Henriette geht zu Babett und dem großen Mann zurück, der sie sehr interessiert und neugierig anschaut. Biere werden auf den Tisch gestellt, Gläser auch olle, schmuddelige Gläser, was soll’s, die Party beginnt. Spät abends tanzen Babett und Henriette mit dem Schmied und dem großen Mann, der sich Frank nennt, in der Werkstatt. Zwischen alten Autoreifen, Werkzeugen an den Wänden, Öl und dreckigen Lappen. In Windeseile hatten die beiden Lautsprecher aufgestellt und das Licht gedimmt.
„Echt witzig“, befindet Henriette ob der plötzlichen Geschäftigkeit von Frank und dem Schmied.
Absurd, absurd, denkt Henriette nach dem ersten Wein; Frank gefällt ihr immer besser, beim Abschied gibt er ihr seine Telefonnummer. Er wirkt so ehrlich und nachdenklich dabei. Auch Henriette ist neugierig geworden. Gut gelaunt treten sie den Heimweg an.
„Erzähl das bloß nicht meinem Mann!“
Babett schaut Henriette an.
„Ich doch nicht.“
Welch Misstrauen, denkt Henriette, ich sitz doch in der Kacke und nicht sie. Oder? Sie auch?
Abends fällt Henriette in einen tiefen Schlaf. Definitiv hat sie zu viel getrunken. Henriette fährt Straßenbahn. Ihre rote Tasche liegt auf einem kleinen Sims, das Portemonnaie guckt dort heraus. Sie begibt sich zu ihrer Freundin. Eine andere Frau steigt mit ihrem Kind ein und setzt sich auf Henriettes Platz, die irgendwie nichts dabei findet. Und auch nicht ihre Tasche holt. Plötzlich muss Henriette aussteigen. Aus einem unerfindlichen Grund denkt sie, dass sie später an einer anderen Haltestelle wieder einsteigen wird und die Tasche dann immer noch dort liegen würde. Mit dieser Gewissheit geht sie nach Hause. Dort überfällt sie die nackte Angst. Wie kann das sein? Sie rast zur übernächsten Haltestelle, keine Bahn, keine Tasche, kein Portemonnaie, keine Frau, kein Kind. Ihr wird klar, dass das alles weg ist. Panik und Angst vor Verlust macht sich breit. Sie wundert sich im Traum, dass sie so denken konnte. Die Bahn später einzuholen. Zeit existiert nicht.
Am nächsten Morgen sieht sie, wie kleine Ameisen den Weg auf den Tisch gefunden haben, wie, bleibt Henriette rätselhaft. Sie findet keine Spur, keine Fährte. Dann setzt sie Wasser auf, sie muss sich einen Kaffee machen, über ihren Traum nachdenken.
Männerfantasien – Kaviar
„Bist du schon lange hier?“, fragt Lea Michaela, die gerade neben ihr sitzt. Die Haare blond, toupiert, große Oberweite, wahrscheinlich Silikon oder auch nicht. Lea hat dafür keinen Blick. Strapse und Schuhe mit mindestens zwölf Zentimeter Absatz.
„Ja, schon zehn Jahre, ist der beste Laden hier für Frauen.“
„Echt? Ja, kann sein, ich hab ja auch nur diesen hier angepeilt.
Weil er von einer Frau geführt wird.“
„Das hat nicht immer was zu sagen“, berichtigt Michaela, „ich war vorher in einem Bordell auf einem Dach mit Swimmingpool und so, den hat auch ’ne Frau geführt. Da kam ich so als Brot an vom Dorf und die war nicht ohne, die Frau, hat uns immer angetrieben.“
„Wie denn angetrieben?“
„Naja, wir sollten Französisch ohne machen und Kaviar!“
„Kaviar? Noch nie gehört! Was’n das!“
„Hm,“ Michaela räuspert sich und schaut zur Hausdame.
„Das ist nicht so lecker, Laura isst grade!“
„Ach, erzähl nur!“, feixt die Hausdame mit vollem Mund und schluckt noch schnell den Bissen ihrer Stulle hinunter.
„Naja, Kaviar ist Kacke essen!“
„Was?“, schreit Lea verhalten auf, „das gibt’s? Das ist doch …!“
„Nichts Seltenes!“, bekräftigt Michaela, „das gibt’s nicht zu knapp. Denen schmeckt das.“
Die Hausdame und die Mädchen auf den Sofas kreischen und schreien: „Iiiiieeeeh.“
Sandra, eine schwarzhaarige mit für Leas Geschmack zu kantigem Po fällt den Mädchen ins Wort:
„Also ich antworte ab und zu im Internet auf solche Suchanzeigen, für so eine Session bekommst du dreihundert Euro, aber einen Tag vorher muss ich es wissen, wegen Abführmitteln und so!“
Die Hausdame schaut Lea vielsagend an. Michaela grinst:
„Ich weiß, wie es geht. Aber ich fand’s auch eklig. Und die Typen, denen siehst du das nicht an!“
„Ja, nee … det siehst du nich’. Anzug, Krawatte, die sehen nicht aus wie Schweine, sondern meistens gepflegt“, stimmt Sandra zu.
Die Frauen sind geübt in Toleranz gegenüber verschiedenen Praktiken, wenn die Frau es auch will. Das ist Grundlage. Stolz.
„O weh, aber hier ja nicht und Französisch ohne auch nicht, nicht mal mit, mach ich hier nicht!“, feixt Lea.
Die Frauen schauen sie erstaunt an. „Hm, naja, wenn du Geld damit verdienen willst!“, wendet Michaela ein und wiegt ihren Oberkörper mit den satten Brüsten hin und her.
„Will ich nicht!“, tönt Lea.
Die Hausdame und Michaela schauen sich mit großen Augen an. Es klingelt. Lea steht auf und schaut hinter den Vorhang, ob der ihr gefallen könnte. Ausnahmen dürfen die Regel bestätigen. Nicht zu jung. Gepflegt ist wichtig. Schick ist wichtig. Sympathisch ist manchmal wichtig. Aber auch wichtig. Nur Deutsche und gepflegt müssen sie sein und irgendwie für den Moment sympathisch. Wenigstens das für später, für den Spiegel, in den sie dann noch schauen will.
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