen vier Offiziere hinter ihm Aufstellung nahmen. Er würdigte die Respektlosigkeit, mit der die ehemaligen Häftlinge aufwarteten, mit keinem Blick.
»Sie dürfen sich setzen«, verkündete er mit tiefer Stimme. Er wartete, bis sich das allgemeine Stühlerücken gelegt hatte, bevor er fortfuhr.
»Für alle unter Ihnen, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Vizeadmiral Dennis Hoffer.« Er deutete der Reihe nach auf die Offiziere, die mit ihm den Raum betreten hatten. »Das ist Vizeadmiral Johannes Malkner, General Markus Berg von den Marines, Konteradmiral Laurence Kehler und Konteradmiral Okuchi Nogujama vom MAD dürften eigentlich hinreichend bekannt sein.«
Er räusperte sich, aber Alan gewann den Eindruck, er mache dies nur, um Zeit zu gewinnen und den Blick über die versammelte Runde schweifen zu lassen. In diesem Moment erkannte er, dass, egal was Hoffer zu sagen hatte, es vermutlich niemandem im Raum oder auf dem ganzen Planeten gefallen würde. Während er sprach, bauten zwei Lieutenants im Hintergrund ein Stativ auf und befestigten daran eine alte Sternenkarte.
Der Hauptkomplex des Stützpunkts befand sich noch im Bau und verfügte noch nicht über die modernen Hologrammprojektoren, die andere Basen oder moderne Raumschiffe ihr Eigen nannten. Die Karte war sehr rudimentär, dürfte aber ihren Zweck erfüllen.
»Die Lage ist verzweifelt«, eröffnete Hoffer die Besprechung ohne lange Umschweife. Unterdrücktes Keuchen ging durch den Saal. Alan fragte sich, warum alle so überrascht waren. Dass sie mit dem Rücken zur Wand standen, sollte eigentlich kein Geheimnis mehr sein.
»Die Evakuierung der Kolonien zwischen der Fortress-Linie und den vorderen Angriffsspitzen der Ruul verlaufen planmäßig und es werden alle Transportkapazitäten eingesetzt, die man aufbringen kann. Die Fluchtschiffe werden zum Glück von feindlichen Schiffen nur sporadisch behelligt. Doch die Ruul rücken schneller vor als erwartet und ihre Erfolge stellen unsere schlimmsten Befürchtungen weit in den Schatten.«
Hoffer drehte sich um und wechselte einen schnellen Blick mit Kehler und Malkner, bevor er fortfuhr. »Wir haben soeben die Nachricht vom Fall der Mekong-Kolonie erhalten. Das heißt, die Ruul sind inzwischen weniger als hundert Lichtjahre von Fortress entfernt. Unsere Zeit läuft ab.« Sein scharfer Blick wanderte in die Ecke des Raumes, in dem die Offiziere der Pioniere saßen. »Für Sie bedeutet das, es muss noch schneller vorangehen, den Stützpunkt gefechtsbereit zu machen.«
Alan konnte die gedämpfte Antwort, die zurückkam, nicht verstehen, aber Hoffer nickte zufrieden. Er deutete auf die Karte hinter sich.
»Wir haben einen Plan ausgearbeitet, der uns die größtmöglichen Erfolgsaussichten bieten könnte. Aber ich muss gleich vorneweg sagen, es ist kein perfekter Plan. Er hat seine Schwächen, aber in unserer derzeitigen Lage dürfen wir nicht wählerisch sein. Das Glück gehört schließlich immer noch den Tapferen.«
Er nahm einen Zeigestock vom Pult und wandte sich nun ganz der Karte zu. Seine Zuhörer beugten sich interessiert vor, um auch ja nichts zu verpassen. Alan ertappte sich dabei, wie er ihrem Beispiel folgte. Und selbst seine abgebrühten ehemaligen Mitgefangenen waren dagegen nicht gefeit.
»Wir unterscheiden drei Angriffsspitzen, mit denen die Ruul in den menschlichen Raum eingedrungen sind. Jede der Spitzen scheint von den anderen beiden vollkommen autonom zu operieren, verfügt über starke Raum- und Bodenstreitkräfte, eigene Reparatureinrichtungen und sogar über so etwas wie ein eigenes Oberkommando. Ihre Taktik ist dabei relativ einfach. Erreicht eine der Spitzen ein System, dringen starke Kampfverbände ein und kämpfen den örtlichen Widerstand im Raum nieder, bevor die Hauptflotte in das System springt. Anschließend landen Truppen, die die Verteidiger am Boden überwältigen. Je nachdem, wie stark die Verteidiger im Weltraum sind und mit welcher Stärke die Ruul angreifen, kann ein Bodenangriff auch schon während der Raumschlacht beginnen.
So haben sie es gemacht, als Ursus angegriffen wurde. Kolonien, die mit der Stoßrichtung der drei Flotten nicht direkt in Konflikt geraten, werden von den Ausläufern der ruulanischen Angriffsspitzen sozusagen im Vorbeiflug erobert. Und so erschreckend das alles auch ist, die Taktik funktioniert.«
Der Zeigestock fuhr etwas in den Norden der Karte hinauf. Zu einer Kolonie, die Alan sehr gut kannte. »Das bringt mich auch schon zu unserem eigentlichen Problem und dem Grund, aus dem wir uns hier eingefunden haben.
Das Hauptproblem sind nicht Stärke und Taktik der drei Angriffsflotten, die tief in unser Hoheitsgebiet eingedrungen sind. Das eigentliche Problem ist eine vierte, sehr starke Flotte, die hier bei New Born Stellung bezogen hat. Bei dieser Flotte befindet sich ein riesiges Schlachtschiff, das wir inzwischen zweifelsfrei als das ruulanische Flaggschiff identifiziert haben. Dieses Schiff koordiniert die Invasion und lässt die drei Angriffsspitzen als Einheit kämpfen. Man könnte sagen, es dient als Verbindungsstück aller drei Invasionskorridore. Dieses Schiff müssen wir unter allen Umständen ausschalten. Alles andere, was wir ab jetzt besprechen, dient nur der Ablenkung und soll die Ruul verwirren, damit sie unserer eigentlichen Absicht nicht auf die Schliche kommen. Bis es zu spät ist. Admiral Kehler bitte.«
Hoffer trat beiseite und überließ Kehler das Pult.
»Gegen die linke und rechte Angriffsspitze, die sie auf der Karte sehen, können wir nichts unternehmen. Sie zielen direkt auf die Systeme Starlight und Serena. Die Flotten- und Truppenkontingente, die man dort zusammengezogen hat, sind gewarnt und erwarten die Ruul bereits, um ihren Vormarsch zu stoppen. Aber auch wenn sie siegen, wird das nichts nützen, falls wir versagen. Das Fortress-System muss ebenfalls standhalten, denn die mittlere Spitze der ruulanischen Invasion zielt auf uns. Das ist einer der Gründe, warum dieses System als Teil der Verteidigungslinie ausgewählt worden ist.
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