Nur mal so nebenbei bemerkt: Ich habe keine Reichtümer und erwarte auch keine. Das Einzige, was ich gemeinsam mit meiner Gudrun besitze, ist mit ein altes Zechenhaus von 1904 in Gelsenkirchen-Erle. Für dieses Objekt zahlen wir eine monatliche Erbpacht und natürlich auch die Kosten für Strom, Heizung, Wasser und was sonst noch so anfällt. Und nein, wir haben weder Aktien noch Sparbücher und unsere Konten sind auch nicht prall gefüllt, sondern „nur“ ausgeglichen. Und wenn ich mich jetzt schon so „nackig“ mache: Gudrun und ich leben zusammen von 1.500 Euro Rente, aber damit sind wir glücklich und zufrieden.
Na gut, jetzt habe ich doch ein wenig geschwindelt, ich besitze ja noch ein geheimes Konto. Zwar nicht in der Schweiz, aber in Österreich. Und da ist auch noch ein „dickes“ Guthaben drauf. Wie ich zu diesem Konto kam, ich erzähle es euch.
Wie schon erwähnt, habe ich früher bei der Versicherung gutes Geld verdient. So konnten wir es uns leisten, mit unseren drei Kindern mindestens zweimal im Jahr für 14 Tage in den Urlaub zu fahren.
Im Jahr 1988 waren wir im Winterurlaub im Allgäu. Als ich irgendwann im August des Jahres am Abend vor dem Fernseher saß und durch die Programme zappte, bin ich bei einem Bericht über eine Bank in Österreich gelandet. Diese Bank war nur von deutscher Seite aus erreichbar. Ich glaube sogar, dass es da noch ein oder zwei andere Banken gibt. Aber die Bank, von der gerade im Fernsehen berichtet wurde, lag in Reutte, einem Ort, der nicht sehr weit von unserem Urlaubsort entfernt war. In diesem Fernsehbericht wurde erwähnt, dass unheimlich viele deutsche Geschäftsleute mit ihren dicken Autos hierhinfahren, um ganz viel Schwarzgeld einzuzahlen. Denn die österreichische Bank gibt scheinbar keine Daten an die deutschen Finanzbehörden weiter.
Mal ehrlich, wer von uns ist nicht gerne einmal ein Träumer? Ich war in diesem Augenblick nicht nur ein Träumer, sondern auch reichlich naiv. Ich war fasziniert von dem Bericht über ein „Geheimkonto im Ausland“ mit einem millionenschweren Guthaben. Und ja, ich verdiente damals wirklich gutes Geld. Aber es ist nicht möglich, vor allem bei einer großen Versicherung, auch nur irgendwie ein bisschen Schwarzgeld zu verdienen. Ich machte jedes Jahr meine Steuererklärung und musste meistens auch eine große Summe nachzahlen. Aber ich war zufrieden, auch ohne Schwarzgeld. Warum ich nun von einem „geheimen Konto“ schwärmte, wusste ich selbst nicht. Vielleicht, weil es spannend und aufregend klang, also setzte sich der Gedanke in meinem Kopf fest.
Ich schaute mir die Route von unserem Urlaubort im Allgäu nach Reutte etwas genauer an. Nur 20 Minuten Fahrzeit durch Deutschland. Hm , dachte ich, das wäre doch einen Abstecher wert. In meinen Gedanken sah ich mich schon in einem blauen Cabrio sitzen, mit dunkler Sonnenbrille und einem Silberkoffer voller Geldscheine auf dem Rücksitz, über die sonnige Bergstraße Richtung Reutte fahren.
Das Fernsehen berichtete, dass die deutsche Finanzbehörde auf der einzigen Zufahrtsstraße zur Bank hoch oben auf dem Berg liegen würde und sich jedes Auto, das in Richtung Reutte fuhr, notierte. Somit könnten später die Besitzer überprüft werden. Mensch, das wird ja so spannend wie in einem Krimi werden , dachte ich.
Ein paar Wochen später war es soweit und wir fuhren in Richtung Kempten in unseren Urlaub. Die ganze Zeit musste ich daran denken, was ich im Fernsehen gesehen habe. Natürlich hatte ich viel Bargeld für den Urlaub dabei. Aber viel Geld bedeutet mit fünf Personen auch, dass da wahrscheinlich nach einem zweiwöchigen Urlaub nicht viel überbleibt. Kreditkarten besaß ich damals noch nicht, dafür aber ein paar Euro-Schecks.
Wir feierten ein schönes Weihnachten im Allgäu mit viel Schnee und wir bereiteten uns langsam auf den Silvesterabend vor. Einen Tag vor dem Jahreswechsel ging ich zu Gudrun. »Ich fahre heute nach Kempten. Erhol du dich ein bisschen und wenn ich heute Nachmittag wiederkomme, gehen wir mit den Kindern lecker essen«, sagte ich unauffällig. Es brannte mir unter den Nägeln, ich wollte unbedingt diese Bank sehen. Deshalb notierte ich mir Anfahrtsweg und Adresse genau, denn ein Navi gab es damals noch nicht. Mein Ziel war die Raiffeisenbank Reutte in Jungholz.
Ich fuhr also mit unseren neuen Santana-Kombi los. Ein schöner Familienwagen und nicht ganz so teuer wie der große Bruder von VW, der Passat Kombi. Auf der Strecke nach Jungholz schaute ich immer wieder unruhig nach links und rechts und versuchte, irgendwo die Polizei zu entdecken. Die müssten bei der Kälte wahrscheinlich irgendwo in den Bergen liegen und sich und alle Autos notieren. Wahrscheinlich haben die Beamten auch schon längst mein Kennzeichen notiert und warteten bereits irgendwo auf mich. Mensch, war das spannend. Vielleicht halten die mich sogar an und durchsuchen mein Auto, dann könnte stolz und cool sagen: Ihr findet nichts, ich bin sauber.
Aber ich sah keinen Polizisten und ich kam auch nicht in eine Kontrolle. Aber dafür kam ich in Jungholz an. Ein sehr kleines Dorf, in dem sich im Herzen die besagte Raiffeisenbank aus dem TV-Bericht befand. Direkt vor der Bank konnte ich parken, hier stand nur ein Auto mit österreichischen Kennzeichen. Ich stieg aus und bin ungefähr vier oder fünf Mal an der Bank vorbeigelaufen, weil ich mich noch nicht traute, reinzugehen. Ich schaute mich um, ob mich jemand beobachtete, oder ob irgendwo dicke Autos parkten, aus denen vielleicht zigarrenqualmende Männer im Nadelstreifenanzug mit großen Koffern voller Schwarzgeld aussteigen würden. Aber es war nichts zu sehen, ich war so ziemlich der Einzige in diesem Dorf. Eigentlich wollte ich schon wieder zurück zu Gudrun und den Kindern fahren, denn meine Neugier war befriedigt. Aber irgendjemand flüsterte mir immer wieder ins Ohr. »Geh rein und eröffne das Konto. Wer weiß, wann du es gebrauchen kannst.«
Draußen war es kalt und es fielen schon die ganze Zeit kleine Schneeflocken. Aber das bemerkte ich erst, als ich die Bank betreten und im warmen Wartezimmer saß. Meine Ohren wurden heiß und rot. In der Bank war es ruhig, sauber und mollig warm. Aber es sah es auf keinen Fall wie in einer herkömmlichen Bank aus, eher wie in einer großen Rechtsanwaltskanzlei. Die Möbel waren aus edlen Materialien, der Schreibtisch der netten Empfangsdame aus Mahagoniholz, die Sitze aus weichem Leder. Die dicken Teppiche auf dem Boden sogen das Wasser von meinen nassen Schuhen auf und dämpften alle Schritte.
Eine schick gekleidete Frau kam mit einem Block und einen Stift in der Hand zu mir, fragte, ob ich etwas trinken möchte und welche Wünsche ich hätte. Ich bekam einen trockenen Hals und würgte nur ein »Ähh, ich möchte nur ein Konto eröffnen« hervor. Sie bat mich, in einer kleinen Nische Platz zu nehmen und fragte mich nochmals, ob ich einen Kaffee, ein Wasser oder etwas anderes trinken möchte. Ich nahm dann doch ein Wasser, denn meine Zunge fühlte sich dick und geschwollen an, sodass ich kaum ein Wort verständlich sprechen konnte. Das Glas Wasser leerte ich dankbar mit einem Zug und die schick gekleidete Dame schaute mich verwundert und fragend an. Bevor ich etwas sagen konnte, kam ein junger Mann im scheinbar teuren Designeranzug auf mich zu und bat mich freundlich, ihm in sein Besprechungszimmer zu folgen. Nach seinem Aussehen lässt er beim Après-Ski bestimmt mit seiner Kohle die Puppen tanzen, ging es mir durch den Kopf.
Die Tür zu seinem Besprechungszimmer war mindestens 40 cm dick und beidseitig mit Leder bezogen. Ich glaube, die besten Abhörgeräte des Geheimdienstes hätten dadurch kein Wort verstanden. Wir setzten uns an seinen Schreibtisch und ich merkte, dass ich trotz der angenehmen Temperatur, die im Raum herrschte, immer feuchter unter den Armen wurde. Der junge Mann berichtete mir, wie sicher die Kunden aus Deutschland in dieser Bank vor dem Finanzamt seien. Daten oder Zahlen würde nicht an Dritte weitergegeben, dafür verbürgt sich die Bank. Zur Bestätigung überreichte er mir die Geschäftsbedingungen und einige Zeitungsberichte, die ich natürlich nicht gelesen habe. »Super«, sagte ich »das ist ja alles toll hier, aber eigentlich wollte ich nur ein Konto eröffnen.« Der schick gekleidete Bankmitarbeiter antwortete »Das ist doch gar kein Problem«, nahm ein Blatt Papier und fragte nach meinen persönlichen Daten. Meine Zunge im Hals wurde schon langsam wieder dicker und das Sprechen fiel mir immer schwerer. Nachdem er meine Daten notiert und nochmals mit mir überprüft hat, stellte er die für ihn wohl wichtigste Frage: »An was für eine Summe haben Sie gedacht? Wieviel Geld möchten Sie einzahlen?«
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