Die primäre Aufgabe des Cheerleading – von englisch cheer ›Beifall‹ und to lead ›führen‹, also sinngemäß »zum Beifall führen« – ist das Anfeuern der eigenen Sportmannschaft und die Animation des Publikums.
JAA – Die Cheerleader sind ganz wichtig. Gäbe es die nicht, würden die beiden Mannschaften aufs Spielfeld kommen und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf einigen, dass sie ins nächste Pub auf ein Bier gehen. Wenn jedoch erotische Frauen auf dem Spielfeld sind, schießt bei uns Männern das Testosteron ein und wir beginnen, um die Frauen zu buhlen. Wir fangen dann zu raufen an, zu streiten und zu kämpfen. Wir Männer machen ziemlich viele Unsinnigkeiten, nur um den Frauen zu gefallen. Meine Damen, ihr denkt euch jetzt, typisch für uns Männer. Aber ähnliche Effekte gibt es auch in der Damenwelt. Stellt euch vor, ihr sitzt mit zwei, drei Freundinnen in eurem Lieblingskaffeehaus. Ihr trinkt einen Cafe Latte. Nicht zu kalt, nicht zu warm. Mit einem Hauch von Kakaopulver. Wegen der schlanken Linie. Auf einmal geht die Türe auf und es erscheint – George Clooney. Da werdet wohl auch ihr in ein anderes Verhaltensmuster wechseln.
Zurück nach Santa Clara. Wo war ich stehen geblieben? Aja! Die Mannschaften laufen gerade ein. Gladiatoren der Neuzeit. Die haben superbreite Schultern. Betont noch durch die Schulterpolster. Kriegsbemalung in den Gesichtern. Und total knackige Hintern. Die Mannschaften stellen sich wie Silberrücken, wie Gorillas in einem Kreis auf und machen eigenartige Brunftgeräusche. Sie schwören sich auf den gemeinsamen Erfolg ein. Klopfen sich gegenseitig anspornend auf die Helme. Der Coach pumpt seine Männer bis über die Haarwurzeln voll mit Selbstvertrauen und Siegeswillen. Yeah. Go for it! You can!
Bevor das Spiel beginnt, singen die Amis sogar noch die Nationalhymne. Die Zuschauer stehen auf und halten ihre Hand aufs Herz. The land of the free and the home of the brave. Das Land der Freien und die Heimat der Braven. Oder so ähnlich. Gut, das war ein Schenkelklopfer. Entschuldigung.
Jetzt beginnt das Spiel. Mit einem Freekick. Die Menge tobt. Es wird um jeden Yard gekämpft. Da bekommt der Quarterback den Ball. Der wirft einen Superpass über sechzig Yards nach vorne. Dort fängt ihn ein Angriffsspieler und rennt damit wie von der Tarantel gestochen los. Über die weiße Linie. Und drischt mit aller Kraft den Ball auf die Erde. Touch Down. Das höchste, was man in diesem Spiel erreichen kann. Sechs Punkte. Der Spieler macht einen Salto und wird von seinen Mitspielern unter einem Knäuel der Begeisterung begraben. Das Stadion explodiert. Applaus brandet auf. Yeah!
Und jetzt nehmen wir die beiden Teams, saugen sie aus dem Stadion in den blauen Himmel Kaliforniens und fliegen sie über den Pazifik. Nach Sibirien. Der Himmel wird grau. Es ist fürchterlich kalt. Minus 24 Grad. Wir stellen die beiden Mannschaften auf eine Wiese, wo niemand ist. Keine Menschenseele weit und breit. Kein Publikum, kein Coach, kein Platzsprecher, kein Hotdog-Verkäufer, keine Cheerleader. Nicht einmal ein Kamtschatka Bär. Wir verbieten den beiden Mannschaften, während des Spiels miteinander zu reden. Jedes Erfolgsritual wird untersagt. Da gibt es kein anerkennendes auf den Helm Klopfen, kein high five, keinen Salto. Leise und brav sollen die spielen. Und außer dem eisigen sibirischen Wind hört man vom Platzsprecherband die ganze Zeit nur monoton Angst, Angst, Angst, Angst, Angst.
Das Spiel im warmen Kalifornien wird wohl ein anderes sein als jenes im frostigen Sibirien. Obwohl es genau dieselbe Sportart ist. Und dieselben Mannschaften.
Hier ein Klima des Erfolges, der Anerkennung, des Selbstvertrauens und der Freude.
Dort keine Aufmunterung, kein Anfeuern, dafür frostige Angst und Unlust.
UNTERLIEBT ♥ Obama, Europa und wir selbst
Was würden Sie sagen? Spielt Europa momentan eher so wie beim Superbowl, strotzend vor Selbstvertrauen und erfolgshungrig oder doch eher eine ängstliche Zitterpartie wie in Sibirien. Hat Europa einen starken Selbstwert? Gut, wir in Österreich sind ja eine Mannschaft der Seeligen. Wir haben ja zwei echte Motivationsbolzen als Coaches. Faymann und Mitterlehner. Und die Mikl-Leitner ist ja auch eine bezaubernde Cheerleaderin. Mikl-Leitner im kurzen Rock und eng anliegendem Top. Man muss sich nicht alles vorstellen. Aber das übrige Europa?
2008 hat Obama bei seinem ersten Wahlkampf die Amis mit einem einzigen Satz aufgerichtet: »Yes, we can!« Die Amis hatten damals nach der Bush-Periode auch ein Selbstwert- und Identitätsproblem. Das passiert sogar denen manchmal. Aber Obama hat den kollektiven Selbstwert wieder gehoben. Von einer ganzen Nation. 320 Millionen Amis.
ist eigentlich ein Zufall gewesen. Der ursprüngliche Wahlslogan hat gelautet Change we can believe in.
Das ist ja fast genauso mitreißend.
Obama hat Yes We Can! während seiner Präsidentschaftsrallye zum 1. Mal in einer Rede nach der Vorwahl in New Hampshire am 8.1.2008 eingesetzt.
Da hat er die Zuhörer gefragt, ob man die großen weltpolitischen Probleme lösen könne, Gerechtigkeit, Weltfrieden, Milchschnitte für alle und so weiter.
Und jedes Mal hat er sich selbst die Antwort gegeben: »Yes, We Can !« (ins Österreichische übersetzt:
»Ja, das müssen wir uns noch anschauen!«)
Und das ist eben voll aufgegangen. Ein Mythos war geboren.
Aber: Yes We Can kommt auch im Lied von Bob, dem Baumeister vor. Im Refrain wird immer wieder gesungen: »Can we fix it? Yes we can!«
Deutsche Übersetzung? »Können wir das schaffen? Yo wir schaffen das!« Die Angie Merkel hat das auch gesagt. Aber ursprünglich ist das von Bob, dem Baumeister.
Yes, We Can!
Was hören wir Europäer seit Jahren? Die Griechen können nicht, die Italiener können nicht – gut, die Mafia kann schon, aber sonst? –, die Spanier können nicht, die Franzosen können auch schon lange nicht mehr. Bleiben offensichtlich nur mehr die Deutschen und die haben auch schon mit VW, der Deutschen Bank und einigen anderen Flaggschiffen so ihre Troubles erlitten. Die Briten sehen sich sowieso als Nichteuropäer und wollen im Club der Verlierer nicht mehr Mitglied sein. Und ständig wird uns Angst gemacht. Angst, Angst, Angst, Angst!
Ist Angsthaben das neue Hobby von uns Europäern? Die neue Extremsportart? Das lähmt schon ein bisschen. Wer hat eigentlich etwas davon, dass wir uns so niedermachen oder so niedergemacht werden? Sind wir Masochisten, einfach nur dumm oder steckt da Absicht und Methodik dahinter? Klar. Die Amis lachen dazu. Ist ja auch lustig, wie wir uns zusätzlich von jeder daher gelaufenen amerikanischen Rating-Agentur auf den Kopf scheißen lassen. Wenn dann jemand wie die Frau Merkel mit einem Mutappell an die Öffentlichkeit tritt, bekommt ihr das nicht gut. Aber da ist sie in bester Gesellschaft. Über die Jahrhunderte hinweg.
Alfons X, el Sabio (der Weise)
Ich bin nur noch der Schatten eines Königs, den man einst Alfons X. den Weisen nannte, aber der Papst und meine eigenen Vasallen haben mich 1282 abgesetzt. Vielleicht waren meine Träume zu groß für dieses Jahrhundert. Dabei standen wir doch unmittelbar vor einem großen Erwachen. Ich hatte das Glück, in Toledo aufgewachsen zu sein, wo mich Bischof Raymond mit seinen christlichen und jüdischen Übersetzern in die Kultur des Islam eingeführt hatte. Ich habe dann den Koran und den Talmud ins Lateinische übersetzen lassen.
Die rühmlichste Tat meiner Regierungszeit war, dass ich in Murcia mit dem moslemischen Philosophen Mohammed Al-Rikuti eine Schule gegründet habe, wo zum ersten Mal in der Welt Christen, Juden und Moslems zugleich lehrten. In Sevilla habe ich dafür gesorgt, dass in den beiden Kultursprachen meiner Zeit, Arabisch und Latein, unterrichtet wurde.
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