Schultze Es ist erst mal so im Groben geblieben. Aus der JN gab es den »Funkenflug«, ein JN-Buch. Da wüsste ich nicht, ob ich da überhaupt drin gelesen hab. Das NPD-Programm hab ich mal gelesen, und dann hört es auch schon fast auf. Auch was wir konkret besprochen haben, mir kommen da keine Erinnerungen.
Anwältin Wierig Was hatten Sie damals so an?
Schultze Ranger Boots mit Stahlkappen, ein schickes Hemd, anfangs hatte ich noch eine Mütze auf, so barettmäßig, mit Thüringen-Aufnäher.
Anwältin Wierig Kann man das als Uniform bezeichnen?
Schultze Ja. Ich hatte auch ein Bajonett und einen französischen Armee-Schlafsack.
Anwältin Wierig Hatten Leute auch Angst vor Ihnen, vor Ihnen allein oder als Gruppe?
Schultze Ich denke schon. In der Stadt gab es einen Türsteher, der mich lange Zeit auf dem Kieker hatte. Der kam auf einmal zu mir und hat gesagt, alles in Ordnung. Da hat sich das wahrscheinlich einfach rumgesprochen, dass ich Leute kenne. Das war ein gutes Gefühl.
Anwältin Wierig Warum haben Sie beim Trio ein komisches Gefühl gehabt?
Schultze Die hatten ja mit meiner Lebenswelt nichts zu tun. Ich kannte die ja nicht mal. Die sahen ganz normal aus. Es ging darum, die dürfen nicht auffliegen. Am Telefon haben sie mich »Kleiner« genannt, sie haben mich nie mit dem Namen angesprochen. Aber das war normal in der Szene, es gab immer auch ein Gefälle zwischen Jüngeren und Älteren. Im Auto saßen die Jüngeren hinten, die Älteren vorne.
Anwalt Daimagüler Welche Bedeutung hatten rechte Bands für Sie?
Schultze Die »Zillertaler Türkenjäger« haben wir lustig gefunden.
Anwalt Daimagüler Was ist denn daran so witzig? In einem der Lieder dieser Band geht es um die Ermordung von Türken.
Schultze Das ist mir heute auch bewusst. Damals fanden wir das lustig.
(Pause.)
Verteidigerin Sturm Unsere Mandantin ist heute in schlechter Verfassung. Sie fürchtet, dass sie es heute nicht den ganzen Tag durchhält.
Götzl (wendet sich an Zschäpe) Wenn Sie Beschwerden haben, würde ich Sie bitten, dass Sie sofort Bescheid sagen.
(Im Vorfeld der Verhandlung wurde bekannt, dass ein Brief Zschäpes beschlagnahmt wurde: 26 Seiten lang, handschriftlich, über ihre Haftzeit, über ihre Gedanken und Gefühle, über den Prozess. Zschäpe hat sich einem Mann anvertraut, der seit 2007 in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld sitzt, verurteilt zu acht Jahren Haft wegen schwerer räuberischer Erpressung. Bei einem Überfall auf einen Lebensmittelmarkt hat er als 20-Jähriger viermal auf einen gebürtigen Tunesier geschossen, der nur durch eine Notoperation überlebte. Zschäpes Brieffreund heißt Robin S. und gehörte vor seiner Inhaftierung zur rechtsextremistischen Szene Dortmunds .
Der Generalbundesanwalt hat zudem offiziell Ermittlungen gegen Beate Zschäpe wegen des erst durch die Aussage von Carsten Schultze bekannt gewordenen versuchten Rohrbombenanschlags von Nürnberg eingeleitet. Nach dem Anschlag waren die Ermittlungen der Nürnberger Behörden ohne Ergebnis eingestellt worden. Nun geht der Generalbundesanwalt davon aus, dass auch diese Tat dem NSU zuzuordnen ist und bei dem Anschlag ein Mensch getötet werden sollte.)
18. Juni 2013
Manfred Götzl, Richter. Carsten Schultze, Angeklagter. Antonia von der Behrens, Peer Stolle, Anwälte der Nebenklage.
(Die Befragung des Angeklagten Carsten Schultze wird fortgesetzt.)
Anwältin von der Behrens Welche Rolle hat die Politik für Sie als Führungsfigur in der rechten Szene von Jena und in der Jugendorganisation der NPD gespielt?
Schultze Ich kann das schwer festmachen.
Anwältin von der Behrens Was heißt festmachen? Sie sollen sagen, welche Rolle Politik und Ideologie in Ihrer Arbeit gespielt haben.
Schultze (überlegt lange) Es hat eine Rolle gespielt, die Politik, natürlich. Es gab auch die Spaßsachen, Freizeit. Ich kann das jetzt irgendwie schlecht festmachen.
Anwältin von der Behrens Ein Zeuge hat laut Protokoll bei der Polizei gesagt, Sie hätten die anderen zur Ordnung gerufen, als sie Quatsch im Bus gemacht hätten.
Schultze Die hatten eine Flasche Schnaps dabei. Bei uns war Alkoholverbot, und da hab ich denen die Flasche weggenommen.
Anwältin von der Behrens Mir geht es um Ihre Position. Das klingt für mich so, als seien Sie derjenige gewesen, der gegen den Spaß die Politik durchgesetzt hat.
Schultze Natürlich war es so: Wir müssen da nach außen ordentlich aussehen. Das war die Order. Alkoholverbot.
Anwältin von der Behrens Wie wurde denn über den Verfassungsschutz in der Szene gesprochen? Wurde der als Bedrohung gesehen? Hat man gedacht, man kann dem ein Schnippchen schlagen?
Götzl Bitte offen fragen, nichts vorgeben, das bringt mehr!
Schultze Wir haben immer aufgepasst, dass wir am Telefon nichts groß sagen, weil wir davon ausgegangen sind, dass wir abgehört werden.
Anwältin von der Behrens Inwiefern war das denn Thema?
Schultze Ich erinnere mich nur, dass, wenn wir komisch ausgefragt werden von Kameraden, dass wir da ein bisschen das Ohr offen halten sollten. So in dem Kontext.
Anwältin von der Behrens Hatten Sie Sorge, dass ein V-Mann wie Tino Brandt Informationen weitergab? Hatten Sie da Angst nach Ihrem Ausstieg aus der Szene?
Schultze Das war für mich völlig uninteressant. Es war für mich vorbei, hinter mir. Es ging ja auch schnell herum in der Szene, der schwule Aussteiger. Aber das war mir auch egal.
Anwältin von der Behrens Wie hat denn Herr Wohlleben reagiert auf die Ankündigung auszusteigen?
Schultze Wir hatten noch ein bisschen hin und her diskutiert. Ich bin dabei geblieben, dass ich keinen Sinn mehr sehe und nicht mehr mitmache.
Anwältin von der Behrens War er ärgerlich?
Schultze (überlegt) Wenn, dann nur ein wenig.
Anwältin von der Behrens Was hat er denn gesagt?
Schultze Er hat ein bisschen versucht, mich umzustimmen.
Anwältin von der Behrens Gab es Absprachen, was mit den Informationen über das Trio passiert?
Schultze Mir war klar, dass ich nichts sage. Und das habe ich ihm auch gesagt.
Anwalt Stolle Gab es Anweisungen, wie Sie sich verhalten sollten bei der Reise nach Chemnitz, zur Übergabe der Waffe?
Schultze Mir war schon klar, dass ich das alleine mache und keinen Kumpel mitnehme. Ich habe auch in anderen Situationen darauf geachtet, dass ich nicht beobachtet werde.
19. Juni 2013
Manfred Götzl, Richter. Carsten Schultze, Angeklagter. Wolfgang Heer, Verteidiger von Beate Zschäpe. Olaf Klemke, Verteidiger von Ralf Wohlleben. Mustafa Kaplan, Walter Martinek, Reinhard Schön, Sabine Singer, Tobias Westkamp, Burkhard Zimmer, Anwälte der Nebenklage.
Anwalt Schön Es soll ja so eine Art Bettelbrief des NSU gegeben haben. Ich lese Ihnen das mal vor: »Verbote zwingen uns Nationalisten immer wieder, nach neuen Wegen im Widerstandskampf zu suchen. Verfolgung und Strafen zwingen uns, anonym und unerkannt zu agieren. Der Nationalsozialistische Untergrund verkörpert die neue politische Kraft im Ringen um die Freiheit der deutschen Nation …«
Götzl (unterbricht) Könnten Sie bitte Ihre Frage stellen!
Anwalt Schön Meine Frage: Haben Sie mal gehört, dass es diesen Brief gibt?
Schultze Nein.
Anwalt Schön Sind Ihnen Bettelbriefe bekannt, wo Geld gesammelt werden sollte für den NSU?
Schultze Nein.
Anwalt Schön Kommt Ihnen noch eine genauere Erinnerung zu Auseinandersetzungen über Gewalt in Neonazi-Kreisen?
Verteidiger Klemke Ich beanstande die Frage. Was ist denn unter dem Begriff Neonazi-Kreise zu verstehen?
Anwalt Schön Was sind Sie denn dann?
Verteidiger Klemke Wen meinen Sie denn? Mich?
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