Pächter? Ich bin fast umgefallen, ich suchte doch nur eine Kneipe, in der ich mich mit meinen Fan-Clubs zurückziehen konnte, um meine Besprechungen abzuhalten. Ich wollte doch keine Kneipe pachten! Das teilte ich allen sofort mit und merkte dabei mit jedem Wort, wie sehr sie enttäuscht waren. Und dann redeten sie auf mich ein, was für einen Fehler ich machen würde. Die Unabhängigkeit bei Versammlungen, die eigenen Fan-Club Partys und natürlich die guten Verdienstmöglichkeiten. Es wäre so viel möglich, wenn ich ja sagen würde. Als ich dann den Pachtpreis erfahren habe, war ich doch ein wenig überrascht, wie günstig die Pacht für eine so große Kneipe war. Ich bat also um ein paar Tage Bedenkzeit und fuhr nachdenklich nach Hause ins Münsterland.
Im Auto gingen mir 1904 Gedanken durch den Kopf und eine Idee jagte die andere. In einer großen Kneipe, da könnte ich einiges machen: Fan-Partys und Diskussionsrunden mit Schalke-Promis am Spieltag, Treffen zwischen Schalke-Vorstand und Fan-Clubs und noch viel mehr. Und wenn der „Jägerhof“ den richtigen blau-weißen Anstrich bekommt, das könnte eigentlich doch etwas für uns sein. Zu Hause angekommen merkte Gudrun sofort, dass mich etwas beschäftigte. Natürlich wollte sie wissen, was los war und auch, wie das Gespräch in der Kneipe verlief. Ich redete nicht lange um den heißen Brei herum und ließ die Katze sofort aus dem Sack. »Was hältst du davon, wenn wir wieder eine eigene Fan-Kneipe aufmachen?«, fragte ich sie. Nein, Gudrun hat mich weder geschlagen noch rausgeschmissen. Immerhin war sie selbst früher Vereinswirtin, sogar meine. Daher kannte sie die harte Arbeit im Gaststättengewerbe nur zu gut. Was soll ich sagen? Ich war so begeistert von der Idee, eine eigene Fan-Kneipe zu haben – und wenn ich begeistert bin, kann ich jeden davon überzeugen: Gudrun sagte ja, der Vorstand und der Beirat des Schalker Fan-Club Verbandes sagten ja und auch die Brauerei sagte ja. Und schon hatte der Schalker Fan-Club Verband seine eigene Fan-Kneipe mit dem Namen „ Auf Schalke “.
Ach ja, der giftgrüne Anstrich wurde bereits eine Woche später von einem Graffiti-Künstler übermalt, und zwar in einen blau-weißen Tempel …
»Man geht leichtfertig in die Fan-Kneipe und kommt leicht fertig wieder raus.«
1990 – Mit Polizei-Geleitschutz ins Hotel.
Es muss im Jahr 1990 gewesen sein, als ich einen Anruf von einem Schalke-Mitglied aus Luxemburg bekam. Er wollte einen Schalke Fan-Club gründen und ich sollte ihn dabei unterstützen. Damals war ich richtig heiß darauf, Fan-Clubs im Ausland für den FC Schalke 04 oder den Fan-Club Verband zu gewinnen. Also sagte ich ihm, dass ich zur Gründungsversammlung nach Luxemburg kommen würde.
Nach mehreren Telefonaten stimmten wir einen Termin und den Versammlungsort ab. Ich fragte nach einer Übernachtungsmöglichkeit vor Ort, da die Anreise ja schon etwas weiter sei. Sofort haben mir mehrere Mitglieder aus dem Fan-Club angeboten, bei ihnen zu Hause zu übernachten. Das war sehr lieb gemeint, aber ich gehöre zu den Menschen, die ziemlich wenig Schlaf brauchen und deshalb immer früh aufstehen. Und ehrlich gesagt habe ich keine Lust und keine Ruhe, morgens um 5.04 Uhr wachzuwerden und dann solange im Bett liegen zu bleiben, bis auch meine Gastgeber wach werden. Deshalb bevorzuge ich lieber ein Hotelzimmer, auch wenn mir dadurch Übernachtungskosten entstehen.
Die Versammlung sollte etwa 30 km hinter Luxemburg-Stadt stattfinden. Ich machte mich also an einem Freitagabend auf den Weg ins schöne Luxemburg und fand auch ziemlich problemlos den kleinen Ort und das Vereinslokal. Wenn ich sonst zu Versammlungen ging, war das Vereinsheim meist mit Fahnen geschmückt und überall hingen Wimpel und Poster von Schalke an den Wänden. Hier war davon gar nichts zu sehen. Zuerst dachte ich, dass ich an der falschen Gaststätte sei, bis mich der Wirt ansprach. »Du bist doch Rolf Rojek, oder? Wir warten alle auf dich im hinteren Zimmer.« Erleichtert, doch richtig zu sein, ging ich mit dem Wirt in das hintere Zimmer, in dem rund 20 Personen auf mich warteten. Auch in hier gab es nichts blau-weißes zu sehen, lediglich zwei Personen hatten einen Schalke-Schal um den Hals. Dafür schwebte eine dicke Rauchwolke in der Luft, denn damals gab es noch keine Rauchverbote. Die Luft war stickig und die Atmosphäre etwas kühl.
Nach der Begrüßung erklärte ich den Fans, wie ein Schalke-Fan-Club gegründet wird und welche Vorteile die Mitgliedschaft im Schalker Fan-Club Verband bietet. Die Fragen der anwesenden Fans waren gering und ich hatte schon Zweifel, ob sich die Fahrt hierher für den Verband gelohnt hat. Aber wie es manchmal so ist, mit einigen Witzen, mit meinen Geschichten und mit meiner Begeisterung, warum und wieso es geil sei, einen Schalke-Fan-Club zu gründen, wurde das Eis gebrochen und es kam eine wirklich gute Stimmung auf. Es wurde viel gelacht und das Formelle war schnell zu Ende. Kurz danach wurde der erste Schalke-Fan-Club in Luxemburg gegründet …
Bevor wir zum gemütlichen Teil übergingen, fragte ich nach meinem Zimmer, da ich wenigstens noch meine Tasche auspacken wollte. Die Jungs erklärten mir, dass mein Hotelzimmer im etwa 9 km entfernten Ort sei, denn hier in dem Dorf gab es kein Hotel. Damit war klar: Heute gibt’s nur Cola, schließlich musste ich ja noch fahren. Es sei denn, es gibt ein Taxi. Aber auch hier bekam ich die Antwort, dass ein Taxi zu später Stunde unmöglich zu bekommen sei. Na toll, jetzt bist du bis nach Luxemburg gefahren und kannst nicht einmal ein Bier mit den Jungs und Mädels trinken , dachte ich. Aber alle redeten auf mich ein und überzeugten mich letztendlich, dass sie mich schon heil und unversehrt in mein Zimmer bringen würden. Und so gab es dann doch Bier für mich.
Als Andenken an den Abend in Luxemburg holte ich mir beim Wirt einen 0,5 Liter Bierkrug aus Ton, auf dem ich alle Gründungsmitglieder unterschreiben ließ. Und es war wirklich ein schöner Abend, ich habe viele und lustige Geschichten aus meinem Schalke-Leben erzählt, bis ich gegen 1:00 Uhr in der Nacht langsam ins Hotelzimmer wollte. Immerhin musste ich um 6.00 Uhr in der Früh wieder raus, damit ich rechtzeitig wieder auf Schalke bin. Ich fragte also, wer mich zum Hotel fahren könnte und einer der Fans meinte, dass ich zu meinen Wagen gehen und hinter den anderen herfahren sollte. Ich lachte und fragte ihn, ob ich direkt zur Polizeiwache fahren sollte, um meinen Führerschein abzugeben. Und was machte er? Er lachte. »Dann kannst du mir deinen Lappen ja gleich geben, denn ich bin bei der Polizei.« Ich muss wohl ziemlich doof geschaut haben, denn plötzlich fingen alle an zu lachen. »Mach dir keine Gedanken, die Polizei wird dich nicht anhalten. Wir sind hier die Polizei«, waren seine Worte. Und genauso war es auch. Was ich nicht wusste: fünf der anwesenden Fans waren Polizisten. So sind wir mitten in der Nacht in einer Autokolonne, zwei Autos vor mir und zwei Autos hinter mir, besetzt mit Polizisten, langsam in das rund 9 km entfernte Dorf zu meinem Hotelzimmer gefahren.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eine große Dummheit war, an diesen Abend noch mit dem Auto zu fahren. Es ist zum Glück nichts passiert, aber ich kann nur jeden davor warnen, nach dem Alkoholkonsum mit dem Auto zu fahren. Egal, ob es nur ein paar Meter oder wenige Kilometer sind und egal, ob die Polizei dir Geleitschutz gibt.
Zehn Jahre später wurde ich von dem Schalke-Fan-Club aus Luxemburg zum Jubiläum eingeladen. Diesmal sah das Vereinslokal auch so aus, wie ein Schalker es erwartet: An den Wänden hingen überall unsere Schals, Bilder und Wimpel vom Fan-Club Verband und dem FC Schalke 04. Es waren auch deutlich mehr Mitglieder als vor 10 Jahren anwesend, das Durchschnittsalter war jedoch höher. Ich freute mich, dass sogar noch zwei Gründungsmitglieder dazugehörten. Nach zwei Stunden Rede und Antwort in geselliger Runde erhielt ich als Geschenk eine Holzkiste mit einer drei Liter Flasche Wein. Keine Sorge, die habe ich an dem Abend nicht geleert. Aber die Kiste war groß genug, sodass ich auch diesmal alle Mitglieder darauf unterschreiben ließ. An diesem Abend fuhr ich ohne Alkohol und Polizeischutz zufrieden in Richtung Gelsenkirchen.
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