Triebe sind das, was die Psyche antreibt. Sie werden von Freud als psychische Energie verstanden, die in Handlungen verbraucht wird. Wenn eine bestimmte Menge an Energie vorhanden ist, bilden sich Triebspannungen. Die Sexualtrieb Psyche strebt danach, diese Spannungen zu lösen und drängt auf Triebabfuhr. Der wichtigste, alles dominierende Trieb ist in Freuds Sicht der Sexualtrieb, der sich nicht nur genital äußert. Seine Energie nannte er Libido (Später stellte Freud dem Sexualtrieb einen Todestrieb gegenüber.). Der Begriff der Sexualität wurde in diesem Konzept sehr ausgeweitet. Berühren, Beißen, Zeigen usw. können als sexuelle Betätigungen aufgefasst werden. Auch der Wunsch nach Nähe und Geborgenheit und die Bindung der Kinder an ihre Eltern ist nach Freud sexuellen Ursprungs.
Freud (1921, S. 85) formuliert dies selbst so: »Der Kern des Liebe geheißenen bildet natürlich die Geschlechtsliebe mit dem Ziel der geschlechtlichen Vereinigung. Aber wir trennen davon nicht ab, was auch sonst an dem Namen Liebe Anteil hat, einerseits Eltern- und Kindesliebe, die allgemeine Menschenliebe, auch nicht die Hingabe an konkrete Gegenstände oder abstrakte Ideen. Unsere Rechtfertigung liegt darin, dass die psychoanalytische Untersuchung uns gelehrt hat, alle Strebungen seien Ausdruck der nämlichen Triebregungen, die zwischen den Geschlechtern zur geschlechtlichen Einigung hindrängen.«
Entwicklung
Die psychosexuelle Entwicklung: Da praktisch alle Strebungen des Menschen sexuell determiniert sind, ist seine Entwicklung als psychosexuell beschreibbar. Der Sexualtrieb ist demnach von Anfang an vorhanden und führt zum Streben nach sexueller Lust. Diese ist allerdings für das Kind (noch) nicht im genitalen Bereich, sondern in anderen Körperregionen (erogene Zonen) zu erreichen. Die lustvollen Regionen wechseln im Laufe der kindlichen Entwicklung (Freud 1905 b).
Orale Phase
Zunächst bezieht das Kleinkind seine Lustgefühle für eine gewisse Zeitspanne aus der Mundregion. Freud nannte dies orale Phase. Sie dauert von der Geburt bis zum Alter von etwa 18 Monaten. Die libidinöse Befriedigung erfolgt durch Nahrungsaufnahme oder durch Saugen und Lutschen an Gegenständen.
Anale Phase
Im Laufe des zweiten Lebensjahres wechselt die erogene Zone. Nun steht die Schleimhaut des Afters im Vordergrund, die anale Phase beginnt. Die Kinder genießen das Koten. Auch Darmstörungen wie Durchfall oder Verstopfungen sorgen für intensive Erregung.
Phallische Phase
Die ersten beiden Phasen sind prägenital. Erst etwa im vierten Lebensjahr wird der Genitalbereich als erogene Zone bedeutsam; es beginnt die phallische Phase. Während dieser Phase spielt sich ein wahres Familiendrama ab: Der kleine Junge liebt seine Mutter und möchte seinen Penis irgendwie an ihr betätigen. Dem steht allerdings der Vater als Rivale entgegen, den er am liebsten aus dem Weg räumen möchte. Er ist eifersüchtig auf den Vater und hasst und liebt ihn zugleich. Nach Freud entwickelt der Junge einen Ödipuskomplex. Jedenfalls fürchtet der Junge die Strafe des Vaters, die darin Ödipuskomplex bestünde, dass er ihm den Penis abschneidet. Da Mädchen keinen Penis haben, sehen die Jungen, dass so etwas möglich sein kann. Ihre Kastrationsangst ist also höchst real. Aus dieser Angst heraus werden die ödipalen Wünsche aufgegeben. Der Junge identifiziert sich mit dem Vater und übernimmt dessen Normen, die sich als Über-Ich etablieren. Die Art und Weise, wie der Ödipuskomplex bewältigt wird, determiniert das spätere Seelenleben.
Das Mädchen liebt zunächst, ebenso wie der Junge, seine Mutter. Es muss jedoch bemerken, dass es keinen Penis hat. Die Mutter hat es verstümmelt geboren. In seiner Enttäuschung wendet es sich dem Vater zu und wünscht sich von ihm ein Kind als Penisersatz. Dieser Penisneid führt bei Mädchen und Frauen zu negativen Eigenschaften wie Neid oder Eifersucht und verursacht Minderwertigkeitsgefühle.
Latenzphase
An die phallische Phase schließt die ruhige Latenzphase an, die bis zur Pubertät andauert. Während dieser Zeit spielt Sexualität für das Leben und die Entwicklung des Kindes eine untergeordnete Rolle. Mit der Pubertät tritt der Jugendliche in die genitale Phase ein, die zur Aufnahme heterosexueller Genitale Phase Aktivitäten führt.
Die Phasen der psychosexuellen Entwicklung in einem Überblick:
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(1) orale Phase: |
1. und 2. Lebensjahr |
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(2) anale Phase: |
2. und 3. Lebensjahr |
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(3) phallische Phase: |
4. bis 6. Lebensjahr |
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(4) Latenzphase: |
6. Lebensjahr bis Pubertät |
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(5) genitale Phase: |
ab der Pubertät |
Nach Freud entscheidet sich in den ersten fünf Lebensjahren die weitere psychische Entwicklung eines Menschen. In dieser Zeit sind die Ursachen von neurotischen Fehlentwicklungen eines Erwachsenen zu suchen.
Persönlichkeit
Das Instanzen-Modell der Persönlichkeit: Das Persönlichkeitsmodell Freuds ist durch die Aufteilung in drei unabhängige Instanzen, das Es, das Ich und das Über-Ich gekennzeichnet. Sie werden so beschrieben, als ob sie eigenständige Personen wären (Freud 1938).
Es
Das Es, das von Geburt an vorhanden ist, wird von Freud als Kessel brodelnder Erregungen beschrieben. Es ist ausschließlich darauf bedacht, alle Triebwünsche unmittelbar zu erfüllen. Dabei ist es unlogisch und unmoralisch. Es funktioniert nur nach dem Lustprinzip. Alles, was im Es vorgeht, ist vom Bewusstsein abgeschnitten; es ist unbewusst.
Ich
Die Erfüllung der Triebwünsche kann jedoch nur in Kontakt mit der Außenwelt geschehen. Um solche Interaktionen zu ermöglichen, spaltet sich nach und nach eine weitere Instanz ab: das Ich. Das Ich stellt die zur Befriedigung notwendige Beziehung zur Außenwelt her. Dazu muss es die Außenwelt wahrnehmen, im Gedächtnis speichern und denken. Das Ich vertritt das Realitätsprinzip, im Grunde aber nur, um die Triebwünsche des Es zu erfüllen. Das Ich reagiert dabei mit Besonnenheit und nimmt beispielsweise Triebaufschübe in Kauf, um nicht in Konflikt mit der Umwelt zu geraten.
Über-Ich
In der phallischen Phase werden die Gebote und Verbote, Normen und Wertvorstellungen des Vaters übernommen. Aus diesen übernommenen Normen bildet sich das Über-Ich. Dieses verurteilt alle Triebwünsche des Es, die den Normen widersprechen, und veranlasst das Ich mit Hilfe von Angst, solche Wünsche ins Es zurückzuschicken, zu verdrängen und sie damit wieder unbewusst zu machen.
Das Ich muss so zwischen beiden Instanzen (Es und Über-Ich) und zwischen diesen und der Umwelt vermitteln. »Das arme Ich dient zwei gestrengen Herren, es ist bemüht, deren Ansprüche und Forderungen in Einklang zu bringen. Diese Ansprüche gehen immer auseinander, scheinen oft unvereinbar zu sein; kein Wunder, dass das Ich so oft an seiner Aufgabe scheitert« (Freud 1933, S. 514).
Durch die Verdrängung der unerlaubten Triebwünsche wird psychische Energie verbraucht. Müssen wegen eines starken, strengen Über-Ichs viele Wünsche verdrängt werden, wird das Ich geschwächt oder bricht im Extremfall ganz zusammen.
Abwehrmechanismen
Die Abwehrmechanismen: Das Ich hat die Aufgabe, für eine optimale Triebbefriedigung zu sorgen. Wenn nun aus dem Es Impulse auftauchen, die dem Ich als zu gefährlich erscheinen, entsteht Angst. Wegen der Wirkung des Lustprinzips muss das unangenehme Angstgefühl so schnell wie möglich beendet werden. Die Es-Impulse müssen abgewehrt werden. Zu dieser Abwehr stehen dem Ich mehrere Strategien, die sogenannten Abwehrmechanismen, zur Verfügung.
Verdrängung
Die Verdrängung als Abwehrmechanismus wurde von Freud am frühesten beschrieben. Den Es-Impulsen wird der Zugang zum Bewusstsein versperrt. Sie bleiben ebenso unbewusst wie der Prozess der Verdrängung selbst. Mit einem hohen Maß an aufgewendeter psychischer Energie wird ein Zustand erreicht, als würden die Impulse nicht existieren.
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