(Der Zeuge verlässt den Gerichtssaal. Nun wird die Kleidung des Angeklagten André Eminger zum Thema. Er trägt im Gerichtssaal einen Kapuzenpullover mit Aufdruck.)
Anwalt Hoffmann Ich beantrage, den Kapuzenpulli von Herrn Eminger sicherzustellen. Er zeigt eine vermummte Person mit Sturmgewehr. Das ist nicht nur ein Anblick, der hier unpassend ist, das ist ein Statement für den bewaffneten Kampf, eine Sympathieerklärung für die Morde.
Verteidiger Kaiser Ich glaube nicht, dass die Art der Bekleidung Rückschlüsse auf die Einstellung einer Person zulässt. Bei den Anwälten hat auch nicht jeder einen weißen Schlips an.
Götzl Vielleicht stehen Sie mal kurz auf, Herr Eminger, und lassen den Pullover sehen.
Eminger (bleibt stumm sitzen)
Götzl Nicht? (Eminger schüttelt den Kopf.) Dann interessiert’s natürlich schon. Herr Rechtsanwalt Kaiser, wie sieht’s aus?
Verteidiger Kaiser (unterhält sich kurz mit seinem Mandanten) Ich habe mit Herrn Eminger über die Herkunft des Pullovers gesprochen. Er ist aus der sogenannten Metal-Szene. Herr Eminger hat ihn wohl schon häufiger angehabt, ohne dass jemand daran Anstoß genommen hätte. Eine Beschlagnahme halte ich für unzulässig.
Anwalt Hoffmann Eine kleine Internetrecherche hat ergeben, dass da noch der Schriftzug »Black Metal Kommando« und »Gas Chamber« (Gaskammer) draufsteht. So ist es in einem Internet-Shop zu sehen, der die Dinger verkauft.
Verteidiger Kaiser Um diese Diskussion zu beenden, erklärt sich Herr Eminger bereit, aufzustehen und den Pullover zu zeigen.
(Eminger steht auf und wendet sich dem Richter zu.)
Anwalt Hoffmann Ich denke, dass der Pullover auch beschlagnahmt werden muss, es handelt sich um ein Beweismittel.
Bundesanwalt Diemer Ich sehe keinen Grund, das Kleidungsstück zu beschlagnahmen. Herr Eminger hat sich nicht ungebührlich verhalten – auch wenn der Pullover möglicherweise nicht unserem Geschmack entspricht. Die Sätze, die Herr Rechtsanwalt Hoffmann angeführt hat, stehen ja nicht drunter. (Eminger verlässt den Gerichtssaal, wird fotografiert und kehrt wieder zurück.)
Götzl Das Kleidungsstück ist nun fotografisch gesichert.
(Eminger kann den Pullover anbehalten. Als nächster Zeuge wird der Polizist Frank M. befragt, der am 4. November 2011 gemeinsam mit einem Kollegen als Erster am Wohnmobil war, in dem dann die Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos entdeckt wurden.)
Götzl Wie sind Sie auf das Wohnmobil gekommen?
Frank M. Wir hatten den Auftrag bekommen, nach diesem Wohnmobil zu suchen und haben es dann in der Ortslage Stregda (Stadtteil von Eisenach) gefunden. Ein Rentner hatte sich ein Teil des Kennzeichens gemerkt. Als mein Kollege und ich auf das Fahrzeug zugegangen sind, ist ein Schuss gefallen. Der kam aus dem Inneren des Wohnmobils. Vom LKA wurde uns gesagt, dass der in unsere Richtung ging. Wir haben die Waffen gezogen und sind dann in Deckung gegangen. Dann sind zwei weitere Schüsse gefallen. Die Schüsse kamen kurz hintereinander, ein paar Sekunden. Der letzte Schuss kam etwas später. Nach dem letzten Schuss oder kurz davor, jedenfalls im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang, hat das Fahrzeug angefangen zu brennen. Wir haben die Feuerwehr verständigt, die ist dann nahezu zeitgleich mit der Kripo eingetroffen. Die Kripo hat dann die weiteren Maßnahmen übernommen.
Götzl Haben Sie irgendwelche Personen gesehen?
Frank M. Nein. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war eine ältere Dame mit Hund.Und der Halter des Fahrzeugs vor dem Wohnmobil kam aus dem Haus gelaufen und wollte sein Auto in Sicherheit bringen. Das haben wir verhindern müssen.
Bundesanwalt Diemer Haben Sie eine Person in das Fahrzeug hinein- oder hinausgehen sehen?
Frank M. Nein, ich habe keinerlei Personenbewegung gesehen.
Bundesanwalt Diemer Können Sie sich da festlegen?
Frank M. Ja.
(Im Anschluss wird der Kollege von Frank M. befragt, der die Angaben im Wesentlichen bestätigt. Danach berichtet ein Sachverständiger des BKA erneut, wie es ihm gelang, die Česká 83 aus dem Brandschutt in der Frühlingsstraße als die Waffe zu identifizieren, die bei neun der zehn Morde zum Einsatz kam.)
26. Mai 2014
Manfred Götzl, Richter. Andreas R., 57, Heizungsmonteur, derzeit in einer Justizvollzugsanstalt in Sachsen-Anhalt inhaftiert.
(Der Zeuge wird mit einer sogenannten Vorführzange, einer Art Handschelle, an seinen Platz geführt. Er sitzt in Haft, weil er als Mitglied der »Schlapphut-Bande« verurteilt wurde. Diese Bande beging in den Jahren 2002 bis 2005 Dutzende Banküberfälle und wird so genannt, weil die Mitglieder bei den Taten teilweise breitkrempige Hüte trugen. Ein ebenfalls in Haft sitzendes Bandenmitglied stellte nach Entdecken des NSU eine angebliche Verbindung her. Er stellte es so dar, dass der Angeklagte Ralf Wohlleben an einem Waffen deal mit der Bande beteiligt gewesen sei. So muss sich nun auch das Gericht mit den Schlapphüten befassen.)
Götzl Wie viele Waffen hatten Sie?
Andreas R. Sechs Maschinenpistolen, zwei Sturmgewehre und ungefähr zehn bis fünfzehn Pistolen.
(Der Zeuge erzählt dann freimütig Geschichten aus dem Milieu der organisierten Kriminalität und schweift immer wieder vom Thema ab. Richter Götzl versucht, den Zeugen zurück zum Inhalt des Verfahrens zu bringen.)
Götzl Sagt Ihnen der Name Ralf Wohlleben etwas?
Andreas R. Ja, aus den Medien. NSU-Prozess, ansonsten weiß ich nüscht weiter. Aber es interessiert mich auch nicht so. Wissen Sie, Herr Vorsitzender, ich habe genug mit mir zu tun.
Götzl Was sagt Ihnen denn die Person?
Andreas R. Dass Herr Wohlleben da eine Rolle in dem Prozess hier spielt, er angeklagt ist.
Götzl Sind Ihnen Einzelheiten zu den Vorwürfen bekannt?
Andreas R. Nee, nee. Wenn man so neun Jahre knapp in Haft ist, dann kümmert man sich nicht mehr so um alles. (Auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kenne er als Namen nur aus den Medien.) Ich glaube, dass der S. (der Bandenkollege, der den angeblichen NSU-Bezug behauptet hatte) sich den ganzen Quatsch ausgedacht hat. Mir kommt es so vor, als wenn er einen Weg sucht, um unbedingt seine Strafverbüßung in Deutschland zu bekommen. (S. sitzt seine Haftstrafe in Polen ab.)
28. Mai 2014
Udo J., 49, Kriminalhauptkommissar aus Erding.
(Der Zeuge berichtet von der Auswertung der Handys des Angeklagten André Eminger und seiner Frau. Dort sind unter anderem auch rechtsradikale Inhalte gefunden worden, zum Beispiel eine fotografierte Brezel in Hakenkreuz-Form, zudem eine SMS, in der von »Gerry« und »Liesl« die Rede ist – so nannten sich Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe mit Tarnnamen.)
Udo J. Es war auffällig, dass der SMS-Verkehr um den 4.11.2011 (dem Tag, als der NSU entdeckt wurde) fast nicht vorhanden war. Es war etwas vom 6.11. vorhanden, privater Natur, dann war eine Pause bis 15.11., später wieder vermehrt.
(Später wird Beate Zschäpe in einer ihrer Erklärungen – am 21. Januar 2016 – bestätigen, dass sie am 4.11.2011 Kontakt zu André Eminger hatte. Sie habe ihn angerufen und darum gebeten, ihr Kleidung seiner Frau zu geben, weil sie nach der Brandstiftung in Zwickau nach Benzin roch. Er habe ihr dann Kleidung ausgehändigt. Ein weiterer Zeuge, ein BKA-Beamter, berichtet, dass es in der Nacht auf den 5.11.2011, um 2.57 Uhr und um 3.45 Uhr, zwei weitere Anrufe auf das Handy von André Eminger gegeben hat, die Verbindungen dauerten wenige Sekunden. Die Anrufe kamen von einem Fernsprecher am Bahnhof in Glauchau, unweit von Zwickau. Die Ermittler gehen davon aus, dass Zschäpe von Glauchau aus versuchte, die Emingers anzurufen. Es ist unklar, warum sie sich in Glauchau aufhielt. Das BKA hat dort ermittelt und ist dem Verdacht nachgegangen, das Trio könnte dort einen weiteren Unterschlupf gehabt haben. Gefunden wurde jedoch nichts.)
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