Gewusst wo: Der Aufbau des BGB
Mit seinen zahlreichen Paragrafen ist das BGB auf den ersten Blick alles andere als übersichtlich. Umso wichtiger ist es, sich Strategien anzueignen, um den Überblick zu behalten. Wie schafft man das? Keinesfalls indem man die Vorschriften auswendig lernt. Das wäre aussichtslos und obendrein völlig überflüssig. Schließlich kann sich im Detail immer mal wieder etwas ändern. Der Schlüssel zum Erfolg liegt vielmehr im Verständnis. Unter Juristinnen und Juristen gibt es insofern eine Redewendung, die Sie sich gleichfalls zu Nutze machen können: »Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht!«. Im Hinblick auf das BGB ist daran durchaus etwas Wahres. Selbst wenn dort nicht alles in Stein gemeißelt ist, so bleibt doch beispielsweise der grundlegende Aufbau des Gesetzes unverändert. Das ist Ihr Einstieg! Dazu sollten Sie sich vergegenwärtigen: Anders als es der Titel »Bürgerliches Gesetzbuch« nahelegt, besteht es nicht nur aus einem, sondern gleich aus mehreren Büchern. Die lassen sich im wahrsten Sinne des Wortes an einer Hand abzählen.
Wenn Sie sich dazu das Inhaltsverzeichnis des BGB ansehen, wird die Struktur schnell klar.
1 Buch: Allgemeiner Teil (§§ 1 bis 240 BGB),
2 Buch: Recht der Schuldverhältnisse (§§ 241 bis 853 BGB),
3 Buch: Sachenrecht (§§ 854 bis 1296 BGB),
4 Buch: Familienrecht (§§ 1297 bis 1921 BGB),
5 Buch: Erbrecht (§§ 1922 bis 2385 BGB).
Ist einem diese Aufteilung klar, kann man sich schon ganz gut orientieren: So werden Sie Vorschriften zum Familienrecht vermutlich nicht im Sachenrecht suchen und Regelungen zu Schuldverhältnissen kaum im Allgemeinen Teil. Oder doch? Na, dann ist es vielleicht angebracht, die jeweiligen Bücher selbst noch etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die »Erfinder« des BGB hatten seinerzeit das Ziel, ein Gesetz zu konzipieren, welches möglichst ohne über das BGB verteilte inhaltliche Wiederholungen – also Doppelregelungen – auskommen sollte. Diesbezüglich nehmen die ersten 240 Paragrafen zum Allgemeinen Teil des BGB eine Schlüsselstellung ein. Um Wiederholungen tatsächlich zu vermeiden, hat sich der Gesetzgeber eines Tricks bedient: Er hat im Allgemeinen Teil kurzerhand solche Vorschriften untergebracht, die für die übrigen vier Bücher gemeinsam gelten. Anders ausgedrückt: Im Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrecht finden sich nur noch
Ausnahmen sowie Modifikationen zu den im Allgemeinen Teil geregelten Punkten oder gegebenenfalls
besondere Regelungen für die jeweils dort behandelte Sachmaterie.
Da die gemeinsamen Regelungen also vorangestellt sind, spricht man im Hinblick auf den Allgemeinen Teil vom sogenannten Klammerprinzip :
Im Allgemeinen Teil stehen solche Normen, die für die anderen vier Bücher relevant sind. Die Vorschriften, die Sie dort finden, sind gewissermaßen »vor die Klammer« gezogen.
Die Auswirkungen des Klammerprinzips sind immens, gerade für die Rechtsanwendung: Selbst wenn Sie sich noch nicht intensiver mit dem Vertragsrecht befasst haben, werden Sie vermutlich dennoch eine (zumindest grobe) Vorstellung davon haben, was ein Vertrag ist. Im BGB spielen Verträge eine ganz herausragende Rolle. Sie finden sich über die einzelnen Bücher verteilt: Angefangen von den zahlreichen schuldrechtlichen Verträgen (etwa Kaufvertrag gemäß § 433 BGB oder Mietvertrag gemäß § 535 BGB) über sachenrechtliche Verträge (etwa im Rahmen der Übereignung nach § 929 BGB) bis hin zu familien- oder erbrechtlichen Verträgen (denken Sie etwa an Ehe- oder Erbverträge). Der Gesetzgeber hätte nun jeweils bei den einzelnen Verträgen isoliert beschreiben können, wie solche Verträge zustande kommen. Gerade das hat er aber nicht getan. Stattdessen finden sich gemeinsame Regeln zum Vertrag im Allgemeinen Teil. Sie betreffen beispielsweise die Frage, wie Verträge zustande kommen. Schauen Sie sich insoweit die Vorschriften ab § 145 BGB an. Bei den speziellen Regelungen zu den jeweiligen Verträgen selbst werden Sie hinsichtlich des wirksamen Zustandekommens nichts finden – es sei denn, es gelten Besonderheiten (etwa wenn bestimmte Formvorschriften einzuhalten sind, was beispielsweise bei einem Schenkungsversprechen der Fall sein kann, das nach § 518 Abs. 1 S. 1 BGB einer notariellen Beurkundung bedarf).
Selbstverständlich beschränkt sich der Allgemeine Teil des BGB nicht nur auf das eben behandelte Zustandekommen von Verträgen. Es sind dort vielmehr ganz unterschiedliche Aspekte normiert, die Sie – je nach Bedeutung – in diesem Buch mehr oder weniger ausführlich kennenlernen werden (noch mehr erfahren Sie übrigens in BGB Allgemeiner Teil für Dummies). Hier schon einmal ein erster Überblick (lesen Sie dazu übrigens ruhig parallel im Inhaltsverzeichnis Ihres BGB mit!). Es geht um
Personen (ab § 1 BGB), also grundlegende Angaben zu den Rechtssubjekten (dazu bereits gleich mehr in diesem Kapitel),
Sachen und Tiere (ab § 90 BGB), also grundlegende Angaben zu Rechtsobjekten (auch dazu gleich hier mehr),
Rechtsgeschäfte (ab § 104 BGB) als das zentrale Instrument, um rechtliche Beziehungen zwischen Personen zu gestalten (dazu ebenfalls gleich ein erster Einstieg; weitere Details folgen dann vor allem bei den im zweiten Teil behandelten Schuldverhältnissen),
Fristen und Termine (ab § 186 BGB), die in diesem Buch allerdings nur am Rande eine Rolle spielen,
Verjährung (ab § 194 BGB), die Ihnen im 9. Kapitel noch im Überblick begegnen wird,
Ausübung der Rechte, Selbstverteidigung, Selbsthilfe (ab § 226 BGB), die hier allerdings nicht eigens behandelt werden.
Sicherheitsleistung (ab § 232 BGB), die ebenfalls ausgeklammert bleibt.
Sie können mit diesem Wissen übrigens sogleich einen weiteren Pflock zum Verständnis einschlagen: So sind aus dem Allgemeinen Teil offenbar nicht alle Vorschriften gleichermaßen bedeutsam. Wichtig sind zweifellos die Regelungen zu den Rechtsgeschäften! Sie haben dem Herzstück des BGB, der sogenannten Rechtsgeschäftslehre , ihren Namen gegeben. Die wird Ihnen in diesem Buch noch mehrfach begegnen.
Im zweiten Buch ist in den §§ 241 bis 853 BGB das »Recht der Schuldverhältnisse« geregelt. Üblicherweise wird dieses Buch kurz als Schuldrecht bezeichnet. Diesbezüglich lässt sich wiederum differenzieren zwischen
dem Allgemeinen Schuldrecht und
dem Besonderen Schuldrecht.
Die ersten sieben Abschnitte (also die §§ 241 bis 432 BGB) enthalten Regelungen, die unter dem Stichwort Allgemeines Schuldrecht zusammengefasst werden. Sollten Sie hier ein Déjà vu haben (oder einen Aha-Effekt), liegen Sie ganz richtig und haben bereits ein Prinzip des BGB erfasst, das sich vielfach widerspiegelt: Im Allgemeinen Schuldrecht finden sich ebenfalls Regelungen, die »vor die Klammer« gezogen wurden – hier allerdings nur für den Bereich des Schuldrechts, und zwar speziell für die ab § 433 geregelten »einzelnen Schuldverhältnisse« (demgegenüber beinhaltet der Allgemeine Teil des BGB umfassendere Regelungen für die weiteren Bücher des BGB, also das Sachen-, Familien- und Erbrecht).
Das im zweiten Buch des BGB geregelte Schuldrecht macht sich damit – wie schon das BGB mit dem Allgemeinen Teil – die Klammertechnik zunutze.
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