72Absetzbare Beträge:
Im nachfolgenden werden Beispiele dargestellt, in denen die dort geltend gemachen Beträge als absetzbar eingestuft werden:
– Für den Bezug von Leistungen im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaftkommt es auf die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft an, d. h. es ist das Einkommen und Vermögen aller zu der Bedarfsgemeinschaft zählenden Mitglieder heranzuziehen, § 9 Abs. 2 SGB II. Es erfolgt eine entsprechende Umverteilung zulasten desjenigen Partners, der über Einkommen und Vermögen verfügt. Dessen Einkommen steht ihm damit ja dann nicht mehr in vollem Umfang für seinen eigenen Lebensdarf zur Verfügung. Soweit Ansprüche von einer Person, die mit dem Rechtsuchenden zusammenlebt (eheähnliche Gemeinschaft), im Hinblick auf die Bedarfsgemeinschaft(§§ 9 SGB II, 36 SGB XII) versagt oder gekürzt werden, können hier Beträge als besondere Belastungen in Ansatz gebracht werden. 387Als Grundlage für die Anrechnung kann der gesetzliche Freibetrag des § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO herangezogen werden. Es sind hier prozesskostenrechtliche und keine sozialhilferechtlichen Kriterien heranzuziehen. Durch die Berücksichtigung der besonderen Belastungen soll verhindert werden, dass sich der Rechtsuchende wegen der nachzusuchenden Angelegenheit wesentlich einschränken muss, daher rechtfertigt es, dass auch in einer eheähnlichen Gemeinschaft die pauschalisierte Berücksichtigung in Anlehnung an die gesetzlichen Unterhaltspflichten als besondere Belastungen zu rechtfertigen sind. 388Auch für den Fall, dass bzgl. der Bedarfsgemeinschaft sozialrechtlich kein Leistungsantrag gestellt ist, können die Unterhaltsleistungen des Rechtsuchenden entsprechend berücksichtigt werden.
Es wird teilweise aber auch vertreten, dass nur insoweit eine Berücksichtigung erfolgen kann, in dessen Höhe die Einkünfte des Rechtsuchenden als Unterhalt von der Sozialleistung der Lebensgefährtin abgezogen wurden. Der SGB II – Bescheid kann dabei als Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Ein Abzug kann hier bis zur Höhe des Regelbedarfs erfolgen, die Beträge gem. § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a ZPO können mangels gesetzlicher Unterhaltspflicht weder unmittelbar noch analog herangezogen werden. 389
Es sollte – sofern möglich – immer zunächst geprüft werden, ob auch tatsächlich eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt. Es genügt jedoch vorliegend der bloße Bestand einer Bedarfsgemeinschaft. Folglich ist es nicht notwendig, dass das Einkommen des Rechtsuchenden hier auch wirklich angerechnet wurde, sondern es ist ausreichend, wenn dieses berücksichtigt werden könnte.
– Darlehens- und Kreditverbindlichkeiten, die ohne Kenntnis von dem bevorstehenden Rechtsstreiteingegangen worden sind 390(= Altschulden). Den Rechtsuchenden trifft hier eine besondere Darlegungspflicht. 391Lässt sich jedoch die Belastung beenden, ohne dass schutzwürdige Schuldnerinteressen beeinträchtigt werden, dann ist die Belastung unangemessen und daher nicht zu berücksichtigen.
Kredit- und Tilgungsraten müssen für ein Darlehen in der jeweiligen Höhe auch angemessenerscheinen 392und dürfen nicht in einem krassen Missverhältnis zu den sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen stehen. Es muss sich dabei um allgemein übliche Aufwendungen handeln. 393Sie müssen der üblichen Zins- und Tilgungslast für Darlehen entsprechen, ansonsten sind sie nur im angemessenen Rahmen zu berücksichtigen. 394Der Rechtsuchende hat insoweit auch entsprechende Überprüfungen zu ermöglichen. Zu tilgende Schulden werden nur dann berücksichtigt, wenn sie noch valutierenund auch tatsächlich getilgtwerden. 395
– Die für ein selbst bewohntes Haus oder eine Eigentumswohnung zu leistenden Zins- und Tilgungsleistungensind in der Regel als besondere Belastung absetzbar, sofern diese nicht schon unter § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 ZPO als Unterkunftskosten abgezogen werden. 396Dagegen sind Kreditverbindlichkeiten nicht berücksichtigungsfähig, wenn sie zur Verschönerung bzw. Instandsetzung eines Wohnhauses aufgenommen worden sind und für den Kreditnehmer bei Aufnahme des Kredites absehbar ist, dass bei Durchführung der von ihm gewünschten Scheidung erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen erforderlich sind. 397
– Ist der Rechtsuchende Gesamtschuldnerfür die Zins- und Tilgungsleistungen, so kann nur der Teil berücksichtigt werden, für den er einzustehen hat (Quote im Innenverhältnis). Muss er jedoch auch den Anteil des zahlungsunfähigen oder ‑unwilligen Mitschuldners übernehmen, so ist auch dieser Anteil berücksichtigungsfähig. 398
– Muss sich der Ehegatte an Verbindlichkeiten des anderen beteiligen, so können diese Beträge auch besondere Belastungen darstellen. 399
– Belastungen, die im Zusammenhang mit Familienereignissenstehen, z. B. Geburt, Heirat, Kommunion oder Konfirmation, 400Tod. 401Auch Umzugskostenkönnen ggfs. besondere Belastungen darstellen.
– Beiträge für die Handwerkskammer bei Selbständigen. 402
– Kinderbetreuungskosten:
– Kindergartenbeiträgewerden – sofern die Berufs-/Erwerbstätigkeit dies erfordert– als absetzbar eingestuft. 403Im gleichen Kontext bejaht auch das OLG Celle 404die Berücksichtigung von Kindergartenbeiträgen, da der Gesetzgeber die Kosten für die Kinderbetreuung zwar als Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts anerkannt hat, diesem Bedarf aber bei Hilfebedürftigen keinen Regelsatzbetrag zugewiesen hat, weil er von der grundsätzlichen Kostenfreiheit der Kinderbetreuung bei Bedürftigen ausging. Sind Kindergartenbeiträge nicht durch geleisteten Unterhalt oder Sozialleistungen abgedeckt, so sind sie in dieser Höhe als besondere Belastungen zu berücksichtigten. 405
Auch für Nichtleistungsempfänger nach SGB II sind notwendige Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen, wenn ein Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege gem. § 24 SGB VIII (U3-Kinder) besteht. 406Absetzbar sind ggfs. Kosten für eine Kindertagesstätte, soweit die Berufsfähigkeit dies erfordert. 407Der nicht durch den Regelbedarf gedeckte Teil des Mehrbedarfs für eine Tageseinrichtung kann – nach Prüfung der Angemessenheit – grundsätzlich als besondere Belastung in Frage kommen. 408
– Tagesmutter: Dagegen wird argumentiert, dass – soweit Kinderbetreuungskostenfür Kinder anfallen (z. B. Kosten für eine Tagesmutter– außerhalb der Öffnungszeiten des Kindergartens 409) –, diese nicht als besondere Belastungen zu berücksichtigen sind. 410 Tagesbetreuungskostenkönnen nur dann berücksichtigt werden, wenn diese nicht durch den Freibetrag oder durch bezogenen Unterhalt abgedeckt werden können. 411
– Mittagsverpflegung/Essensgeld: Nach dem LAG Baden-Württemberg 412sind die Kosten für die Teilnahme an einer gemeinsamen Mittagsverpflegungim Rahmen einer ganztätigen Betreuung abzusetzen mit Ausnahme eines Eigenanteils in Höhe von 1,00 EURO/Mittagessen (§ 9 RBEG). In der Aufbringung von Essens- und Platzgeld für den Kindergartenliegen keine besonderen Belastungen, denn der Rechtsuchende erspart während der Zeit der Betreuung des Kindes im Kindergarten eigene Unterhaltsleistungen. 413Das gleiche gilt auch für das im Rahmen einer Fremdbetreuung anfallendes Essensgeld. 414Kosten für eine Mittagsbetreuung ohne Essensgeld (hier 84,00 EURO) sind in Abzug zu bringen. 415
– Krankheitsbedingte Aufwendungen,soweit diese nicht anderweitig erstattet werden (z. B. kieferorthopädische oder andere ärztliche Behandlungskosten, 416Praxisgebühren, Zuzahlungen zu Medikamenten; notwendiger Kuraufenthalt).
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