Handlungsfeld: Transformationale Führung
Im Handlungsfeld Transformationale Führung wird das Führungsverständnis der Institution in den Blick genommen. Ein Magnet-Krankenhaus zeichnet sich durch einen transformationalen Führungsansatz aus, d.h. durch Führungskräfte, die sich durch folgende vier Verhaltensweisen, die sog. vier »I« der Transformationalen Führung, auszeichnen (Bass und Riggio 2006):
• Die Führungskraft hat eine Vorbildfunktion inne, die sich auf fachliches wie auch auf zwischenmenschliches Handeln bezieht (Idealized influence). Sie zeichnet sich aus durch Integrität und Glaubwürdigkeit aus.
• Es gelingt ihr, Vision, Sinn und die Bedeutung des Handelns zu vermitteln. Sie führt somit mit einer inspirierenden Motivation (Inspirational motivation).
• Eine transformationale Führungskraft fördert dabei die intellektuelle Anregung, beispielsweise durch eine Verteilung von Arbeitsaufgaben (Intellectual stimulation) Es ist ihr Anliegen, die kreativen und innovativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden zu fördern.
• Gleichzeitig zeichnet sie sich in ihrer Führungsrolle durch eine Beachtung und Wertschätzung der Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden aus (Individualized consideration) aus. Die individuelle Unterstützung und Entwicklung von Fähigkeiten und Stärken spielen eine zentrale Rolle in ihrer Ausübung der Führungsfunktion.
Das Konzept des Magnet-Krankenhauses betont, dass es im Sinne des transformationalen Führungsverständnisses Führungskräfte als Vorbilder braucht, die Mitarbeitende motivieren. Auch die Bedeutung gemeinsamer Zielvorstellungen wird betont, ebenso wie die Schaffung von Möglichkeiten zur Teilhabe am Führungsprozess. Regelmäßige Mitarbeitergespräche mit gemeinsamen Zielformulierungen, wie auch Anreize, beispielsweise mittels entsprechend gestalteter Vergütungssysteme oder Aufstiegsmöglichkeiten für Mitarbeitende, können hier bedeutende Maßnahmen sein. Eine Partizipation am Führungsprozess wiederum lässt sich durch Präsenz der Führungskraft, ein betriebliches Vorschlagswesen und die Arbeit mit Qualitätszirkeln fördern. Des Weiteren gilt es somit auch im Sinne des Magnet-Modells für Führungskräfte Kreativität und Innovation zu fördern und Mitarbeitende zu entwickeln. Gleichzeitig sollte die Unternehmung Maßnahmen vorsehen, die Führungskräfte in dieser herausfordernden Ausübung ihrer Führungsrolle unterstützen, beispielsweise durch das Angebot von Coaching. Obige Ausführungen lassen zugleich eine Vielzahl institutioneller und personenbezogener Spannungsfelder deutlich werden: Welches Führungsverständnis prägt die Unternehmung? Welche Perspektiven haben Führungskräfte mit Blick auf ihre Mitarbeitenden, trauen sie ihnen beispielsweise die Übernahme von Verantwortung für die eigenständige Durchführung von Aufgaben zu?
Handlungsfeld: Beispielhafte Professionelle Praxis
Die Beispielhafte Professionelle Praxis beschreibt eine institutionelle Verankerung evidenzbasierter Pflege im Krankenhaus, das Vorhandensein einer unterstützenden Dokumentation, eine interdisziplinäre, organisationsübergreifende Zusammenarbeit sowie die umfassende Einarbeitung neuer Mitarbeitender. Konkret bedeutet dies die Förderung der Akademisierung der Pflege, ein professionelles Pflegeverständnis sowie die Sicherstellung der Autonomie der Berufsgruppe, aber auch das Vorhandensein und die Anwendung von Einarbeitungskonzepten.
Handlungsfeld: Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen
Das Handlungsfeld Neues Wissen, Innovationen und Verbesserungen fokussiert die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen, das Vorhalten von Fachliteratur, die Durchführung von Pflegeforschung wie auch die Implementierung eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Operativ kann dies beispielsweise in der Übernahme von Fortbildungskosten, im regelmäßigen Umlauf von Fachzeitschriften aber auch der Freistellung für Pflegeforschung Ausdruck finden.
Handlungsfeld: Empirische Überprüfung
Als fünftes, letztes Handlungsfeld ist die Empirische Überprüfung der Ergebnisse zu nennen. Magnet-Krankenhäuser charakterisieren sich dadurch, dass sie regelmäßig Daten beispielsweise zur
• Versorgungsqualität,
• Patientenzufriedenheit und
• Einweiserzufriedenheit
erheben. Auch führen sie regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durch, um mitarbeiterbezogene Ziele im Blick zu behalten. Auch Maßnahmen des Personalcontrollings wie auch ein Benchmarking hinsichtlich verschiedener Parameter fallen in diese Kategorie.
Abschließend soll auch ausgehend von diesem Beispiel der Zusammenhang zwischen einer normativen Wertorientierung und der Empirie nochmals illustriert werden. Zum Magnet-Modell existieren zahlreiche Studien, die beispielsweise Zusammenhänge zwischen der Zertifizierung eines Krankenhauses als Magnet-Krankenhaus, d.h. einer Art Feststellung, dass oben illustrierte Merkmale zumindest zu einem gewissen Grad in einem Krankenhaus gegeben sind, und der Erreichung zentraler Ziele aufzeigen. Dies gilt dabei sowohl für soziale Ziele wie auch für leistungsbezogene Aspekte wie vor allem Versorgungsqualität. Studien zeigen, dass sich Magnet-Krankenhäuser im Vergleich zu Nicht-Magnet-Krankenhäusern basierend auf Befragungen von Pflegenden durch bessere Arbeitsbedingungen, besser ausgebildete Fachkräfte, eine höhere Arbeitszufriedenheit, weniger Burnout und weniger Fluktuation auszeichnen (z.B. Kelly u.a. 2011). Gleichzeitig zeigt sich, dass die Qualität offenbar profitiert, im Vergleich mit Nicht-Magnet-Krankenhäusern zeigt sich in Magnet-Krankenhäusern beispielsweise eine geringere Mortalität allgemein wie auch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit nach Komplikationen (z.B. McHugh u.a. 2013). Am Anfang steht hier jedoch auch das Normative: die Zielsetzung, ein Krankenhaus zu gestalten, dass sich durch exzellente Pflege und eine hohe Versorgungsqualität auszeichnet. Die Empirie kann somit durchaus helfen, Zusammenhänge zwischen normativen Orientierungen und Zielgrößen zu identifizieren, und somit auch für normative Entscheidungen Argumente bieten. Das »Sollen« muss jedoch das Management definieren, die Empirie kann helfen, Folgen und Zielerreichung abzubilden.
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