Götzl Es geht uns um die Ereignisse am 4. November 2011. Sie waren damals Filialleiter der Sparkasse Eisenach.
Stefan C. Es war ein Freitagmorgen, Viertel vor neun, ich saß mit Kollegen im Büro. Auf einmal hören wir Schreie. Ich bin raus in die Schalterhalle, hab zwei maskierte Männer gesehen. Einer versuchte, eine Kollegin zu schnappen. Einer kam zu mir, hielt mir eine Waffe an den Kopf. Ich hab dann eine Kollegin, die sich im Bankraum eingeschlossen hatte, gebeten, die Tür zu öffnen. Wir sind dann alle in der kleinen Notkasse gestanden und wurden mit Waffen bedroht. Die Kolleginnen haben das Geld ausgehändigt. Der Mann sagte, dass er gern noch mehr Geld hätte, was wir aber nicht dahatten. Dann hatte er gemeint, mir mit der Waffe auf den Kopf schlagen zu müssen. Er ist dann mit einer Kollegin zum Tresor gegangen. Sie hat dem guten Mann das Geld gegeben, der hat es dann aber fallen lassen, sodass es erst mal aufgesammelt werden musste. Der eine Mann hatte eine schwarz-weiße »Scream«-Maske auf, falls Sie den Film kennen, und der andere eine Gorillamaske.
Götzl Wie viel Geld wurde insgesamt erbeutet?
Stefan C. Irgendwas mit 74 000 Euro. (Tatsächlich waren es 71 920 Euro.) (Als nächste Zeugin soll seine frühere Mitarbeiterin Nadine W. den Überfall schildern.)
Nadine W. Ein Maskierter stand mir gegenüber und er hat nur gesagt: »Geld her!« Aber wir waren so unter Schock, wir konnten gar nicht reagieren. Bis der Maskierte Herrn C. niedergeschlagen hat. Dann hat meine Kollegin gesagt: Jetzt reicht’s, wir gehen zum Tresorraum, jetzt gehen wir runter. Dann haben wir denen das Geld gegeben. Er wollte nur die Scheine.
Götzl Wie haben die Täter ausgesehen?
Nadine W. Es hat unmöglich ausgesehen, was die angehabt haben. Die Hose so in die Socken gestopft, das sah unmöglich aus, das hätte ich ihm auch am liebsten gesagt. (Gelächter im Saal.)
Götzl Wie war die Situation für Sie, auch was die psychische Belastung anbelangt?
Nadine W. Ich habe immer gedacht, bei einem Überfall falle ich um. Aber es war nicht so. Ich hab einfach nur gehandelt, wie im Film. Es war sehr schwierig, auch im Nachhinein noch. Ich arbeite nicht mehr bei der Sparkasse, ich hab mir eine neue Arbeit gesucht, ich hab meinen Beruf aufgegeben. (Sie ringt mit den Tränen .
Nach einem weiteren Zeugen tritt der Rentner Egon S. auf.)
Egon S. Am 4.11.2011 habe ich gegen 9.25 Uhr die Wohnung verlassen, mit dem Ziel, im Lidl-Markt einzukaufen. Ich bin auf die Hauptstraße und habe gesehen, dass auf dem Parkplatz ein Wohnmobil parkt. Es hatte eine wunderbare Farbe, Farbgebung weiß. Ich bin dann links weg, war gerade fünfzehn Schritte gegangen, da kamen zwei Radfahrer. Die kamen förmlich angeflogen und fuhren zu dem Wohnmobil. Einer der beiden nahm sofort Platz auf dem Fahrersitz, während der andere die Räder verstaute. Dann ging die Post ab. Die sind so schnell angefahren, dass die Räder durchgedreht sind. Beim Wegfahren konnte ich das polizeiliche Kennzeichen erkennen, das »V«. Auf dem Weg zum Lidl-Markt ist mir eingefallen: Das kann nur Vogtland sein. Ich habe im Lidl-Markt eingekauft: zwei Flaschen Wasser, je anderthalb Liter, drei Bananen und drei Brötchen. Ich wollte auch noch eine Frischmilch mitnehmen, die aber nicht da war, sodass sich der Einkauf etwas verzögerte. Dann bin ich zur Kasse und anschließend den gleichen Weg zurückgelaufen. Ich sah, dass ein Polizist eine Frau fragte, ob sie zwei Männer mit einem Fahrrad gesehen hatte. Ich hab dem zugerufen: »Ja, aber ich hab sie gesehen.« Der Polizist sagte mir, die zwei Männer auf dem Fahrrad hätten eine Bank überfallen. Darauf sagte ich: »O Gott, auch das noch!« Und das war’s.
21. Mai 2014
Manfred Götzl, Richter. Reinhard Heiderstädt, 66, Gerichtsmediziner der Universität Jena. Frank M., 51, Kriminaloberkommissar aus Eisenach. André Eminger, 34, Angeklagter. Herbert Diemer, Vertreter der Bundesanwaltschaft. Michael Kaiser, Verteidiger von André Eminger. Alexander Hoffmann, Anwalt der Nebenklage.
Götzl Es geht uns um die Sektionen der Leichen von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Bitte stellen Sie uns die Ergebnisse
Heiderstädt Ich würde beginnen mit Uwe Böhnhardt, seine Identität war zunächst nicht bekannt. Für uns war es die Leiche 1 aus Eisenach. Die Leiche wies oberflächliche Verbrennungen, an der rechten Körperrückseite und am linken Arm auf. Der gesamte Kopf war erheblich deformiert. Es gab eine sehr große Aufreißung an der rechten oberen Kopfseite. An der linken Schläfenseite, kurz vor dem linken Ohr, fanden wir eine typische Einschussverletzung. Der Schusskanal ist von der linken Schläfe schräg nach rechts oben verlaufen. Die Verletzungen imponierten wie eine Explosion von innen. Das erklärt auch, warum nur noch 102 Gramm Gehirn vorhanden waren, knapp ein Zehntel des üblichen Gehirngewichts eines Erwachsenen. Das ist herausgeschleudert worden.
Götzl War die Todesursache eine zentrale Lähmung?
Heiderstädt Ja. Es handelte sich um einen Kopfdurchschuss mit sofortiger Handlungsunfähigkeit und sofortigem Tod. Wir haben noch toxikologische Untersuchungen gemacht. Es sind kein Alkohol im Blut und auch keine chemischen Substanzen oder Drogen gefunden worden. Und wir haben den Zahnstatus erhoben wegen der Identifizierung. Bei Uwe Mundlos haben wir das nicht gemacht, weil er schon identifiziert war.
Götzl Gab es irgendwelche Befunde mit Blick auf Rauchgaseinatmung?
Heiderstädt Wir haben keine Spuren von Rauchgaseinatmung und keine Rußbestandteile in den Atemwegen gefunden, sodass wir keinen Hinweis haben, dass da noch eingeatmet wurde. Bei einer zentralen Lähmung gibt es keine Atmung mehr.
Götzl Dann kommen wir zu Uwe Mundlos.
Heiderstädt Die zweite Leiche, Herr Mundlos, wies in geringerer Form Brandbeschädigungen auf, in der linken Knieregion, am linken Handrücken und am linken Unterschenkel, innenseitig. Auffällig war eine noch massivere Zerstörung des Kopfes. Bei der äußeren Besichtigung haben wir keine typische Einschussverletzung gefunden, das macht immer etwas nervös. Bei der Öffnung des Mundes haben wir aber doch Schmauchspuren in der Mundhöhle gefunden und eine völlige Zerstörung des Gaumens. Der Einschuss erfolgte also durch die Mundhöhle, nach oben gerichtet. Entsprechend gibt es eine sehr starke Zerstörung des Kopfes. Noch wesentlich stärker als bei Herrn Böhnhardt. Es war so gut wie kein Knochen mehr intakt. Es gab eine große Aufreißung des Kopfes, auch hier war das Gehirn zum größten Teil herausgeschleudert worden. Wir fanden noch 500 Gramm Resthirn. Auch hier konnten wir keine Rauchgas- oder Rußeinatmung feststellen. Auch bei der chemisch-toxikologischen Untersuchung wurde kein CO (Kohlenmonoxid) gefunden. Damit gibt es keinen Beleg für eine Rauchgasvergiftung. Die Todesursache war ein Kopfdurchschuss mit völliger Zerstörung des Gehirns mit sofortigem Tod und völliger Handlungsunfähigkeit.
Anwalt Hoffmann Haben Sie Erfahrungen mit Untersuchungen von Rauchvergiftungen?
Heiderstädt Ja, Brandleichen sind bei uns nicht selten, Rauchgasvergiftungen sind nicht selten, sicher habe ich schon eine größere Anzahl seziert.
Anwalt Hoffmann Ab was für einer Intensität von Rauch in einem Raum würde man denn überhaupt Rückstände finden? Wie stark müsste jemand im Rauch gewesen sein?
Heiderstädt Ruß muss vorhanden sein in der Atemluft, er kommt in die Atemwege und bleibt dann liegen. Nun kann Rauchgas vorhanden sein auch ohne Ruß. Der Ruß – den würden wir erkennen. Den würden wir auch wiederfinden. Vielleicht muss ich sagen: Ruß wurde nicht gefunden. Jetzt zum Rauchgas. Wichtigster Bestandteil des Rauchgases ist CO, also Kohlenmonoxid. Das kann eingeatmet und, solange Leben da ist, auch wieder ausgeatmet werden. Ich kann nicht ausschließen, dass Rauchgas eingeatmet und wieder ausgeatmet wurde. Erst zum Zeitpunkt des Todes bleibt die Konzentration dann so. Das schließt eine kurzfristige CO-Einatmung nicht aus.
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