Etwas später gingen sie wieder runter fürs Nachtessen. Während sie aßen, wurden sie, wie alle anderen Gäste, vom Hotelfotograf geknipst. Plötzlich lächelte Fränzi und zeigte auf das Gebüsch hinter Manuela. Diese drehte sich um und erblickte Tarkan. Er hatte seinen Kopf durch das Gebüsch gedrückt und blickte Manuela ganz verliebt an. Spontan musste auch sie lächeln. „Nur keine Angst, wir haben’s nicht vergessen. Wir sehen uns dann nachher, wie verabredet.“ Daraufhin zog sich Tarkan wieder zurück. Fränzi zwinkerte Manuela verschmitzt zu. Ein Kellner näherte sich ihnen, um abzudecken. Dann hielt er inne, schaute kurz Manuela an und fragte dann beide schüchtern, ob er und ein Freund von ihm sie beide zum Tanzen einladen dürfen! Fränzi und Manuela schauten sich sprachlos an. Da es ihrer Cousine offensichtlich an Worten fehlte, antwortete Manuela mit all ihrem Charme, den sie aufbringen konnte, dass sie leider schon eine Verabredung hätten. Der Kellner zog sich sofort nett und höflich zurück.
Manuela tat er richtig leid. Zudem sah er auch noch unwahrscheinlich gut aus. Noch nie in ihrem Leben hatte sie auf einen Schlag derart viele Verehrer gehabt. Fränzi sah sie bewundernd an. „Du hast dich wirklich sehr charmant und ohne ihn zu verletzen aus der Affäre gezogen. Nicht einmal ich wusste, wie Nein sagen, ohne eine böse Reaktion zu erhalten. Aber du hast es geschafft. Respekt!“ Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen, stand der Kellner wieder neben ihnen. Mit einem seelenvollen Blick schaute er Manuela an und betonte, dass er eine seriöse Einladung gemeint hätte. Er hätte nicht aufdringlich sein wollen. Ob sie es sich nicht noch einmal überlegen würden? Und dabei sah er sie bittend an. Manuela brach es schier das Herz. „Ich weiß, dass Ihre Einladung seriös gemeint war. Und wir würden gerne ihre Einladung annehmen. Doch dass wir schon eine Verabredung haben, stimmt leider auch. Es geht wirklich nicht.“ Der Kellner nickte betrübt und entfernte sich. „Ich hab’ ja gar nicht gewusst, wie souverän du mit Männern umgehen kannst.“ Fränzi schaute sie staunend an. Und Manuela fühlte sich einfach wohl. Es musste wohl etwas in der Luft liegen.
Etwas später waren sie in ihrem Zimmer und machten sich schön. Vor dem Hotel wurden sie schon von den beiden jungen Männern erwartet. Mehmet fuhr sie mit seinem Auto in ein Hotel, das ein großes Dancing mit angenehmer Atmosphäre führte. Sie unterhielten sich gut. Nachdem sie etwas zu trinken bestellt hatten, begaben sich alle 4 auf die Bühne, um zu tanzen. Manuela wusste gar nicht, wie es dazu kam, doch irgendwie schien es einfach natürlich, Tarkan zu küssen. Sie genoss es unbeschreiblich, in den Armen eines großen, gut aussehenden Mannes zu liegen. Fränzi traute kaum ihren Augen. Das konnte doch unmöglich ihre etwas spröde Cousine sein? Doch keine 10 Minuten später lag auch sie in den Armen von Mehmet. Na also, dachte Manuela. Sie tanzten, unterhielten sich, knutschten und flirteten. Beschwingt verließen sie nach Lokalschluss das Hotel. Während Fränzi mit Mehmet eng umschlungen zum Auto ging, hielt Manuela Tarkan auf. Es musste einfach sein, dachte sie. „Damit es klar ist: Ich mag dich, Tarkan. Aber nur weil wir uns geküsst haben, heißt das noch lange nicht, dass ich auch mit dir ins Bett gehen will. Und schon gar nicht heute, an unserem ersten Tag!“ Nie hätte sie gedacht, dass sie den Mut aufbringen würde für solche Worte. Aber hier in der Türkei musste wirklich etwas Besonderes in der Luft liegen. Tarkan wirkte beleidigt. „Denkst du, ich bin so einer? So was hatte ich überhaupt nicht im Kopf!“ Somit war die Lage geklärt.
Auf dem Heimweg sprachen sie nicht viel. Aber viele verliebte Blicke flogen umher. Artig wurden sie beim Hoteleingang abgesetzt, ein letzter Kuss (ohne irgendwelche weitere Versprechungen und Einladungen), und das Auto fuhr davon. Fränzi war es offensichtlich nicht wohl. Sie schüttelte den Kopf und schaute kritisch drein. „Was ist denn los mit dir?“ „Ach, ich weiß nicht. Das alles gefällt mir einfach nicht. Es geht mir zu schnell. Und so was war ja auch nicht geplant. Ich kann gar nicht verstehen, dass du so gelassen dastehen kannst.“ Manuela kicherte: „Du hast recht. Normalerweise liegt mir so ein Flirt wirklich nicht. Aber irgendwie fühle ich mich so beschwingt und lebendig wie schon lange nicht mehr. Und was ist denn schon passiert? Nichts, außer ein paar Küsse. Ich zumindest habe Tarkan klar gesagt, dass daraus nicht mehr wird. Wir bestimmen, wie es weitergeht. Warum also machst du dir Sorgen?“ Fränzi lächelte. Aber als die Erfahrene in Sachen Flirten ahnte sie, dass die Geschichte noch lange nicht vorbei war. Und sie hatte recht.
Der nächste Morgen kam. Während Manuela vor sich hin summend aufstand, um sich zu waschen, lag Fränzi noch etwas griesgrämig im Bett. „Steh’ auf, du faule Liesel. Es ist ein herrlicher sonniger Tag. Und den wollen wir doch genießen, nicht wahr?“ Fränzi erhob sich, doch ihre Miene besserte sich keineswegs. Als sie später zur Tür hinaus und diese schließen wollten, erblickte Manuela von Weitem Tarkan, der sich zur Boutique begab. Spontan rief sie ihm ein „Guten Morgen“ zu. Er drehte den Kopf in ihre Richtung und winkte ihr lächelnd zu. „Ha, ist es nicht ein wunderbarer Morgen?“ Fränzi schaute sie von der Seite an. „Ja, ja, schon gut“, brummte sie. Sie frühstückten, packten dann wieder ihre Badesachen zusammen und machten es sich am Pool bequem. Es waren kaum Leute da. Die meisten waren wahrscheinlich zum Strand gegangen oder machten einen Ausflug. Faul dösten sie vor sich hin. Noch im Halbschlaf hörte Manuela plötzlich ein verdächtiges Kichern. Sie öffnete leicht ihre Augen – lag doch ihre Cousine tatsächlich wieder in den Armen von Mehmet und schmuste hingebungsvoll. Na also, dachte sie und schlief weiter. Das zog sich über mehrere Stunden hin.
Während Manuela ab und zu ihre Runden im Pool drehte, alberten Fränzi und Mehmet herum, warfen sich gegenseitig ins Wasser oder schmusten. Allmählich begann es sie zu wurmen. Sie hatte zwar Tarkan gesagt, dass sie nicht mehr wolle als einen Flirt. Doch dass er es so wörtlich genommen hatte und sie tatsächlich in Ruhe ließ, gefiel ihr dann doch nicht. Einmal hätte er sich ja blicken lassen können. Wieder mal kam Fränzi zum Zug, während sie leer ausging. Verflixt noch mal! Sie redete sich ein, dass es ihr gar nichts ausmache, doch ihre Miene zeigte etwas anderes. Später wurden sie vom Animateur zum Dartspielen aufgefordert, während Mehmet in der Boutique schnell nach dem Rechten schaute. Fränzi gewann prompt und wurde zu einem Glas Champagner ins Hotel eingeladen. Sie selber war Letzte geworden (wie treffend!) und lag nun betrübt und allein auf ihrem Liegestuhl. Sie schlenderte zum Strand, wo ein Volleyballspiel zwischen den Angestellten ihres Hotels und des benachbarten Hotels stattfand. Sie setzte sich auf das Mäuerchen und feuerte die Mannschaft mit den Angestellten ihres Hotels mit heftigem Klatschen an.
Es lag eine eigenartige Atmosphäre in der Luft. Die Sonne ging langsam unter, am Himmel waren wunderschöne Farben zu sehen, dazu das Meer und die Palmen. Manuela erlebte so etwas zum ersten Mal. Genießerisch hob sie ihr Gesicht in den Wind und ließ die Atmosphäre auf sich wirken. Da passierten gleich 3 Dinge miteinander: Erstens verlor „ihre“ Mannschaft, zweitens setzte sich Fränzi mit ihrem Mehmet neben sie und drittens wurde ihr liebevoll durchs Haar gefahren. Sie hob den Kopf und schaute direkt in die Augen von Tarkan. „Ach nee, auch mal Zeit für mich?“ Manuela konnte sich diese Frage nicht verkneifen. Tarkan setzte sich ganz nah zu ihr, nahm ihre Hand und flüsterte ihr verzweifelt zu: „Wie hätte ich denn können? Mehmet verschwand einfach den ganzen Tag und hat mich allein in der Boutique gelassen. Jemand muss ja im Laden sein, um Kleider zu verkaufen. Denkst du, ich wollte nicht in deiner Nähe sein? Und wie! Ich habe mich beinahe verzehrt nach dir! Aber nein, Mehmet amüsierte sich, und ich musste zusehen.“ Manuela wurde es ganz warm ums Herz. Noch wärmer wurde ihr, als Tarkan sie küsste.
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