Als ich mich mit den Uwes im Bahnhof in Chemnitz getroffen habe, sind wir an BGS-Leuten vorbeigelaufen. Und sie sagten mir, ich soll meinen Pullover ausziehen. Da stand drauf: ACAB – All cops are bastards. Dann waren wir in dem Café in dem Einkaufszentrum. Mir gegenüber saß Uwe Böhnhardt, er hat seinen Fingerabdruck aufs Display vom Handy gedrückt. Was denkst du, was der wert ist, fragte er. Weil sie ja gesucht werden. Die beiden haben an ihren Rucksack getippt und haben gesagt: Wir sind immer bewaffnet. Dann haben sie gesagt, dass sie in Nürnberg in einem Laden eine Taschenlampe abgestellt haben. (Schultze beginnt zu weinen.) Ich wusste nicht, was die meinen. Und dann kam Frau Zschäpe und die Uwes haben »Psst« gemacht. Mir kam der Gedanke nachts, dass die da Sprengstoff eingebaut haben in die Taschenlampe. Das konnte ich mir nicht vorstellen, das war jetzt eine Ausnahme, habe ich mir gesagt. Das habe ich niemandem gesagt, das hab ich ganz schnell wieder weggetan. (Schnieft.) Später haben wir mal telefoniert, Herr Wohlleben und ich und die. Er hat gelacht. Die haben jemanden angeschossen, hat er gesagt. Und ich hab in Erinnerung, dass ich gedacht habe: Hoffentlich nicht mit der Waffe. Als ich das Geld bekommen habe, waren Banderolen drum. Ich dachte mir, das muss aus einem Banküberfall sein. Dann dachte ich, vielleicht haben sie den Wachmann angeschossen.
Bei der Waffenübergabe waren wir im Arbeitszimmer von Herrn Wohlleben. Er hat die Waffe ausgepackt und angeguckt und hat den Schalldämpfer draufgeschraubt. Ich hatte vorher noch daran gedacht, den Schalldämpfer wegzutun. Aber dann dachte ich, die fühlen sich hintergangen, wenn da was fehlt. Wohlleben hat die Waffe auf mich gerichtet und gelacht. Ich hab ’nen Schreck bekommen, damit zielt man nicht auf Menschen. (Schnäuzt sich und wendet sich an Götzl.) Wenn Sie mich fragen: Wo war die Grenze? Wenn die gesagt hätten, da steht ein Bimbo, ein Kanake, da wäre ich nicht mitgerannt. Das hätte ich nicht ausgehalten.
Götzl Wieso nicht?
Schultze Ich war kein Rassist. Meine Schwester hat einen Mann geheiratet, der aus Ghana kam. Die Aufkleber mit dem schwarzen Mann, der einer weißen Frau an den Hintern fasst, habe ich nicht bestellt bei der Parteizentrale.
Götzl Warum haben Sie das mit der Taschenlampe nicht früher erzählt? Ich hab das in keiner Ihrer polizeilichen Vernehmungen gelesen.
Schultze Ich bin erst jetzt zu dem Entschluss gekommen, dass ich aufräumen muss. Das heute war für mich ein Riesenschritt.
Götzl Dann schauen wir mal, wie’s weitergeht.
Verteidiger Pausch Ich schlage vor, die Befragung morgen früh fortzusetzen. Die Konzentration meines Mandanten lässt langsam nach.
Götzl Die Frage der Konzentrationsfähigkeit stellt sich auch bei mir. Ich bin noch voll konzentriert. Nur weil es 16 Uhr ist und alle nach Hause gehen wollen.
Schultze Ich sitze hier und habe einen Riesenschritt hinter mir. Das ist nicht so, als wenn ich acht Stunden gearbeitet hätte.
Götzl Wie ich sehe, sind Sie aber noch in der Lage, konzentriert zu agieren.
Verteidiger Pausch Es gilt in diesem Verfahren das Beschleunigungsgebot, aber es besteht auch eine Fürsorgepflicht gegenüber meinem Mandanten. Er drückt sich nicht, er möchte nur fit sein, um Rede und Antwort zu stehen. Es ist sinnvoll, jetzt zu unterbrechen.
(Das Gericht zieht sich zu einer kurzen Beratung zurück.)
Götzl Wie sieht’s aus mit der Konzentrationsfähigkeit?
Schultze Bei mir hat sich jetzt nichts geändert.
Götzl Dann kommen wir für heute zum Ende. Die Vernehmung wird morgen fortgesetzt.
12. Juni 2013
Manfred Götzl, Richter. Carsten Schultze, Angeklagter. Jochen Weingarten, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Wolfgang Stahl, Verteidiger von Beate Zschäpe.
Schultze Ich habe gestern die Karten auf den Tisch gepackt, das hätte ich schon viel früher tun sollen. Ich wollte alle schonen, besonders meine Familie. Auch bei Wohlleben habe ich mir eingebildet, ich nehm’ den Kindern den Vater weg. Das war natürlich idiotisch.
Götzl Als Sie sich mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in dem Café in Chemnitz getroffen haben, wie war da die Stimmung?
Schultze Es war eine freudige Stimmung. Beate Zschäpe ist recht zeitnah wieder gegangen. Ich kann mich aber nicht erinnern, wie wir uns verabschiedet haben. Was ich noch sehr gut weiß: Ich habe mich verarscht gefühlt, weil ich ihnen eine Waffe bringe, in der Annahme, sie haben keine. Und dann erfahr ich, dass sie schon eine hatten. Ich dachte dann, das geht wohl in Richtung Banküberfälle.
Götzl Sie haben zu Protokoll gegeben, dann hätte Böhnhardt im Café an Ihrem Handy herumgespielt und erklärt, was so ein Fingerabdruck wert sei. Und dann kam die Bemerkung: »Wir sind immer bewaffnet.« Was haben diese Äußerungen bei Ihnen für Überlegungen ausgelöst?
Schultze Keine.
Götzl Wie haben Sie die Situation eingeordnet, als Böhnhardt und Mundlos mit Ihnen über die Waffen sprachen und »Psst« machten, als Beate Zschäpe erschien? So haben Sie es bereits bei der Polizei angegeben.
Schultze Dass sie das nicht mitbekommen sollte. Der Vorgang war komisch.
Götzl Und was hatte es mit der Taschenlampe auf sich?
Schultze Ich wusste nicht, was die damit meinen. Sie haben nur gesagt, dass sie eine Taschenlampe in ein Geschäft gestellt haben und das hat nicht geklappt.
Götzl Wie vertraut waren Sie denn damals mit Herrn Böhnhardt und Herrn Mundlos? Haben Sie sich nicht gewundert, dass Frau Zschäpe nichts erfahren sollte und Sie ins Vertrauen gezogen werden über die Taschenlampe?
Schultze Ich habe mir abends Gedanken gemacht. Heute Vormittag haben mir meine Anwälte erzählt, dass da was passiert sein soll damals in Nürnberg. (Nach seiner Aussage am Vortag ist bekannt geworden, dass es im Juni 1999 einen Bombenanschlag auf ein türkisches Lokal in Nürnberg gegeben hat. Der Sprengsatz war in einer Taschenlampe versteckt und hatte einen Mann verletzt.) Ich habe mich damals darauf ausgeruht, dass sie sagten, es hat nicht geklappt.
Götzl Hat Nürnberg eine besondere Rolle gespielt? Gab es irgendwelche Verbindungen von Böhnhardt und Mundlos nach Nürnberg?
Schultze Ich weiß nur, dass die Skinheadband »Radikahl« aus Nürnberg kam.
Götzl War es ein Gedanke, der Sie beschäftigt hat: Wofür brauchen die die Waffe?
Schultze Mich hat das irritiert, aber genauer habe ich nicht darüber nachgedacht.
Götzl Hatten Sie Skrupel, die Waffe zu übergeben?
Schultze In der Situation nicht.
Götzl Warum hatten Sie den Gedanken, den Schalldämpfer wegzutun?
Schultze Weil er nicht bestellt war.
Götzl War das wirklich der Grund?
Schultze Damit die nicht auf dumme Gedanken kommen. Damals hab ich entschieden, da wird schon nichts passieren. Auch wenn es schwer ist, sich das heute einzugestehen.
Götzl Was meinen Sie mit »dumme Gedanken«?
Schultze Dass sie etwas Schlimmes tun.
Götzl Wann haben Sie das Telefonat mit Herrn Wohlleben geführt?
Schultze Nach Übergabe der Waffe.
Götzl Hat sich Herr Wohlleben über die näheren Umstände geäußert?
Schultze Nein. Ich habe nur so ein Lachen in Erinnerung, nach dem Motto: Diese Idioten.
Götzl Wollten Sie nicht wissen, was sich nach der Übergabe ereignet hat?
Schultze Wegen der kleinen Scheine, die ich für die Waffe bekam, hatte ich das Gefühl, die haben eine Bank überfallen.
Götzl Haben Sie nicht mit Herrn Wohlleben darüber geredet? Da waren Sie ja direkt betroffen, wollten Sie da nichts wissen?
Schultze Nein.
Götzl Warum nicht?
Schultze Gute Frage.
Götzl Herr Wohlleben stand Ihnen doch zur Verfügung. Warum gab es da nie ein Gespräch? Oder gab’s doch eins?
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