Beispiel E-Mail 8
Animojis
Eine Analyse aus linguistischer Perspektive
Roberto Tanchis & Leonie Walder
In unserer vom Internet geprägten Zeit kommunizieren wir nicht nur mittels unterschiedlicher Kommunikationsmedien , wie zum Beispiel SmartphoneSmartphone, Telefon, ComputerComputer etc., sondern auch über eine Vielzahl von unterschiedlichen Kommunikationsformen , wie zum Beispiel WhatsApp WhatsApp, Snapchat , Instagram Instagram oder E-MailE-Mail.1 Wir sind es gewohnt, verschiedene Kommunikations-Apps parallel zu nutzen und je nach Zweck von AppApp zu App zu wechseln: E-Mail für Geschäftliches, WhatsApp für Freunde und Familie, Snapchat und Instagram Instagram für das Teilen von fotografischen Momentaufnahmen. Dabei wechseln wir häufig nicht nur die Kommunikationsformen und -kanäle, sondern auch zwischen verschiedenen Sprachregistern. Die Art und Weise, wie wir Kommunikationsmittel nutzen, variiert von MediumMedium/Medien zu MediumMedium/Medien und nicht selten auch von Adressat zu Adressat. Je nach Sinn und Zweck einer Nachricht orientieren wir uns mehr oder weniger an konzeptionell Mündlichem, und nicht jeder Empfängerin oder jedem Empfänger schicken wir, wenn überhaupt, die gleiche Anzahl Emojis. Diese auf den ersten Blick unübersichtliche Vielfalt erschwert es Sprachwissenschaftler*innen, den Überblick über alle Kommunikationsformen zu behalten und die verschiedenen Phänomene entsprechend analysieren und einordnen zu können. Hinzu kommt, dass sich die schriftliche und audiovisuelleAudiovisualität Kommunikation den technischenTechnik Neuerungen und Veränderungen schnell anpasst. Da stets neue Apps und Funktionen auf den Markt gebracht werden und die bevorzugten Kommunikationskanäle häufigem Wechsel unterliegen, ist die Forschung gezwungenermassen immer etwas im Rückstand. Zu diesen Neuerungen zählen zum Beispiel auch die im Juni 2017 eingeführten Animojis. Diese eröffnen die Möglichkeit, eine SprachnachrichtSprachnachricht inklusive dynamischer Mimik zusammen mit einer Anzahl animierter Emojis oder mit einem individuell angepassten AvatarAvatar im EmojiEmoji-Stil zu verschicken.
In diesem Aufsatz wollen wir zunächst darlegen, was ein AnimojiAnimoji genau ist (Kap. 2). Hierzu skizzieren wir die Entwicklungsgeschichte hin zu Animojis und widmen uns anschliessend der Frage, wie mit Animojis kommuniziert wird. Im daran anschliessenden Kapitel folgt eine Beschreibung des Animoji-Phänomens aus linguistischer Perspektive (Kap. 3). Hier untersuchen wir das Phänomen auf mehreren Ebenen: Zuerst fokussieren wir uns auf die visuelle Ebene und setzen Animojis in Relation zu den (allgemein bekannten) Emojis. Für die Analyse der auditiven Ebene vergleichen wir, in welchen Aspekten sich Animojis von Sprachnachrichten unterscheiden. Diese beiden Punkte führen zur Synthese, dass Animojis als audiovisuellesAudiovisualität Phänomen aufzufassen sind. Vor diesem Hintergrund gehen wir anschliessend auf die praktische Verwendung von Animojis ein (Kap. 4) und zeigen auf, wie mit Animojis kommuniziert wird. Im abschliessenden Kapitel (Kap. 5) fassen wir die Ergebnisse unserer Untersuchung in einem Résumé zusammen und geben eine Prognose dazu ab, wohin die Auseinandersetzung mit Animojis führen könnte.
2 Was ist ein AnimojiAnimoji?
2.1 Entwicklungsgeschichte
SmartphonesSmartphone haben sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel überhaupt entwickelt. Mit WhatsApp WhatsApp oder anderen Nachrichtenapplikationen auf dem HandySmartphone können wir in ständigem Kontakt mit Menschen auf der ganzen Welt sein, unabhängig davon, wo wir uns gerade befinden. Digitale KommunikationKommunikationdigitale funktioniert so praktisch gänzlich ortsungebunden (siehe König/Hector 2017: 4). Ein weiterer Vorteil ist die schnelle Übertragungsgeschwindigkeit. Nicht zuletzt dadurch hat sich die Tendenz von der Versendung von Nachrichten mit hoher Informationsdichte (wie z.B. Briefen) hin zur Kommunikation durch knappere Einzelnachrichten verstärkt. Die Geschichte des Briefes – der trotz SmartphonesSmartphone nicht von der Bildfläche verschwunden ist, sondern ein neues, wenn auch kleineres und spezifischeres Feld innerhalb der Kommunikation abdeckt – zeigt aber auch, dass ältere Kommunikationsmittel in der Regel nicht einfach durch neuere Entwicklungen ersetzt, sondern ergänzt werden. So öffnet sich tendenziell ein immer breiteres Feld unterschiedlicher Kommunikationskanäle, die parallel verwendet werden und je einen spezifischen Aufgabenbereich abdecken.
Jüngste Entwicklungen scheinen diesen Trend zu bestätigen: Immer wieder werden Applikationen eingeführt, die gezielt für einen bestimmten Kontext konzipiert wurden. Ein Beispiel dafür ist der webbasierte Instant-MessagingInstant-Messanging-Dienst Slack , der mit unterschiedlichen Tools wie einer Chatfunktion, To-do-Listen etc. spezifisch für die Kommunikation in beruflichen Teams entwickelt wurde. In den letzten Jahrzehnten haben sich Technologien wie Handschriftenerkennung, Bildverarbeitung, Gesichtsdetektion und -identifikation zudem so weiterentwickelt, dass nicht nur stillstehende Objekte verarbeitet werden können, sondern auch sich bewegende Objekte (Körperverfolgung) – eine technischeTechnik Voraussetzung für die Produktion von Animojis. Interessant ist in dem Zusammenhang auch, wie sich die visuelle und auditive Ebene weiterentwickelt haben: Bei den ersten SprachassistentenSprachassistenz wie Alexa Alexa von Amazon, Cortana von Microsoft, Assistant von Google und Siri Siri von Apple wurde z.B. der Fokus auf die mündliche Kommunikation gelegt. Auch die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation via MaschineMaschine wird immer weiter ausgebaut. Diese Entwicklungen ermöglichen die Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen. Schenk und Rigoli (2010: 3) nennen als wichtigste den visuellen (Bildschirm) und den auditiven Kanal (Lautsprecher). Für die Produktion von Animojis sind Kamera, Mikrofon und Touchscreen von Bedeutung. Aber auch innerhalb der neuen digitalen KommunikationsmedienKommunikationdigitale gibt es laufend Erweiterungen und neue Funktionen. So kamen zu den Emoticons (bestehend aus Klammern und Interpunktionszeichen) die Emojis, animierte GIFsGIF, Sticker, unterschiedliche Schriftarten und verschiedene Nachrichteneffekte (wie z.B. Konfetti, das eine Nachricht auf iMessage iMessage begleiten kann) hinzu. Weiter wurde das Versenden von Fotos, Videos und von Sprachnachrichten ermöglicht, die textbasierte Nachrichten ersetzen oder ergänzen können (siehe Stark 2018). Zu dieser grossen Palette digitaler KommunikationsmöglichkeitenKommunikationdigitale hat sich, wie erwähnt, im Jahr 2017 das AnimojiAnimoji hinzugesellt, dem wir uns nun im Folgenden ausführlicher widmen werden.
2.2 AnimojiAnimoji: Beschreibung des digitalen Phänomens
Zunächst soll erläutert werden, was ein AnimojiAnimoji überhaupt ist. Herring et al. (2020: 1) beschreiben Animojis folgendermassen: «[U]sers can video chat and send video clips of themselves speaking through large-format emoji that mirror movements of the sender’s head, mouth, eyes, and eyebrows in real time». Ein Animoji ist also ein grossformatiges, animiertes 3D-EmojiEmoji, welches die Mimik der aufgenommenen Person auf das Emoji überträgt und die parallel dazu aufgenommenen Sprachbotschaften wiedergibt. Kurz: Es kombiniert die bekannten Emojis mit der Stimme der Person zu einem Videoclip – deshalb auch die Bezeichnung Animoji , was ein Portmanteau-Wort aus Animation Animation und Emoji ist.
Um Animojis zu verwenden, wird zuerst die gewünschte EmojiEmoji-Maske ausgewählt, zum Beispiel der Kopf einer Kuh (siehe Abb. 1), anschliessend wird eine Nachricht in die Frontkamera des HandysSmartphone gesprochen, die von dem AnimojiAnimoji wiedergegeben wird. Neben der Nutzung von vorgefertigten, meist aus den Emojis bekannten Gesichtzeichen besteht auch die Möglichkeit, ein personalisiertes Animoji zu erstellen, welches das eigene Gesicht repräsentieren soll und dementsprechend nach dem eigenen Vorbild gestaltet wird (siehe ebenfalls Abbildung 1 und 2 oben). Solche Avatare werden Memojis genannt. Diese Memojis können statisch als Sticker – wie Emojis (siehe Abb. 2) – oder als Aufzeichnungen eines animierten Bildes versendet werden. Die personalisierbaren Elemente der Memojis schliessen zum Beispiel Festlegungen zur Frisur, zu Haut- und Augenfarbe, Make-up und Piercings ein. Im Unterschied zu Animojis ist die Funktion der MemojiMemoji-Sticker mit denen von ‹normalen› Emojis vergleichbar. Beide werden als statische Bildzeichen verwendet, und beide können dazu genutzt werden, schriftliche Äusserungen zu ergänzen oder zu kommentieren. Im Folgenden werden wir aber nicht weiter auf diese statischen Elemente eingehen, wir konzentrieren uns vielmehr auf die Funktion und die Art der Verwendung von animierten Memojis und Animojis. Immer wenn hier von Animojis die Rede ist, sind also animierte Animojis gemeint – und auch animierte Memojis mitgedacht. Memojis stellen nämlich eine Unterkategorie von Animojis dar und werden, abgesehen von der vorhergehenden Gestaltung, identisch verwendet.
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