Nogujama dachte ausgiebig über seine Worte nach, bevor er darauf einging. »Ganz schön frech, solche Forderungen zu stellen.« Als Antwort erhielt er nur ein überhebliches Grinsen. »Aber ich denke, zumindest die ersten beiden Punkte stellen kein Problem dar. Der dritte allerdings schon. Ich hatte eigentlich bereits ein Team ausgewählt.«
Alan schüttelte entschlossen den Kopf. »Entweder alle Punkte oder der Deal ist gestorben. Sie können entscheiden, was Sie wollen, aber von den Forderungen werde ich keinen Millimeter abweichen.«
»Hatte ich auch nicht erwartet. Einen Vorschlag zur Güte. Wir kombinieren das Team. Die Leute, die sie auswählen, und die Leute, die ich bereits ausgesucht habe. Einverstanden?«
»Das könnte aber ein ernstes Problem geben«, hielt Alan dagegen. »Beide Gruppen kennen sich nicht und haben noch nie zusammengearbeitet.«
»Trotzdem lasse ich Sie auf keinen Fall ohne meine Leute losmarschieren. Ende der Diskussion.«
Alan kannte Nogujama gut genug, um zu wissen, dass dieser in dem Punkt unnachgiebig sein würde. Er hatte bereits mehr erreicht, als er zu hoffen gewagt hatte. Es auf die Spitze zu treiben, wäre eine geradezu sträfliche Dummheit gewesen.
»Einverstanden«, gab er nach. Der ehemalige Gefangene kramte lautstark in seiner Tasche und förderte schließlich ein zusammengeknülltes Stück Papier zutage, das er vor Nogujama auf den Schreibtisch warf.
Der Admiral faltete es auseinander und fragte währenddessen: »Und was ist das?«
»Mein Team«, stellte Alan unumwunden fest. »Auf dem Zettel stehen fünf Namen von Leuten, die ich ausgewählt habe.«
»Hoffentlich sind sie nicht zu weit verstreut. Wir haben keine Zeit, sie aus allen Himmelsrichtungen zusammenzusuchen.«
Alan setzte erneut sein überhebliches Grinsen auf. »Oh, das ist das Beste daran. Das müssen wir gar nicht. Sie sind allesamt auf dem Planeten unter uns.«
Es war erstaunlich, wie weit die Vorbereitungen im Fortress-System schon waren. Das abgestellte Pioniercorps hatte den aufgegebenen Stützpunkt in Beschlag genommen, Bunker für die Stationierung von Raumabwehrwaffen und Flaks gegraben, unterirdische Bunker für Nachschublager angelegt, diese durch Tunnel miteinander verbunden und Standorte für mehrere provisorische Flugfelder mit Planierraupen eingeebnet. Im Moment waren sie damit beschäftigt, ein Netz miteinander verbundener Schützengräben um den eigentlichen Hauptstützpunkt anzulegen. Nur für den Fall, dass es die Ruul bis zur Oberfläche schafften. Woran eigentlich niemand zweifelte. Die Frage war nicht ob, sondern wann die Ruul landeten.
Als Alan das Shuttle verließ, schüttelte er verwundert den Kopf.
Hätte es nie für möglich gehalten, dass ich Lost Hope vermissen könnte. Gott, ist diese Landschaft vielleicht deprimierend.
Ähnlich wie das Lost-Hope-System hatte auch das Fortress-System nur noch einen einzigen Planeten. Wobei man in diesem Fall nur sehr großzügig von einem Planeten sprechen konnte. Wo die Gefängniswelt eine Schneekugel im All war, war Fortress nur ein trostloser Felsbrocken. Wohin man auch sah, es gab nur Felsen und Steine, die sich abwechselten mit … oh Wunder … Steinen und Felsen.
Die Bunker, Tunnel und Schützengräben hatte man mit Hochleistungsbergbaulasern in den nackten Felsen brennen müssen. Dieser Umstand machte die Leistung der Pioniere in der relativ kurzen Zeit nur um so beeindruckender. Die Lufthülle des Planeten war so dünn, dass man außerhalb von Gebäuden eine leichte Atemmaske über Mund und Nase tragen musste, deren Vorrat für etwa drei Stunden ausreichte. Durch den dichten Eisenkern des relativ kleinen Planeten betrug die Schwerkraft zum Glück Erdnorm, sodass sich die Arbeiter und Truppen nicht umstellen mussten. Allerdings wäre eine geringere Schwerkraft auch nicht schlecht gewesen. Er hätte nichts dagegen gehabt, hier ein paar Kilos weniger zu wiegen.
»Geh aus dem Weg, Primadonna.«
Eine unsanfte Hand drückte ihn grob zur Seite und ein schlecht gelaunter, mürrisch dreinblickender Craig Hasker schob sich an ihm vorbei. Die Narbe, die sich von Craigs Stirn bis hinunter auf seine linke Gesichtshälfte erstreckte und das Lid seines linken Auges herunterzog, wirkte bei Tageslicht sogar noch bösartiger. Alan hatte gute Lust, ihm etwas Manieren beizubringen, verkniff es sich aber. Sie mussten noch zusammenarbeiten und da hatte es keinen Sinn, wegen einer Nichtigkeit einen Streit mit seinem ehemaligen Zellengenossen vom Zaun zu brechen.
Warum er ausgerechnet ihn ausgewählt hatte, war ihm immer noch nicht so ganz klar. Vielleicht lag es daran, dass der wegen Mordes verurteilte Craig Hasker einer der besten Sprengstoffexperten war, den das Militär derzeit hatte oder jemals haben würde. Die Insassen der Militärgefängnisse mitgerechnet. Auch wenn seine Art dem ehemaligen Sergeant Major nicht gerade viel Freunde bescherte.
Nach und nach kam jetzt der Rest von Alans Team aus dem Shuttle. Unter den wachsamen Augen von einigen MAD-Soldaten, deren Hände sich nie weit von ihren Waffen entfernten. Na ja, wenn es ihnen Spaß machte. Er hatte die Männer und Frauen seines Teams genauso geködert wie Nogujama ihn. Mit dem Versprechen der Freiheit.
Die braunhaarige, etwas pummelige Erin Seekton torkelte mitgenommen aus dem Shuttle. Ehemals Major bei der Flotte. Lange Flüge waren dennoch nicht so sehr ihr Ding. Jedenfalls nicht, wenn sie nicht selbst am Steuerknüppel saß. Sie war eine ausgezeichnete Pilotin. Eigentlich kein Wunder, dass sie wegen Fahnenflucht verurteilt worden war. Hatte sie doch versucht, sich mit einem Zerberus-Jäger abzusetzen, um ein Leben fernab des Militärs zu führen. Weit war sie jedenfalls nicht gekommen, aber der Versuch zeugte doch von einer Kühnheit, die man einfach bewundern musste. Dass sie zusätzlich noch wegen Befehlsverweigerung und Angriffs auf einen vorgesetzten Offizier schuldig gesprochen worden war, war eher unter ferner liefen abzulegen.
Hinter ihr schob sich Eleanore Bimontaigne ins schwächer werdende Licht der Fortress-Sonne. Sie sah auf den ersten Blick unscheinbar und hilflos aus. Dürr und kreidebleich, wie sie immer war. Doch die ehemalige MAD-Offizierin hatte auf dem Flottenstützpunkt New Born ein ausgeklügeltes Netzwerk aufgebaut, das praktisch den gesamten Drogenhandel des Systems kontrolliert hatte. Bis sie zu gierig geworden war.
Zusätzlich zu ihrem florierenden Drogengeschäft hatte sie versucht, einen Prostitutionsring aufzubauen, indem sie drogensüchtige Offizierskollegen beiderlei Geschlechts, die bei ihr Kunden waren, mit eben diesem Wissen um ihre Drogenprobleme zur Mitarbeit erpresste. An diesem Punkt war man ihr schließlich auf die Schliche gekommen, noch bevor ihr neuer Geschäftszweig richtig etabliert war. Das war es dann auch mit ihrer kriminellen Karriere. Der MAD hatte sie kurzerhand verhaftet und sie war im Schnellverfahren abgeurteilt worden. Es gab Gerüchte, sie sei so schnell verurteilt und nach Lost Hope geschickt worden, weil einige hochrangige Generäle und Admiräle zu den Kunden ihres neu aufgebauten Prostitutionsrings zählten und diese sie schnellst möglich aus dem Weg haben wollten. Wenn man bedachte, dass sie im Knast nicht weniger als fünf Anschläge auf ihr Leben und drei angezettelte Messerstechereien überlebt hatte, konnte man durchaus zu der Meinung gelangen, dass etwas dran sein musste.
Das war aber noch längst nicht das einzige Gerücht, das die Frau betraf, die früher einmal Captain gewesen war. Man munkelte heute noch, sie habe die Dienste ihrer eigenen Prostituierten und Callboys selbst in Anspruch genommen. Die Frau galt als zügellos.
Und als unverbesserlich obendrein. Die Behörden auf Lost Hope hatten in den acht Jahren ihrer Gefangenschaft nicht weniger als neun Versuche zerschlagen müssen, ein kriminelles Netzwerk aufzubauen.
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