Ein befreundeter Jesuitenpater, der viele junge Menschen bei Entscheidungsfindungen begleitet, drückt diesen Prozess in einem Dreiklang aus: Klarkommen. Aufleben. Loslegen.
Glauben heißt, sich auf etwas zunächst Unbekanntes einzulassen, Vertrauen zu wagen. Klar ist aber auch, dass es bei diesem Weg, vielleicht schon ganz zu Beginn, Hindernisse gibt. Da sind Blockaden in mir und von außen. Da können Ängste aufsteigen, die mit meiner bisherigen Lebensgeschichte und gewissen Lebenserfahrungen zu tun haben, aber auch diffuse Ängste, die ich gar nicht so leicht zuordnen kann. Ein wenig vergleichbar ist das mit dem Prozess, sich auf einen anderen Menschen ganz und gar einzulassen, ihm Vertrauen zu schenken. Auch da gilt es oft, Hindernisse zu überwinden und sich zu trauen, Ja zum Gegenüber zu sagen. Ein „klassisches“ Beispiel für solche Ängste und Hindernisse wäre vielleicht der Mann, der als kleiner Junge in der Schule als Dickerchen gehänselt worden ist, und nun – trotz Waschbrettbauch – immer noch schambehaftet hofft, dass er selbst genug ist für die Beziehung mit seiner Freundin, dass er „reicht“.
Für den eigenen Glaubensweg jedenfalls hilft es, sich zu fragen: Welcher Beziehungs- oder Bindungstyp bin ich eigentlich? Eher abwartend und unsicher oder eher extrovertiert und neugierig auf Neues? Und welche Hindernisse muss ich überwinden, um den Glauben zu entdecken und Gott Vertrauen zu schenken? – Darum soll es im nächsten Kapitel gehen.
Gründe, die Menschen daran hindern, sich auf eine persönliche Begegnung mit Gott einzulassen, den Sprung in den Glauben zu wagen, gibt es viele. Vorweg sei gesagt: Natürlich muss ich zunächst einmal davon überzeugt sein, dass eine solche Begegnung überhaupt möglich ist. Insofern birgt es eine fundamentale Herausforderung, wenn eine amerikanische Studie zu dem Ergebnis kommt, dass die Mehrheit der Katholiken in den USA eine persönliche Beziehung zu Gott nicht sicher für möglich hält. 12Viele glauben eher an einen unpersönlichen Gott, eine „unpersönliche Macht“. Doch mit einer bloßen Macht ist selbstverständlich keine vertrauensvolle Beziehung möglich. Die Annahme, dass ich zu Gott gar keine persönliche Verbindung aufbauen und mit ihm leben kann, ist der Hauptgrund, der viele daran hindert, Gott zu begegnen. Anders gesagt: Ein „Date mit Gott“ halten sie nicht für möglich.
Wie ich im weiteren Verlauf des Buches noch darlegen möchte, bin ich vom Gegenteil überzeugt. Ich möchte dazu Erfahrungen aus der Bibel, der spirituellen Praxis der Kirche und persönliche Glaubenserfahrungen schildern. Aber selbst wenn ich ein „Date mit Gott“ prinzipiell für möglich halte oder sogar schon mal erlebt habe, gibt es dennoch einige Hindernisse, die ausschlaggebend dafür sind, dass Menschen den „Sprung in den Glauben“ nicht wagen.
In meiner Arbeit in der Hochschulgemeinde sowie vorher in der Pfarrgemeinde und bei den Begegnungen mit Passanten in der Kölner Innenstadt rund um den Dreh des Pro7-„Motzmobils“ sind mir da schon so manche Gründe geschildert worden. Hier die vier häufigsten:
1. Kirchliche Hindernisse
Was viele Menschen daran hindert zu glauben, ist oft kirchengemacht. Oder wie eine befreundete Theologieprofessorin mal in launiger Runde sagte: „der ganze Kirchen-Scheiß“. Rund um Kirche – in Geschichte wie in der Gegenwart – gibt es so viele Negativthemen, die Menschen schon von vornherein davon abhalten, den Gedanken an den christlichen Glauben ernst zu nehmen oder sich darauf näher einzulassen. Die „Klassiker“ sind: die Kirche und die Kreuzzüge, die Kirche und die Hexenverbrennungen und die Rolle der Kirche in Diktaturen. Dazu gesellen sich wiederkehrend die Dauerbrenner-Themen wie Zölibat, Sexualmoral, Männerkirche oder Kirchensteuer. Und die skandalösen Umstände rund um den Umgang der Kirche mit Fällen des Missbrauchs lassen viele buchstäblich vom Glauben abfallen. Nicht nur das, sie hindern sie, es auch neu mit dem Glauben zu versuchen. Wer will ihnen das verübeln? Schließlich haben einige richtig schlechte Erfahrungen mit dem „Bodenpersonal“ der Kirche gemacht, die vieles kaputtgemacht haben. Beispiele gibt es vielerorts genug und sind nicht von der Hand zu weisen: ein lieblos und unpersönlich gehaltener Beerdigungsgottesdienst für den nahestehenden Angehörigen (im schlimmsten Falle noch mit der Verwechslung des Namens), ein oberflächliches und unter Termindruck geführtes Taufgespräch, eine permanente Nicht-Erreichbarkeit des Pfarrbüros vor Ort („Servicewüste“ Kirche) und vieles mehr. Unter dem Strich könnte man sagen: Für viele ist die Kirche das größte Hindernis, nicht der Glaube an sich oder das Date mit Gott.
Was viele Menschen hindert zu glauben, ist oft kirchengemacht
Ein anderes Hindernis, das davon abhält zu glauben, kann mit dem Gottesbild zusammenhängen. Oder salopp ausgedrückt: das falsche Bild vom Dating-Partner.
Mich überrascht und irritiert es teilweise immer wieder, mit welchen Gottesvorstellungen eine große Anzahl von Christen herumläuft, allen voran viele junge Menschen, denen ich begegne. Diese Gottesbilder existieren sowohl als bloße Zuschreibungen an die Kirche („das glaubt ihr doch so“) als auch als tief liegende eigene Gottesbilder.
Weit verbreitete sind der strafende Gott, oder ein Gott, der wenigstens ein bisschen böse oder gar sadistisch ist. Eng damit verwandt ist der Überwacher-Gott, der jegliche Handlung genau registriert und der dann irgendwann mal die Menschen einteilen wird in Richtung Himmel oder Hölle. Auch das extreme Gegenteil kommt häufig vor: der „liebe Gott“, ein Gott, der wie ein harmloser, etwas seniler älterer Herr auf die Menschen schaut und dem letztlich alles ziemlich egal ist, was so auf der Erde passiert. Wie soll ich vor einem solchen Gott Respekt haben und Vertrauen aufbauen?
Und dann ist da noch der „Superman-Gott“, der in diese Welt und damit selbstverständlich auch in die Naturgesetze eingreifen kann, wann und wie immer er will. Auf derselben Stufe befindet sich der wörtlich und banal verstandene Schöpfer-Gott (abgeleitet aus Genesis 1), der die Welt in sieben oder ein paar mehr Tagen geschaffen hat.
An meiner ersten Priesterstelle waren in diesem Zusammenhang die Gespräche mit den Firmlingen zum Abschluss ihrer Vorbereitungszeit besonders aufschlussreich. Die Gespräche ähnelten sich sehr, etwa nach diesem Muster: „Ich glaube ja irgendwie an Gott, aber mir fällt es schwer zu glauben, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Da glaube ich eher den Naturwissenschaften. Und an die Hölle, da kann ich auch nicht so wirklich dran glauben.“ – Da habe ich mich schon gefragt, wie 15-jährige Gymnasiasten darauf kommen, dass sie in der Kirche in erster Linie an die Hölle oder an einen wörtlich verstandenen Schöpfungsbericht glauben müssten. Das kann doch eigentlich nicht an der Katechese und am Religionsunterricht liegen. Oder gibt es so etwas wie „vererbte“ religiöse Vorstellungen: Weil die Eltern dieses und jenes noch „glauben mussten“, muss ich das sicher auch? Oder werden vielleicht viele von folgendem Denkmuster geleitet: Weil „die“ Kirche in gewissen Bereichen so einen „Unsinn“ lehrt (Jugendliche würden hier wohl vor allem auf die Sexualmoral anspielen), trau ich ihr auch diese unaufgeklärte Gotteslehre zu.
Mir ist jedenfalls deutlich geworden, dass es zwei wiederkehrende Problemhorizonte gibt: Die Frage nach der Schöpfung (Was bedeutet: „Gott ist Schöpfer und Erschaffer der Welt“?) und die nach dem rechten Verständnis der biblischen Schriften. Gerade beim Thema „Bibel“ wird häufig gefragt: Wie soll ich eigentlich all die schrecklichen Texte des Alten und teilweise auch Neuen Testaments verstehen? Warum lässt Gott unzählige Menschen geradezu abschlachten? Was ist eigentlich historisch in der Bibel? Oder ist die Bibel nur ein religiöses Märchenbuch?
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