»Eine Mitgift bringt uns unserem Ziel gewiss ein Stückl näher, aber darauf kommt es mir gar nicht so sehr an, viel wichtiger ist, dass du aus der Landwirtschaft kommst und so gerne Bäuerin sein willst, wie ich Bauer sein will.«
»Ja, das kann ich dir versichern. Ich wüsste wirklich nicht, was ich lieber täte. Von klein auf bin ich nicht nur mit allem vertraut, was zu einem bäuerlichen Haushalt gehört, sondern auch mit allen Feld- und Stallarbeiten.«
»Das ist ja großartig! Weißt aber, was trotzdem die Hauptsache ist?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dass du mich magst!«
Seine Worte erschienen ihr so ehrlich, dass sie sich widerstandslos von ihm in die Arme nehmen und ein Busserl auf den Mund drücken ließ.
»So, das war unser Verlobungskuss«, stellte der Kasper fest. »Jetzt gehörst zu mir. Meinem Bruder werde ich noch heute klarmachen, dass du bereits vergeben bist, damit er nicht doch noch auf die Idee kommt, um dich zu werben.«
Anna durchströmte eine solche Seligkeit, von der sie nie gedacht hätte, dass es so etwas gibt. Um auch etwas zu ihrer baldigen gemeinsamen Zukunft beizutragen, versicherte sie ihrem Verlobten, dass sie sich von nun an ebenfalls umhören werde, ob nicht irgendwo ein Bauernhof zu kaufen sei.
In der Zwischenzeit waren sie schon ziemlich nah an ihr Zuhause herangekommen. Als es in Sichtweite war, verabschiedete sich der Jungmann mit einem weiteren Kuss und dem Versprechen, sie am folgenden Sonntag abzuholen.
Die ganze Woche über ging Anna wie auf Wolken. Er hielt Wort. Sie machten einen ausgedehnten Spaziergang durch die Flur, es gab ja noch so viel zu besprechen für ihre gemeinsame Zukunft. Dennoch blieben sie von Zeit zu Zeit stehen zu einem Busserl.
Von nun an holte Kasper seine Braut alle zwei Wochen zu einem Spaziergang ab. Jedes Mal versuchte sie in seinem Gesicht zu lesen, ob er in Sachen Hofsuche schon weiter gekommen war. Leider reagierte er auf ihren fragenden Blick immer mit der Antwort: »Wir müssen Geduld haben, Herzerl. Wir werden schon noch was finden.«
Als der Viehhändler wieder einmal Besuch auf Birkenöd machte, fragte er siegesbewusst: »Und, Anna, bist mit dem Matthias einig geworden?«
Sie antwortete kurz und knapp mit »Nein«. Da stand dem Jakob die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Doch schnell hatte er sich wieder gefasst und schlug ihr ganz geschäftsmäßig vor: »Dann werde ich mich halt weiter für dich umschauen. Heiratswillige Hoferben gibt’s mehrere.«
»Die Mühe kannst’ dir ersparen, Jakob. Wenn der Matthias auch nicht angebissen hat, auf Haselöd habe ich trotzdem einen Hochzeiter gefunden.«
»Wie? Was?«, fragte der Schmuser überrascht.
»Ja, den Kasper, den Zweitgeborenen.«
»Aber geh, Anna! Du hast mir doch ausdrücklich angeschafft, dass ich für dich eine Einheirat finden soll. Der Kasper ist Zimmerer und wird den Hof nie erben. Es sei denn, den Matthias würde ein Unglück treffen. Aber darauf wollen wir nicht hoffen.«
»Nein, Gott bewahre! Natürlich nicht. Einen Hochzeiter hast du mir verschafft, wenn auch um die Ecke herum. Nun musst du für uns nur noch einen Bauernhof finden, der zum Verkauf ansteht, damit wir heiraten können. Dein Schaden soll es nicht sein.«
Der Händler schob seinen Hut zurück und kratzte sich oberhalb der Stirn. Offensichtlich war das die Pose, in der er am besten nachdenken konnte. Endlich machte er den Mund auf: »Da wüsste ich um Dorfen herum absolut nichts. Selbst im weiteren Umkreis ist mir nichts bekannt.«
»Nun ja, es muss nicht direkt um Dorfen herum sein. Eine andere Gegend wäre uns auch recht, zum Beispiel um Erding, Altötting oder Wasserburg. Das ist ja alles nicht aus der Welt. Es muss auch nicht unbedingt ein Einödhof sein. Wir würden auch einen Hof nehmen, der mitten in einem Dorf liegt und der seine Felder außerhalb hat.«
Erneut kratzte sich Jakob am weit hinten beginnenden Haaransatz und meinte: »Da müsste ich meine Kollegen ansprechen. Einige von denen treffe ich gewiss auf dem nächsten Viehmarkt in Erding.« Doch auch bei seinem folgenden Besuch auf Birkenöd brachte Jakob nicht die ersehnte Neuigkeit.
Nachdem sich das junge Paar ein gutes Jahr lang kannte, sah Anna dem strahlenden Gesicht ihres Verlobten an, dass er eine gute Nachricht für sie haben musste. Die hatte er tatsächlich. Er hatte auf einem Einödhof Reparaturarbeiten durchgeführt. Dieser wurde von einem älteren kinderlosen Ehepaar bewirtschaftet, das sich entschlossen hatte, den Hof auf Rentenbasis abzugeben. Er lag etwa 15 Kilometer sowohl von Kaspers Elternhaus als auch von Annas Zuhause entfernt. Da die jungen Leute keine andere Gelegenheit hatten, dorthin zu gelangen, erlaubte Kaspers Vater dem Sohn, am folgenden Sonntag die Kutsche zu nehmen und eines der beiden Pferde vorzuspannen.
Nach zweieinhalbstündiger Fahrt erreichten sie das Anwesen. Der Bauer führte sie bereitwillig in den Wirtschaftsgebäuden herum und schritt mit ihnen die Felder und den Wald ab. Anschließend führte seine Frau die beiden Kaufinteressenten durchs ganze Haus, vom Keller bis zum Dachboden. Das Anwesen mit allem drum und dran hätte den jungen Leuten schon gefallen. Wohngebäude und Stallungen machten einen guten Eindruck. Aber je länger Anna mit der Bäuerin beisammen war, desto unguter wurde das Gefühl, das sie beschlich. Endlich setzte man sich in der Stube an den Tisch, wo der Bauer seine finanziellen Wünsche zur Sprache brachte. Bei den genannten Zahlen machte Anna große Augen. Außer, dass sie den Wert einer Kuh oder eines Kalbes einschätzen konnte, hatte sie keine Erfahrungen in Gelddingen. In diesem Punkt verließ sie sich ganz und gar auf Kasper, der als Handwerker öfter mit Finanziellem zu tun hatte. Aber auch der gab keinen Kommentar zu den Ausführungen des Bauern. Um Bewegung in die Sache zu bringen, fragte die Bäuerin schließlich: »Wie sieht’s aus? Wenn ihr wollt, können wir morgen schon zum Notar gehen.«
Seelenruhig antwortete der Zimmerer: »So schnell geht das freilich nicht. Wir haben alles zur Kenntnis genommen und müssen das in Ruhe miteinander besprechen. Dazu werden wir einige Tage benötigen. Dann melden wir uns wieder.«
»Lasst euch aber nicht zu viel Zeit«, drängte die Bauersfrau. »An unserem Sach sind noch mehr Leute interessiert.«
Als Kasper und Anna wieder auf dem Kutschbock saßen und Richtung Heimat fuhren, blieb ihnen genügend Zeit, alles durchzugehen. Anna hielt sich zunächst mit ihrer Meinung zurück und hörte zu, wie ihr Verlobter seinem Herzen Luft machte: »Also, was die sich einbilden! Die meinen, sie hätten einen Dummen gefunden! Allein, was wir bar auf den Tisch legen sollen, ist schon eine Unverschämtheit. Damit wäre das Anwesen bereits mehr als bezahlt. Wie du gehört hast, erwarten sie darüber hinaus eine horrende monatliche Rente. Gehen wir solche Verpflichtungen ein, kommen wir auf keinen grünen Zweig! Tut mir leid, Anna, dieses Angebot kann ich nicht annehmen, auch wenn wir deshalb mit der Heirat noch warten müssen.«
»Gott sei Dank!«, kam es bei Anna aus tiefstem Herzen.
»Wie? Du bist nicht enttäuscht?«, fragte der junge Mann überrascht.
»Nein, Kasper, kein bisschen. Glaub mir, ich bin zutiefst erleichtert über deine Entscheidung. So brauche ich dir diesen Hof wenigstens nicht auszureden.«
»Und was ist es, was dich abschreckt?«, wollte er wissen.
»Abgesehen davon, dass die Bäuerin sehr herrisch ist, gesteht sie uns nur eine einzige Kammer zu. Sie meinte, Küche, Stube und alles andere könnten wir gemeinsam nutzen. Damit wäre der Unfriede im Haus vorprogrammiert. Dabei gibt es im Haus genug freie Zimmer, von denen sie uns einige überlassen könnte.«
»Ja, das ist mir bei dem Rundgang auch aufgefallen«, bestätigte Kaper.
»Wären die Bauersleute über neunzig, würde ich dieses Wagnis vielleicht noch eingehen«, fuhr Anna in ihren Erklärungen fort. »Da beide aber erst Anfang fünfzig sind, ist davon auszugehen, dass wir womöglich dreißig Jahre mit ihnen zusammenleben müssten. Das scheint mir nicht verlockend. Und wie würde es erst sein, wenn Kinder kommen? Gewiss, die Kammer, die sie uns zugedacht hat, ist sehr geräumig. Darin hätten außer unserem Bett auch noch einige Kinderbettchen Platz. Aber die armen Kinder würden sich im ganzen Haus nicht rühren dürfen. Nein, nein, das will ich ihnen nicht antun. Wir werden schon noch was Besseres finden.«
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