Wer das Buch von Arne Burchartz liest, wird rasch zur Feststellung kommen, dass er der geeignete Autor für dieses gewichtige Buch über die psychodynamischen Therapien ist. In seinen Grundberufen ist Burchartz Theologe und Diplom-Pädagoge, aus beiden Berufen hat er seine überragenden Qualitäten für den Kinderanalytiker gewonnen, der auch wissenschaftlich tätig ist. Er ist kenntnisreicher Theoretiker, scharfer Denker und dazu eloquent. Vor allem ist er jedoch ein ausgezeichneter, empathischer Kinderanalytiker mit praktischen Erfahrungen in vielfältigen Bereichen. Diesem lang erwarteten Buch ist jener Erfolg zu wünschen, der ihm gebührt.
Mundelsheim, im Januar 2012 |
Hans Hopf |
Ergänzung zur zweiten Auflage
Mittlerweile ist der größte Teil der in Deutschland über Krankenkassen finanzierten Psychotherapien tiefenpsychologisch fundiert. Ich habe diesem Buch damals jene Beachtung gewünscht, die es verdient. Zu meiner großen Freude ist eingetroffen, was ich damals gehofft hatte. Das Buch von Arne Burchartz ist das wichtigste Lehrbuch zum Thema »Psychodynamische Psychotherapien bei Kindern und Jugendlichen« geworden. Es begleitet Psychotherapien und hilft beim Entwurf von Behandlungsplänen bei den Berichten zum Gutachterverfahren. Es ist das Standardwerk, sowohl für niedergelassene Psychotherapeuten und Ärzte als auch für alle Institutionen, die künftige Psychotherapeuten ausbilden.
Mundelsheim, im Februar 2015 |
Hans Hopf |
Einleitung zur dritten Auflage
Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen wird heute als eines der zwei psychoanalytisch begründeten Verfahren angesehen (Dieckmann, Becker & Neher 2021, S. 92f.). Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Analytischer und Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie sind auch im Kindes- und Jugendalter in der Fachdiskussion differenziert herausgearbeitet und begründet. Im Bereich der Erwachsenen-Psychotherapie liegt eine Fülle von Werken vor, welche das tiefenpsychologisch fundierte Verfahren theoretisch und praktisch darstellen (z. B. Dührssen 1988, Heigl-Evers & Ott 1994, Wöller & Kruse 2020, Jaeggi, Gödde, Hegener & Möller 2003, Küchenhoff 2005, Reimer & Rüger 2006, Dreyer & Schmidt 2008, Jaeggi & Riegels 2008, Rudolf 2010, Boll-Klatt & Kohrs 2014, Beutel, Doering Leichsenring & Reich 2010, um nur einige zu nennen). Für Kinder- und Jugendlichen-Behandlungen hingegen ist die Literatur zur TfP immer noch eher spärlich (Seiffge-Krenke 2007, Poser 2010, als Beiträge in Zeitschriften Pfleiderer 2002, Rüger 2002, Streek-Fischer 2002, Einnolf 2004, Burchartz 2004). Dies gilt insbesondere für das Verständnis der TfP als psychoanalytisch begründetes Verfahren. Offensichtlich besteht bei psychoanalytisch orientierten Psychotherapeuten nach wie vor eine gewisse Scheu, sich dieser Thematik gründlich anzunehmen, wiewohl die TfP in der klinischen Praxis eine große Rolle spielt. Einer der möglichen Gründe hierfür mag in der Befürchtung liegen, den verlässlichen Boden der reichhaltigen und differenzierten Tradition der Psychoanalyse des Kindes zu verlassen. Gleichwohl sind in vielen psychoanalytischen Ausbildungsinstituten spezielle Curricula für die TfP, ihre Grundlagen, Indikationen und Behandlungstechniken entstanden. Parallel dazu wächst in vielen TfP-Ausbildungsinstituten das Interesse, sich mit den psychoanalytischen Grundlagen auseinanderzusetzen. Möglicherweise haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass das vorliegende Grundlagenwerk mit seinem Bezug zur klinischen Praxis eine starke Nachfrage erfährt, so dass nun eine dritte Auflage erscheint.
Die Darstellung verbindet vor allem aus klinisch-praktischer Erfahrung geronnene Einsichten mit theoretischen Reflexionen, ein Lernzusammenhang, der für die Psychoanalyse typisch ist (vgl. Kahl-Popp 2011). Ein solches Vorhaben bietet den Vorzug der Praxisnähe. Das Buch verfolgt durchaus die Absicht, dem Psychotherapeuten ein Repertoire an gut begründeten Interventionsmöglichkeiten an die Hand zu geben, es ist also kein rein wissenschaftliches Werk und erhebt auch nicht den Anspruch einer umfassenden Darstellung des Standes der Forschung. (Hierzu sei auf Burchartz (2021) verwiesen, in diesem Buch ist auch ein Beitrag von E. Windaus zum Stand der empirischen Forschung.) Beispiele aus der Behandlungspraxis verdeutlichen die Zielrichtung des tiefenpsychologisch fundierten Verfahrens. Diese didaktische Form hat allerdings auch Schwächen. Es könnte der falsche Eindruck entstehen, als sei das vorgeschlagene Vorgehen das einzig »richtige« im Sinne des Verfahrens. Dies zu suggerieren, ist keineswegs die Absicht des Autors. Jeder Therapeut hat seinen eigenen Stil, seine eigene Erfahrung und die daraus gewonnene handlungsleitende Theorie. Die Darstellung von Sequenzen und Vignetten aus der Behandlungspraxis bietet einen Einblick in mögliche Vorgehensweisen, die sich der Autor aus einer gründlichen Beschäftigung mit dem Thema, im Diskurs mit Fachkollegen und aus eigener praktischer Erfahrung erarbeitet hat. Sie sollen ermutigen, in ähnlicher Weise die eigene Arbeit theoretisch und praktisch zu erweitern und zu vertiefen, auch wenn im konkreten Fall ganz andere Interventionen für sinnvoll gehalten werden. Die Authentizität des Therapeuten in seiner Vorgehensweise ist entscheidend, sie ist nicht zuletzt ein wesentlicher Wirkfaktor in der Therapie.
Die Anordnung des Stoffes folgt – das legt der Anspruch der Praxisbezogenheit nahe – dem Prozess der Therapie von ihrem Beginn bis zur Beendigung. Es ist daher kein Zufall, dass das Werk darin anderen Darstellungen ähnelt, die dem nämlichen Prinzip folgen (vgl. z. B. Wöller & Kruse 2020). Im Hintergrund stehen eine Fülle von Anregungen, die aus Arbeiten stammen, die sich mit Theorie und Technik der TfP bei Erwachsenen auseinandersetzen und die wertvolle Anknüpfungspunkte für die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen bieten.
Grundlage der hier vorgetragenen Auffassung der TfP ist das wissenschaftliche und klinische Gebäude der Psychoanalyse. Kollegen, die in der TfP ein von der Psychoanalyse abgetrenntes oder diese erübrigendes Verfahren sehen, werden das Buch vielleicht enttäuscht zur Seite legen. Andere Kollegen, die den Ansatz verfolgen, die Psychoanalyse als Verfahren möglichst ohne Beimischungen anscheinend verfahrensfremder Elemente anzuwenden, werden von einer anderen Richtung her ebenfalls kritische Einwände erheben. Freilich kann auch dann die vorgetragene Sichtweise zu einer – hoffentlich fruchttragenden – diskursiven Auseinandersetzung führen. Gemäß den Grundlagen der Psychoanalyse kann jede Erkenntnis nur vorläufigen Charakter haben, bis sie einer besseren Einsicht zugeführt wird.
Die TfP ist ein störungsübergreifender Behandlungsansatz, von dieser Sichtweise her ist das Buch konzipiert. Entsprechend stammen die Beispiele aus einer Vielfalt von Störungsbildern. Freilich gewinnt das Verständnis störungsspezifischer Dynamiken und ihrer Behandlung auch in psychodynamischen Verfahren an Bedeutung. Es wäre reizvoll, störungsspezifische Vorgehensweisen in der TfP darzustellen. Dies würde allerdings den Rahmen eines Grundlagenbuches sprengen. Die vorliegende dritte Auflage wurde ergänzt durch zwei Kapitel: »Psychopharmaka und Psychotherapie« und »Mentalisieren«. Das schwergewichtige Thema der spezifischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einem unbewältigten Trauma musste aus dem gleichen Grund zurückstehen – vgl. hierzu Winkelmann (2007) und Burchartz (2019c). Der Leser sei verwiesen auf die Darstellung störungsspezifischer Interventionen in Hopf & Windaus (2007) und Heinemann und Hopf (2015) sowie auf die sukzessive Erscheinung der »Leitlinien« in der Zeitschrift »Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie«, deren Zusammenfassung in einem Band geplant ist. Eine kritische Sicht zur Störungsspezifität und Leitlinienorientierung legt Auchter (2003) dar.
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