94. Pausanias, des Kleombrotus Sohn, wurde nun von Lacedämon als Anführer der Hellenen mit zwanzig Schiffen vom Peloponnes ausgesendet. Auch die Athener schlossen sich mit dreißig Schiffen an, und eine große Zahl von den übrigen Verbündeten. Dann machten sie einen Kriegszug gegen Byzanz (477 v. Chr.), und unterwarfen sich, den größten Theil der Insel, und später gegen Byzanz, das die Perser inne hatten, und eroberten die Stadt.
95. Als aber Pausanias bei dieser Führung des Oberbefehls sich gewallthätig zu betragen anfing, so wurden sowohl die übrigen Hellenen, als besonders die Ionier, und alle die, welche sich neuerlich vom Perserkönig losgerissen hatten, sehr aufgebracht, und wandten sich wiederholt an die Athener, mit dem Unsinnen, sie sollten wegen der Stammverwandtschaft die Oberleitung annehmen, und es nicht dulden, wenn Pausanias etwa Gewalt brauchen wolle. Die Athener genehmigten diese Vorschläge, und machten sich die Sache zur Angelegenheit, da sie dieselbe wicht gleichgültig behandeln, und auch sonst solche Einrichtungen treffen wollten, die ihnen für sich am zweckmäßigsten dürften. Indessen riefen die Lacedämonier den Pausanias zurück, um ihn über das, was sie von ihm vernommen, in Untersuchung zu ziehen; denn von den dorthin gekommen Hellenen wurde ihm manche Ungerechtigkeit zur Last gelegt, und offenbar fand bei ihm mehr eine Art von Alleinherrschaft als Verwaltung der Feldherrnwürde statt. Und es fügte sich, daß gerade zur Zeit seiner Abberufung die Bundesgenossen, mit Ausnahme der Peloponnesischen Truppen, aus Haß gegen ihn, zu den Athenern übergingen. Nach seiner Ankunft zu Lacedämon mußte er zwar wegen besonderer Beleidigungen Einigen Genugthuung leisten: in Betreff der wichtigsten Puncte aber wurde er von der Schuld freigesprochen. Man warf ihm vornehmlich Begünstigung der Perser vor: und diese Beschuldigung hätte sonst als sicher gegründet gegolten. Man schickte ihn nun nicht mehr als Oberbefehlshaber aus, sondern den Dorkis, und neben diesem einige andere, mit unbedeutender Mannschaft. Diesen überließen aber die Verbündeten den Oberbefehl nicht mehr. Als sie dieß wahrnahmen, so kehrten sie zurück. Und später sandten die Lacedämonier keine andere Mannschaft mehr, aus Furcht, ihre Mitbürger möchten durch die Feldzüge verdorben werden, wovon sie an Pausanias ein Beispiel sahen. Zugleich wünschten sie des persischen Krieges los zu sein, und glaubten, die Athener, die damals mit ihnen befreundet waren, seien geeignet, den Krieg fortzuführen.
96. Nachdem nun die Athener das Recht des Oberbefehls auf diese Art durch freien Entschluß der Verbündeten, weil Pausanias verhaßt war, erlangt hatten, so bestimmten De, welche Staaten Geld, und welche Schiffe gegen die Perser liefern sollten. Der Vorwand war, das Erlittene durch Verheerung des königlichen Gebiets zu rächen. Damals zuerst wurde das Amt eines Hellenen-Schatzmeisters bei den Athenern eingeführt, welcher den sogenannten Phoros oder Geldbeitrag einzusammeln hatte. Die erste Anflage betrug vier hundert sechzig Talente: der Sitz der Schatzkammer war Des los, wo auch im Tempel die Versammlungen gehalten wurden.
97. Im Besitze der Vorsteherdschaft über die Bundesgenossen, denen sie anfänglich ihre Freiheit, und eine berathende Stimme auf gemeinschaftlichen Zusammenkünften ließen, haben die Athener in der Zwischenzeit zwischen dem Versischen und diesem Kriege in Verwaltung der öffentlichen Geschäfte, und im Kriege theils gegen die Perser, theils gegen ihre abgefallenen Bundesgenossen, und die jedesmal an diese sich anschließenden Peloponnesier folgende Thaten verrichtet. Ich zeichne dieselben auf, und mache diese Abschweifung in meiner Erzählung deswegen, weil bei allen meinen Vorgängern, sowohl welche die Hellenische Geschichte vor der Perserzeit, als die den Perserkrieg selbst beschrieben haben, dieser Zeitraum übergangen ist. Hellanikus aber, der in seiner attischen Geschichte die Sache berührt, hat ihrer nur kurz, und ohne Genauigkeit in der Zeitrechnung erwähnt. Zugleich wird hier nachgewiesen, auf welche Weise die Athener zu ihrem Uebergewicht gelangten.
98. Zuerst ( 471 W. Ch.) belagerten und eroberten sich, unter Anführung des Simon, des Sohnes von Miltiades, Eion am Strymon, das von den Persern besetzt war, und machten die Einwohner zu Sclaven: ebenso verfügten sie über die Einwohner von der Insel Skyros im Aegäischen Meere, die von Dolopern belebt war: wohin man Athenische Ansiedler verpflanzte. Sie geriethen dann in Krieg mit den Karystiern, an dem die übrigen Euböer nicht Theil nahmen: jene ergaben sich nach einiger Zeit durch eine Uebereinkunft. Darauf führten sie Krieg mit den abgefallenen Nariern, und zwangen sie durch eine Belagerung zur Unterwerfung. Dieß war der erste verbündete Staat, der den bestehenden Verträgen entgegen unterjocht wurde. Nachher hatten auch andere dieß Loos, wie jeder an die Reihe kam.
99. Neben andern Ursachen des Abfalls waren die wichtigsten der Rückstand bei der Lieferung der Steuern und Schiffe, und die Nichterfüllung der Pflicht des Kriegsdienstes, wenn diese bei einem Staate vorkam. Denn die Athener trieben alles strenge ein, und wurden dadurch höchst lästig, daß sie bei solchen, die nicht gewohnt oder nicht gemeint waren, Beschwerde zu ertragen , Zwang anwendeten. Auch in anderer Hinsicht waren die Athener als Oberanführer nicht mehr so beliebt, wie zuvor. Sie behandelten ihre Kriegsgenossen nicht mehr auf gleichem Fuß, auch wurde es ihnen leicht, die Abtrünnigen wieder zum Gehorsam zu bringen: und daran waren die Bundesgenossen selbst Schuld. Denn wegen jener Scheu vor dem Kriegsdienste ließen sich, die meisten derselben, um nicht aus der Heimath sich entfernen zu müssen, eine Geldsteuer statt der Schiffe-Lieferung auflegen, um nach Verhältniß an dem Aufwande zu tragen. Durch die Summe nun, welche Jene beisteuerten, wurde die Seemacht der Athener vermehrt: jene aber, wenn sie abfielen, befanden sich in einer solchen Lage, daß sie ohne Rüstung und Mittel für den Krieg waren.
100. Hierauf erfolgte (469 v. C.) die See- und Landschlacht am Flusse Eurymedon in Pamphylien, zwischen den Athenern und deren Bundesgenossen und den Persern: und die Athener erfochten an diesem Tag einen doppelten Sieg unter Anführung des Cimon, des Sohnes von Miltiades. Sie eroberten und zerstörten von den Phoenicischen Kriegs schiffen im Ganzen gegen 200. Einige Zeit nachher (465 v. C.) trug es sich zu, daß die Thasler sich empörten, weil sie wegen der Handelsplätze im gegenüber liegenden Thracien, und wegen der Bergwerke, die sie benützten, in Streit gerathen waren. Die Athener schifften nun mit der Flotte gegen Thasus, gewannen ein Seetreffen, und bewerkstelligten eine Landung. Um dieselbe Zeit schickten sie 10,000 Ansiedler aus ihrer Mitte und vor den Bundesgenossen an den Strymon, um den Ort, der damals Neunwege hieß, und jetzt Amphipolis heißt, zu bevölkern. Diese bemächtigten sich zwar der Kennwege, welche die Edoner inne hatten: da sie aber ins Binnenland von Thracien vorrückten, so wurden sie von der Gesammtmacht der Thracier bei dem Edonischen Orte Drabeskus gänzlich geschlagen: denn die Thracier sahen die Niederlassung bei den Neunwegen als eine feindliche Handlung an.
101. Die in Schlachten besiegten und belagerten Thasier wandten sich nun um Hülfe an die Lacedämonier, und forderten diese auf, sie durch einen Einfal in Attika zu unterstützen. Diese versprachen es zwar, ohne daß es die Athener erfuhren, und waren im Begriff, es zu thun; aber sie wurden durch das Erdbeben daran verhindert: während welcher Zeit auch die Heloten, und von der freien Unterthanen die Thuriaten und Nethäer sich empörten und nach Ithome zogen 4. Die meisten der Heloten aber waren Abkömmlinge der alten Messenier, welche ehemals unterjocht worden waren; daher hatten sie auch den allgemeinen Namen Messenier. Die Lacedämonier hatten nun mit denen in Ithome Krieg zu führen. Die Thasier ergaben sich nach dreijähriger Belagerung den Athenern durch Vertrag, und mußten ihre Festungswerke niederreissen, ihre Schiffe ausliefern, und sich eine Geldsteuer auflegen lassen, wovon sie eine Summe sogleich, das Uebrige in Zukunft entrichten sollten: auch mußten sie dem Besitze des Festlandes und der Bergwerke entsagen.
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