Hast du auch mal in deinem Umfeld Widerspruch bekommen zu dem, was du machst?
Das eigentlich weniger. Meine Mutter ist selber schon immer feministisch aktiv gewesen, aber eher im gesellschaftlichen Bereich. Mit Queerfeminismus kann sie nicht viel anfangen, aber sie ist trotzdem mein größter Fan, auch wenn sie nicht so viel Ahnung hat. Sie hört mir zu, wenn ich erzähle. Sonst hatte ich sehr wenige Probleme, vielleicht vereinzelt im Freundeskreis. Das sind dann aber auch Personen, von denen ich mich schnell getrennt habe. Es gab eher Leute, die das Thema toll fanden und Teil davon sein wollten, aber gar nicht Interesse an einer Freundschaft hatten, sondern nur am Erfolg. Das hätte ich gar nicht gedacht. Die haben dann versucht, bei femtrail mitzumachen, und wenn ich sie mal nicht gelassen habe, haben die dann anderen Leuten hinter meinem Rücken erzählt: »Voll die blöde Kuh, was soll das?!«, wo ich mir dann gedacht habe: Rede doch da einfach mit mir drüber! Es ist halt mein Zine. Wenn man schon fünf Jahre lange dran arbeitet, ist es nicht einfach, Verantwortung abzugeben. In der Hinsicht gab es Probleme, aber nicht mit dem Thema.
Was hast du bisher mit dem Format des Zine erreichen können?
Ich habe in dem Sinne sehr viel erreicht, dass aus meinem Zine fünf andere Zines entstanden sind. Das ist echt schön. Es sind auch unterschiedliche Personen, es ist sogar ein Mann darunter, was mich sehr gefreut hat. Der ist wirklich auch nur Herausgeber und kommt nicht selbst die ganze Zeit zu Wort, sondern fragt in seinem Umfeld viele Frauen und Transpersonen. Ja, es sind wirklich viele schöne, kleine Zines entstanden, die dann auch geschrieben haben: »Dank dir und deinem Workshop habe ich den Mut gefasst, selber was zu machen!« Das ist auf jeden Fall mein größter Erfolg. Vielleicht außerdem noch, dass ich viele Personen getroffen habe, die ich interviewt und von denen ich Fotos gemacht habe. Die fanden es gut, dass ich denen die Chance geben konnte, mal ihre Meinung zu sagen.
Verfolgst du die anderen Zines?
Ja, mit einem anderen arbeite ich eng zusammen, und wir tauschen uns regelmäßig aus, wenn eine neue Ausgabe rauskommt. Ich wurde interviewt für eine Ausgabe von dem Zine, und da war es richtig schön zu sehen, wie meine Community auch zu ihr rübergewachsen ist, weil wir uns so austauschen können, und ein kleines Kollektiv aus unterschiedlichen Zines entstanden ist. Wir stehen immer in Kontakt und können Erfahrungen teilen.
Was macht Musik für dich politisch?
Eine meiner Lieblingsbands, Dregs aus Wien, haben eine behinderte Person in der Band und eine Sängerin, die auch viele Erfahrungen gemacht hat mit sexueller Gewalt. Diese Themen werden auch in den Texten verarbeitet und an das Publikum weitergegeben. Das finde ich unfassbar wichtig und toll, weil es auch so beim Publikum ankommt. Das wird dann nicht belächelt oder nicht ernst genommen, nur weil das jetzt ein Lied ist und kein sachlich ausformulierter Text. Musik ist eine ganz tolle Art, eine politische Message an Personen zu bringen.
Machst du auch selbst Musik?
Ich habe mir selber das Schlagzeugspielen beigebracht. Ende letzten Jahres habe ich angefangen, eine Band zu gründen, aber das hat gerade keine Priorität. Nebenher veranstalte ich noch Konzerte und daher bin ich in ständigem Kontakt mit Bands und Musiker*innen.
Gibts noch andere Formen, wie du deine politischen Werte vertrittst, außer im Blog und in den Zines?
Ja, ich habe angefangen zu filmen. Viele sagen: »Ich traue mich nicht, was zu schreiben und dir zu schicken, weil ich einfach eine fehlende Bildung habe, um die richtigen Worte zu finden.« Als ich solche Leute beobachtet und gemerkt habe, dass sie auf der Bühne oder beim Kunst machen total aufblühen, dass sie, ohne ein Wort zu sagen, trotzdem eine Kraft ausstrahlen, da ist mir die Idee gekommen, sie zu fragen, ob ich sie dabei filmen darf. Ich finde, das ist ein ganz schönes Medium, aber es ist auch schwierig, das alles zusammenzuschneiden und auch die technischen Mittel dafür zu haben. Ich habe eine schöne Sammlung auf meinem PC von Leuten, die ganz tolle Kunst machen. Ich hoffe, dass ich daraus mal was machen kann.
Musik ist eine ganz tolle Art, eine politische Message an Personen zu bringen.
Bei dir war Bildung jetzt schon mehrmals Thema. Welche Verbindungen gibt es für dich zwischen der Bildung und dem Politischsein?
Für mich ist das Thema ganz wichtig, weil der Großteil der Personen, die mir am Anfang von femtrail geholfen haben, auch das Thema studiert hat und da sehr belesen ist. Und ich war schon damals nur die einfache Person, die in ihrer Freizeit gerne was darüber gelesen oder sich mal ausgetauscht hat. Aber ich hab halt nur meine Ausbildung gemacht und nie Abitur oder studiert. Ich habe viele Bücher nicht verstanden und musste nachfragen, wie ich diesen und jenen Text nachvollziehen kann, weil der meiste Input, den ich hatte, akademisch formulierte Texte waren. Ich wollte was über diese Themen lernen, aber ich verstand die Hälfte der Texte nicht. Das war für mich, aber auch für viele andere aus meiner Bubble, die Hürde, um überhaupt was zu schreiben oder zu tun, weil sie das nicht so gelernt haben.
Man liest die Geschichten und muss dann auch mal schlucken und seine eigenen Privilegien überdenken.
Denkst du, die Leute, die jetzt deine Texte lesen oder auf deinen Blog schauen, sind nicht so gebildet?
Ja, genau. Ich achte auch darauf, dass die Texte gut verständlich sind.
Ich kann mir vorstellen, dass das auch mit dir persönlich was macht, wenn du solche Arbeit machst.
Ich habe mich persönlich komplett geändert. Das war ’ne Entwicklung von einer kleinen Person, die kaum was gesagt hat, zu einer Person, die zu jedem Thema was zu sagen hat und sich auch traut. Auch wenn man irgendwie mal aneckt, sei es in der Familie oder mit Freunden. Das ist dadurch erst entstanden, dass ich jeden Tag Beiträge lese oder Nachrichten bekomme von Menschen, die mir einfach ihre Geschichte erzählt haben und mich gefragt haben, ob ich die aufschreiben möchte. Man liest die Geschichten und muss dann auch mal schlucken und seine eigenen Privilegien überdenken.
Da ist schon echt einiges mit mir passiert, z. B. habe ich im Queer-Bereich vieles hinterfragt. Persönlich habe ich eigentlich eine komplette Kehrtwende gemacht, weil ich ein ziemlich binärer Mensch damals war.
Denkst du, du wirst dich später auch noch für deine Interessen einsetzen?
Ich hoffe. Ich bin mir natürlich nicht sicher, weil ich gemerkt habe, dass ich mehr Bildung haben möchte, mehr Tiefe in dem Thema. Da strebe ich gerade viel an im privaten Bereich. Ich hole vielleicht die Schule nach, weil mich das dann doch ziemlich nervt, dass ich immer noch Texte an Freunde schicken muss, dass die mir das erklären. Das ist natürlich auch Zeit, die einem weggenommen wird, die man anders hätte investieren können. Aktuell geht die typische Lohnarbeit bis 16 Uhr. Da hat man dann kaum noch Zeit, was Persönliches zu machen. Wie es dann ist, wenn man die Schule oder sogar ein Studium nachholt, das weiß ich leider nicht. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Ich hoffe, dass ich dann weiterhin genauso am Ball bleibe. Vielleicht mache ichs ja sogar noch ein bisschen besser.
Kannst du dir auch vorstellen, mal ganz anders Politik zu machen?
Vor ein paar Jahren durfte ich in Dresden auf einem Festival mal bei einer Podiumsdiskussion mitmachen, da habe ich ein bisschen Blut geleckt. Da saß ich dann mit einer Moderator*in, einer Sängerin und einer Person, die gerade ein Buch über Punk und Queerfeminismus geschrieben hat. Das war toll, die eigene Meinung da an Personen zu bringen, die sich unsicher waren. Da kam auch Feedback von Personen, die gesagt haben, dass sie sich durch mich vertreten gefühlt haben, weil ich auch nicht studiert bin. Es war schön zu wissen, dass ich da trotzdem eine Relevanz habe, auch wenn ich nicht immer die richtigen Worte finde. Die Nachfrage ist zwar nicht so groß, aber ich würde das gerne mehr machen. Manchmal wars möglich, in Verbindung mit einem Workshop einen Minivortrag zu halten. Aber da werden halt oft Leute bevorzugt, die das studiert haben, was ich voll verstehe, weil da die Quelle und die Meinung ein bisschen mehr Boden haben.
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