37. Auf diese Art ließ er vielmal seine Raserei gegen die Perser und die Bundesgenossen aus, während er immer in Memphis saß, da er auch alte Grüfte öffnete, und die Leichen besah. So ging er auch in das Hephästusheiligthum, wo er das Bild sehr verlachte. Dieses Bild des Hephästus kommt nämlich den Phönizischen Patäken am nächsten, welche die Phönizier am Vordertheil ihrer Dreiruder führen. Wer nun diese noch nicht gesehen hat, dem sage ich zur Bezeichnung, daß es das Abbild eines Pygmäenmannes ist 95ist. Auch ging er in das Heiligthum der Kabiren, in welches Niemand gehen soll, als nur der Priester. Und diese Bildnisse verbrannte er auch mit großem Hohn. Diese sind ebenfalls dem Hephästus gleich, dessen Kinder sie auch heißen.
Auch die spätere Sage verlegte diese Pygmäen, als Fünfspannenmännlein und Dreispannenmännlein, welche mit den Kranichen um ihre Saatfrüchte zu kmpfen hätten, an den Oceanus im Süden von Afrika, wo sie Aristoteles, wenigstens als kleine Menschen, die auch kleine Pferde haben, und in Höhlen wohnen, anerkennen will. Gelehrte Mythologen haben in ihnen die Symbole der sechzehn Ellen des Nilanwuchses gesehen, die zu Memphis gestanden haben Mochten; so daß die Kraniche, weil sie zu der Zeit in Aegypten eintrafen, wenn der Nil fiel, in diesem Sinne ihnen den Lob brachten. Daß die Pygmäen auch im Norden, jenseits von Thule, als schwachleibige, kurzlebende Männchen, mit dünnen, nadelartigen Spießchen bewaffnet, gefunden wurden, ist wohl ein spätener Auswuchs der Sage, zu welchem historische Anlässe da gewesen seyn mögen.
38. Mir ist nun auf alle Weise klar, daß Kambyses in großer Raserei war; sonst hätte er's nicht gewagt, was heilig ist und gebräuchlich, zu verlachen. Denn wenn man allen Menschen die Wahl stellte, sie sollen sich die besten Bräuche auslesen ans allen Bräuchen, so würden nach der Untersuchung Alle ihre eigenen vorziehen; so sehr gelten Allen ihre eigenen Bräuche bei weitem für die besten. Also kann nicht wohl ein Anderer, als nur ein rasender Mann, solche Dinge zum Gelächter haben. Daß es aber mit ihren Bräuchen alle Menschen so zu halten pflegen, läßt sich überhaupt aus vielen Beweisen ermessen, und namentlich aus folgendem. Während seiner Herrschaft rief einmal Darius die Hellenen, die bei ihm waren, und fragte sie: um welchen Preis sie wohl sich verständen, ihre todten Väter zu essen? Darauf versicherten sie, das thäten sie um Alles nicht. Nach Diesem rief Darius die sogenannten Kallatier, ein Indisches Volk, das seine Aeltern zu essen pflegt, und fragte sie in Gegenwart der Hellenen und mit Verständigung Derselben, über die Reden der Andern, durch einen Doúmetscher: Um welden Preis sie es eingehen würden, ihre gestorbenen Väter zu verbrennen? Darauf schrieen Diese laut auf, er solle doch nichts Unheiliges aussprechen! Das gilt so in der Welt; und der Dichter Pindar dünkt mir Recht zu haben, wenn er sagt, der Brauch sey König über Alle. 96
(Polykrates von Samos um 530 v. Ch.)
39. Während Kambyses gegen Aegypten zu Felde war, machten auch die Lacedämonier einen Feldzug gegen Samos und Polykrates, Aeaces Sohn, welcher durch Aufwieglung in Samos sich zum Hernn gemacht hatte; worauf er zuerst den Staat dreifach getheilt, und seinen Brüdern Pantagnotus und Syloson Antheil gegeben, dann nach Ermordung des Einen, und nach Vertreibung Syloson's, des Jüngern, Samos ganz unter sich hatte. Und nun, als Herr davon, machte er mit Amasis, dem Könige von Aegypten, Gastfreundschaft durch Sendung von Geschenken und Empfang von Gegengaben. Und in kurzer Zeit stieg des Polykrates Macht mit einemmal empor, und war in Aller Mund durch ganz Ionien und das übrige Hellas. Denn wohin er seine Waffen richtete, ging ihm Alles nach Wunsch von statten. Er hatte Hundert Fünfzigruder und tausend Bogenschüben; und da plünderte und beraubte er Alle ohne Unterschied. Denn auch dem Freunde, behauptete er, es mehr zu Danke zu machen, wenn er wieder gebe, Was er genommen, als wenn er erst gar Nichts nehme. So hatte er ein gut Theil der Inseln erorbert, und viele Städte des Festlands. Die Lesbier namentlich, die sich mit gesammter Macht für die Milesier wehrten, nahm er in einem Seesiege gefangen; und sie haben den ganzen Graben um die Stadtmauer von Samos machen müssen.
40. Das entging dem Amasis nicht, welch großes Glück Polykrates hatte; vielmehr bekümmerte er sich darum; und da Dessen Glück noch immer höher und höher stieg, schrieb er folgender: Brief, und sandte ihn nach Samos: "Amasis an Polykrates. Wohl ist es lieblich zu erfahren, dass es einem Freund und Gastverwandten wohlergehe; doch gefallen mir deine hohen Glücksstände nicht, nach meiner Erkenntniß der Gottheit, wie sie mißgünstig ist. Und ich wünsche für mich und Die mir anliegen, Glück in einem Theil, in einem andern Anstoß zu finden, und so die ganze Lebenszeit im Wechsel zu stehen, lieber, als in Allem Glück zu haben. Denn noch habe ich von Keinem gehört, der nicht zulegt ein gang und gar schlechtes Ende genommen, wenn er in Allem Glück hatte. Willst du nun mir folgen, so thue also gegen dein vieles Glück. Besinne dich, und was du für dein theuerstes Gut hältst, dessen Verlust dir am meisten in der Seele weh thut, Das wirf so von dir, daß es nie mehr in Menschenhände kommen kann. Und wenn von Dem an dein Glück noch nicht mit Leiden abwechselt, so hilf auf die von mir angegeben Weise nach.
41. Als Polykrates Dieses gelesen, und zu Herzen genommen hatte, wie Amasis Rath gut sey, untersuchte er, Messen Verlust ihm von seinen Kleinodien am meisten in der Seele schwer fallen möchte. Da fand er Dieses. Er hatte einen Siegelring an seiner Hand, in Gold gefaßt, von Smaragdstein, ein Wert des Theodorus, Sohn des Telekles von Samos. Da ihm nun gut dünkte, diesen wegzuwerfen, machte er's also. Er bemannte ein Fünfzigruder, stieg dann selber ein, und befahl, in die hohe See zu stechen. Wie er nun ferne von der Insel war, zog er den Siegelring ab, und warf ihn, vor den Augen aller Schiffsleute, in die See. Alsdann fuhr er zurück, und zu Hause, trug er Leid.
42. Den fünften oder sechsten Tag darauf begegnete ihm Folgendes. Ein Fischer hatte einen schönen, großen Fisch gefangen, und achtete ihn werth, dem Polykrates geschenkt zu werden; ging damit an die Thüre und sagte, er wolle vor Polykrates. Es ward ihm gewährt; und nun sprach er bei Ueberreichung des Fisches: "König, den hab' ich gefangen, und da hielt ich nicht für recht, ihn zu Markte zu bringen, wenn ich schon von meinen Händen leben muß; sondern ich fand ihn deiner werth und deiner Herrlichkeit; und so bring' ich ihn dir zum Geschenk." Worauf Polykrates wohlgefällig antwortete: "Du hast ganz wohl gethan, und meinen Dank für Beides, deine Rede und das Geschenk; und wir laden dich zum Mahl." Der Fischer, dem Dieß was großes war, ging nach Hause; und den Fisch schnitten die Diener auf, und finden in seinem Bauch den Siegelring des Polykrates. Nicht sobald hatten sie ihn gesehen, als sie ihn nahmen, mit großer Freude dem Polykrates brachten; und indem sie ihm seinen Siegelring gaben, sagten sie auch, wie er sich gefunden. Da gedachte er, das sey ein Finger Gottes; er schrieb die ganze Geschichte, was er gethan, und wie ihm's damit gegangen, in einem Brief, und schickte diesen nach Aegypten.
43. als Amasis den Brief von Polykrates gelesen hatte, merkte er, es sey unmöglich, daß ein Mensch den Andern seinem bevorstehenden Schicksal entziehe, und es stehe dem Polykrates kein gutes Ende bevor, da er in allem Glück habe, und auch was er wegwarf, wieder finde. Da ließ er ihm, durch einen Herold nach Samos, die Gastfreundschaft aufsagen. Das that er aber deßwegen, damit nicht, wenn ein arges und gewaltiges Geschick auf Polykrates komme, Dieses auch ihm in der Seele weh' thun müsse für seinen Gastfreund.
44. Gegen diesen Polykrates also, der in Allem Glück Hatte, zogen die Lacedämonier aus, zu Hülfe gerufen von den Samiern, welche nachmals Cydonia auf Kreta gestiftet haben. Es hatte Polykrates den Kambyses, Cyrus Sohn, als Derselbe ein Heer gegen Aegypten zusammenzog, durch Gesandte ersucht, daß er durch Gesandte nach Samos auch ihn um ein Heer angehen solle. Kambyses sandte, als er Dieß hörte, gerne nach Samos, mit dem Ansuchen, Polykrates möchte ihm ein Schiffsheer nach Aegypten mitgeben. Da las er diejenigen Bürger aus, die er am meisten zum Aufruhr geneigt argwöhnte, und schickte sie auf vierzig Dreirudern ab, gab aber dem Kambyses auf, sie nicht mehr nach Hause zu schicken.
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