Am Sonntagnachmittag geht sie mit ihrer Freundin mit den tizianroten Haaren ins Delizie, so bleibt sie jung. Es gab noch eine dritte Frau, die an Festtagen mit ihnen zum Tanztee ging, doch nun hat sie das Gesicht voller Narben: Eines Tages, als sie beim Heimkommen die Tür öffnete, ist das Gas explodiert. Sie ist schlagartig gealtert.
Der Mann, der seiner Tochter die Hand gibt.
«Machen wir grosse Springer beim Runtergehen?», fragt das Kind. Soll heissen: grosse Sprünge.
Sie kommen zu ihrem Haus, einer verlassenen Scheune mitten in den Weinbergen und Kastanienbäumen neben dem Weg, der zum Monte Generoso führt. Das Kind hat dem Papa mit ein bisschen Spucke die Haare gewaschen. Dann haben sie sich auf Chinesisch unterhalten, und das Kind hat eine kleine Bergnelke gepflückt, die chinesisch spricht.
«Da, diesen Moment habe ich schon gesehen. Du, wie du mich so anschaust», sagt das Kind.
«Wie meinst du das, hast du schon gesehen?»
«Ich weiss nicht, es sind Momente, die sich wiederholen.»
Das Kind hat ein weisses Schneckenhaus, eine Handvoll Brombeeren und die roten Früchte der Kornellkirsche gesammelt, Beeren, die Ende August reifen. Sie hat den Hühnern die noch grünen Trauben des Weinstocks hingeworfen. Jetzt versucht sie, auf einem Grashalm zu blasen, den sie zwischen die beiden Daumen gespannt an ihre Lippen hält.
Auch am letzten Sonntag, als ihr Vater sie an einem Tisch im Wirtshaus hinter der grünen Gazosaflasche betrachtete, hatte sie unter ihrem Chicco-dʼOro-Hütchen gelacht. Dann war sie nachdenklich geworden, hatte gesagt:
«Da, jetzt. Wir sind schon einmal so dagesessen. Die Dinge wiederholen sich.»
Der Vater legt sich neben der Scheune ins Gras und betrachtet die Halme, die sich am Spätnachmittag näher herunterbeugen. Er erinnert sich an einen Spaziergang, den er vor vielen Jahren auf diesem Weg gemacht hat. Er war mit Silvana und Renzo beim Beerensammeln. Die gleichen Beeren, die seine Tochter jetzt verwendet, um Halsketten zu machen.
«Was mag aus Silvana geworden sein?», denkt der Vater, im Gras ausgestreckt. Er war mit ihr in den alten, stillgelegten kleinen Bahnhof am Rand der Felder gegangen wie in einem amerikanischen Film; sie aber wollte lieber Beeren pflücken.
Und Renzo? Eine Medaille, mit grau gewordenem Gesicht und leicht verwegener Baskenmütze. Er sieht ihn weit weg und klein, im Spiegel der Bar, wo er ihm das letzte Mal begegnet war: da ist sein Bild, hinter den Aperitif-Flaschen, mit einem beschlagenen Lächeln. Er sieht das Haus im Dorf wieder, wo Renzo sich in Gesellschaft einer Ziehharmonika niedergelassen und wo er ihm die Geschichte des Sakristans aus dem letzen Dorf oben im Tal erzählt hatte, einem, der Die Verlobten seitenweise auswendig konnte: er war fasziniert von Einzelgängern, der Renzo. Einmal hatte er ihm seine Aufzeichnungen gezeigt. Ein Satz fällt ihm ein: «Die Natur ist keine gute Mutter.» Wo hatte Renzo es hergenommen, dieses Zitat? Aus einem Kalender? Aus einem Buch? Oder stammte der Satz von ihm selbst? Dieser Junge verstand von allem ein bisschen was und lehnte Spezialisierung ab. Aber um zu leben, muss man sich spezialisieren. Das ist es, Renzo konnte mit seinem Leben nichts anfangen. Bei der Beerdigung hatte der Pfarrer gesagt, dass ihn die schlechte Gesellschaft ruiniert habe. Eine dumme Pfaffenpredigt. Warum hatte Renzo sich bloss umgebracht? Und warum hatten er und Silvana sich nicht geliebt?
«Hilfe», schreit das Kind von ihrem Haus aus. Wie schön wäre es, diese Scheune mit dem Rosmarin davor zu besitzen und jeden Tag mit dem Vater auf diese Wiese zu kommen, um auf Grashalmen zu blasen!
Jetzt hat sich das Kind die Beeren um den Hals gelegt, eine Kette, die stärker leuchtet im letzen Sonnenlicht.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.