Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2022
© 2022 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim
www.rosenheimer.com
Titelfoto: © Melli’s by Photographie Hruschka, Mayrhofen
Lektorat: Christine Rechberger, Rimsting
Satz: SATZstudio Josef Pieper, Bedburg-Hau
eISBN 978-3-475-54907-6 (epub)
Worum geht es im Buch?
Roswitha Gruber
Eine eigenwillige Bauerntochter
Als jüngste von acht Geschwistern verbringt Ursula auf dem ärmlichen Einödhof ihrer Eltern eine sehr behütete Kindheit. Schon früh weiß sie, sie möchte alles werden, nur nicht Bäuerin. Doch im Alter von 18 Jahren verliebt sie sich in den Sohn eines begüterten Bauern. Damit scheint ihr Weg vorgezeichnet. Der Zweite Weltkrieg wirbelt allerdings ihre Lebensplanung völlig durcheinander, und das Schicksal hält für sie zahlreiche Erschütterungen bereit. Trotz allem geht Ursula unbeirrt ihren Weg und meistert alle auftauchenden Schwierigkeiten.
Roswitha Gruber widmet sich der Schilderung starker Frauen mit außergewöhnlichen Lebensgeschichten. Für jeden ihrer Romane recherchiert sie ausführlich und nähert sich in langen, intensiven Gesprächen dem Schicksal ihrer Protagonistinnen an. Roswitha Gruber lebt und arbeitet in Reit im Winkl.
Inhalt
Die Vorgeschichte Die Vorgeschichte Anfang Februar 2021 erhielt ich von Annemarie, einem Fan aus Dorfen, einen dicken Brief. In dem Umschlag befand sich unter anderem ein Zeitungsblatt mit einem ganzseitigen Bericht unter der Überschrift: »Es musste halt jemand machen«. Darin wurde Ursula vorgestellt, eine Frau Jahrgang 1923, die in Erding lebte. »Vielleicht wäre das eine Geschichte für dich«, stand in dem ausführlichen Begleitschreiben. »Du könntest gewiss ein Buch daraus machen.« In der Tat verrieten mir die Fotos und der Text so viel Interessantes über diese Frau, dass ich neugierig wurde. Sogleich begab ich mich auf »Spurensuche«. Mit »detektivischem Spürsinn« fand ich schnell die Telefonnummer der Tochter der alten Dame heraus. Meinen Anruf hielt sie zunächst für einen Scherz. Nachdem ich sie davon überzeugen konnte, dass ich es ernst meinte, antwortete sie: »Warum nicht?«, und lud mich ein, damit ich ihre Mutter interviewen konnte. Dazu muss ich vorausschicken, dass zu der Zeit die ganze Welt noch unter der Corona-Pandemie litt. Da wir bereits alle, das heißt, die Gastgeberinnen, mein Mann und ich gegen Corona geimpft waren, stand einem Besuch nichts im Wege. Wie immer hatte ich mir vor dem Besuch zahlreiche Fragen aufgeschrieben, die ich der Frau stellen wollte. Unter jeder Frage hatte ich genügend Platz gelassen für die Antworten. Die alte Dame empfing mich freundlich am gedeckten Kaffeetisch. Ihre Tochter Annemie hatte bereits alles vorbereitet. Bei Kaffee und Kuchen wurde es ein gemütlicher und ergiebiger Nachmittag für mich. Bei manchen Fragen musste sich Ursula erst besinnen, ehe die Antwort erfolgte. Bei anderen lächelte sie verschmitzt und kam nur zögerlich mit ihrer Erzählung heraus. Bereits am folgenden Tag begann ich damit, die Antworten zu sichten, und erstellte mir, wie zu Beginn eines jeden Buches, erst einmal die Stammtafel, damit ich weiß, wer wohin gehört. Nun folgte die Einteilung in Kapitel, und schon legte ich los. Nach einigen Seiten tauchten bei mir neue Fragen auf, die mir Ursula am Telefon zu meiner Zufriedenheit beantwortete. Das Ergebnis liegt nun vor Ihnen, und ich hoffe, dass Sie beim Lesen von Ursulas Geschichte genauso viel Freude haben, wie ich sie beim Schreiben hatte. Roswitha Gruber
Die Suche
Bei uns daheim
Im Pflichtjahr
Das Waldfest
Ami-Liebchen
Eine Vernunftheirat
7. Tagesmutter für Martina
Pflegemutter für Gerald und Harald
Neue Geldquellen – neue Aufgaben
Unruhiger Lebensabend
Nachtrag (Roswitha Gruber erzählt)
Die Vorgeschichte
Anfang Februar 2021 erhielt ich von Annemarie, einem Fan aus Dorfen, einen dicken Brief. In dem Umschlag befand sich unter anderem ein Zeitungsblatt mit einem ganzseitigen Bericht unter der Überschrift: »Es musste halt jemand machen«. Darin wurde Ursula vorgestellt, eine Frau Jahrgang 1923, die in Erding lebte.
»Vielleicht wäre das eine Geschichte für dich«, stand in dem ausführlichen Begleitschreiben. »Du könntest gewiss ein Buch daraus machen.«
In der Tat verrieten mir die Fotos und der Text so viel Interessantes über diese Frau, dass ich neugierig wurde. Sogleich begab ich mich auf »Spurensuche«. Mit »detektivischem Spürsinn« fand ich schnell die Telefonnummer der Tochter der alten Dame heraus. Meinen Anruf hielt sie zunächst für einen Scherz. Nachdem ich sie davon überzeugen konnte, dass ich es ernst meinte, antwortete sie: »Warum nicht?«, und lud mich ein, damit ich ihre Mutter interviewen konnte. Dazu muss ich vorausschicken, dass zu der Zeit die ganze Welt noch unter der Corona-Pandemie litt. Da wir bereits alle, das heißt, die Gastgeberinnen, mein Mann und ich gegen Corona geimpft waren, stand einem Besuch nichts im Wege.
Wie immer hatte ich mir vor dem Besuch zahlreiche Fragen aufgeschrieben, die ich der Frau stellen wollte. Unter jeder Frage hatte ich genügend Platz gelassen für die Antworten.
Die alte Dame empfing mich freundlich am gedeckten Kaffeetisch. Ihre Tochter Annemie hatte bereits alles vorbereitet. Bei Kaffee und Kuchen wurde es ein gemütlicher und ergiebiger Nachmittag für mich.
Bei manchen Fragen musste sich Ursula erst besinnen, ehe die Antwort erfolgte. Bei anderen lächelte sie verschmitzt und kam nur zögerlich mit ihrer Erzählung heraus.
Bereits am folgenden Tag begann ich damit, die Antworten zu sichten, und erstellte mir, wie zu Beginn eines jeden Buches, erst einmal die Stammtafel, damit ich weiß, wer wohin gehört. Nun folgte die Einteilung in Kapitel, und schon legte ich los. Nach einigen Seiten tauchten bei mir neue Fragen auf, die mir Ursula am Telefon zu meiner Zufriedenheit beantwortete.
Das Ergebnis liegt nun vor Ihnen, und ich hoffe, dass Sie beim Lesen von Ursulas Geschichte genauso viel Freude haben, wie ich sie beim Schreiben hatte.
Roswitha Gruber
Die Suche
Ehe ich von mir erzähle, möchte ich erst etwas über meine Eltern berichten. Mein Vater Kasper, 1880 geboren, war der zweite Sohn des Bauern von Haselöd, das in der Nähe von Dorfen liegt. Wie alle Bauernkinder musste er von klein auf im Betrieb mitarbeiten. Im Gegensatz zu manch anderem Kind tat er das mit großer Begeisterung und hatte keinen anderen Wunsch, als Bauer zu werden. Zu seiner Enttäuschung erfuhr er noch vor der Schulentlassung, die damals nach siebenjähriger Schulzeit erfolgte, dass nicht er den elterlichen Hof erben würde, sondern Matthias, sein älterer Bruder. Der Gedanke, bei diesem als Knecht dienen zu müssen, behagte ihm aber gar nicht. Deshalb entschloss er sich, ein Handwerk zu erlernen, damit er sich in absehbarer Zeit sein Brot selbst verdienen könne. Die Eltern erlaubten ihm, zu einem Zimmerer in die Lehre zu gehen, wenn auch schweren Herzens. Denn sie mussten, wie das damals noch üblich war, Lehrgeld für ihn zahlen. Obwohl der Hof genug abwarf, schmerzte es sie, Geld für den Sohn auszugeben, das sie lieber in den Betrieb gesteckt hätten. Der Lehrherr wohnte so weit weg, dass Kasper den Weg nicht täglich zu Fuß zurücklegen konnte, Verkehrsmittel hatte man noch nicht. Also wohnte der junge Bursche die ganze Woche über dort und kam nur am Samstagabend heim. Mit 16 legte er die Gesellenprüfung ab und wurde von seinem Meister ob seiner Tüchtigkeit übernommen. Die Arbeit machte ihm zwar Spaß, aber im Grunde seines Herzens wäre er lieber Bauer gewesen.
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