Prolog Wir befinden uns im Jahre 2020 nach Christus. Ganz Westeuropa ist vom Bestreben beseelt, seine nationalen Luftwaffen wirksam, kostengünstig und zuverlässig mit kampfstarken Flugzeugen auszustatten … Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Helvetiern bevölkertes Ländchen besteht darauf, alles anders zu machen als alle anderen. Es bestimmt zuerst den Geldbetrag, den es auszugeben gedenkt, und kauft dann Flugzeuge jenes Typs, der zu seinen Preisvorstellungen passt. Ob es auch die richtigen sind, ist sekundär. Willkommen in Helvetistan! (Frei nach Asterix und Obelix)
Einleitung
Schweizer Kampfflugzeuge: Beschaffungsprobleme ohne Ende
Leidensweg Mirage
Nächster Akt des Trauerspiels: Corsair
Hunter: Lieber Oldtimer als gar nichts
Tiger: Neuanfang mit Misstönen
Hawk als Basis für den Neubeginn
Beinahe gestolpert: F/A-18
Die Gripen-Pleite von 2013/14
Turbo-Porter: Friedenspolitik und das reale Leben
Rauschgiftkurier in Zentralamerika …
… und Kriegsmission im Dschungel Südostasiens
Bauunternehmung hilft dem Geheimdienst
Geheimdienst wird Flugunternehmer
Letzte Hoffnung Amazonas
Bürokratie erzwingt das Porter-Ende
Schulflugzeuge mit Biss
PC-7: Erfolgsmodell mit Fehlstart
PC-9: Trainer der Oberklasse
PC-7 Mk II: Mehr Sicherheit fürs kleine Budget
PC-21: Das virtuelle Kampfflugzeug
«Kosmetik-Operationen» im Stillen
UNO und EU entscheiden für die Schweiz
Geschäfte mit Sprengkraft: Wie man Flugzeuge verkauft
Burma: Banknoten und ein Segelflugzeug
Mexiko: Der Fluch amerikanischer Autos
Intermezzo: Ein peinliches Dilemma
Bolivien: High Noon in Santa Cruz de la Sierra
Tipp von der Konkurrenz
Showdown im Hotelflur
Irak gegen Iran: Heimlicher Deal des Bundesrates?
Brasilien: Ein neuer Konkurrent am Himmel
PC-12: Kommandoeinsätze im Wüstensand
Kriegsgewinnler in Afrika
Waffen, Munition und Schrottflieger
Exkurs: Österreich oder Sorgen mit dem Vertreter
Zivile Höhenflüge
Das neue Kampfflugzeug
Im ersten Anlauf gescheitert
Neue Idee: Rahmenkredit als Experiment
Big Brother ist startbereit
Wie komplex darf es sein?
Sind wir auf dem richtigen Kurs?
Anhang
Typenbeschreibungen
Pilatus-Flugzeuge im Militäreinsatz Anfang 2020
Wir befinden uns im Jahre 2020 nach Christus. Ganz Westeuropa ist vom Bestreben beseelt, seine nationalen Luftwaffen wirksam, kostengünstig und zuverlässig mit kampfstarken Flugzeugen auszustatten … Ganz Europa? Nein! Ein von unbeugsamen Helvetiern bevölkertes Ländchen besteht darauf, alles anders zu machen als alle anderen. Es bestimmt zuerst den Geldbetrag, den es auszugeben gedenkt, und kauft dann Flugzeuge jenes Typs, der zu seinen Preisvorstellungen passt. Ob es auch die richtigen sind, ist sekundär. Willkommen in Helvetistan!
(Frei nach Asterix und Obelix)
Dieses Buch erscheint aus Anlass einer ganz besonderen schweizerischen Volksabstimmung. Es geht um die Frage, ob das Land für den Betrag von 6 Milliarden Franken eine noch unbestimmte Anzahl von Kampfflugzeugen eines von vier zuvor ausgewählten Typen kaufen soll. Eigentlich sollte das Auswahlfeld fünf Typen umfassen; ausgerechnet jener mit den mutmasslich grössten Erfolgschancen wurde jedoch forfait ausgesondert, weil das Testflugzeug in der neuesten Version erst einige Wochen nach dem für die Flugerprobung gesetzten Termin verfügbar gewesen wäre (es flog dann zu vergleichbaren Tests nach Finnland).
6 Milliarden Franken entsprechen bei rund 8,5 Millionen Einwohnern der Schweiz – 706 Franken pro Einwohner, Kinder und ansässige Ausländer eingeschlossen. Geht es nach dem Willen des Schweizer Verteidigungsministeriums, soll sich der Lieferant der Flugzeuge später verpflichten, der schweizerischen Wirtschaft als Gegengeschäft im weitesten Sinne Aufträge vorerst unbestimmter Art im Umfang von 3,6 Milliarden Franken (60 Prozent des Auftragsvolumens) zuzuhalten.
Dass das Land moderne Kampfflugzeuge dringend braucht, wenn es nicht die Glaubwürdigkeit seiner Verteidigungsfähigkeit aufs Spiel setzen will, ist weitgehend unbestritten. Zu hinterfragen ist hingegen die Art der Entscheidungsfindung. Das übliche – und in den Augen der Fachleute logische – Vorgehen setzt nicht den Kaufpreis, sondern die sorgfältige Abklärung der Bedürfnisse an die erste Stelle in der Prioritätsliste. Dann erfolgt die vergleichende Prüfung der auf dem Markt erhältlichen Produkte unter Berücksichtigung von Faktoren wie Eignung für die spezifischen Bedürfnisse des Landes, erwartete Intensität des Gebrauchs, Bedienungs- und Wartungsfreundlichkeit und so weiter. Am Schluss werden von den infrage kommenden Anbietern Offerten verlangt (die sich logischerweise im Endpreis unterscheiden werden) und diese zusammen mit einer Empfehlung der Entscheidungsinstanz vorgelegt, in diesem Fall dem Parlament und bei einem Referendum dem Stimmvolk. Dieses Vorgehen ist normal; so machen es Verkehrsbetriebe, wenn sie neue Busse oder Züge brauchen, Fluggesellschaften vor dem Kauf neuer Flugzeuge sowie Spitalverwaltungen, wenn sie einen neuen Computertomografen benötigen.
In all diesen Fällen wissen am Schluss die Entscheidungsorgane, worüber sie entscheiden. Nicht jedoch die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im hier diskutierten Fall: Sie sollen an der Urne über einen Kredit entscheiden, ohne zu wissen, welche von vier zuvor geprüften Varianten zum Zuge kommen wird sowie ob und in welcher Form die Schweizer Wirtschaft von den vage versprochenen Kompensationsgeschäften tatsächlich wird profitieren können. Es ist ein, gelinde gesagt, eigenartiges Vorgehen. So machen es Grosseltern, wenn sie dem Enkel zwei Franken schenken, damit er am Kiosk eine Süssigkeit kaufen kann – irgendeine aus der aufliegenden Auswahl. Hauptsache, der Preis stimmt. Doch das Konstrukt ist auf transparente Art zustande gekommen und vom Parlament akzeptiert worden. Das Vorgehen ist somit, wenn nicht ethisch, so doch ohne Zweifel rechtlich legitim.
Mit diesem Buch soll das Informationsdefizit behoben und das Thema in einem grösseren Zusammenhang mit historischer Perspektive beschrieben werden. Das Geschäft mit Flugzeugen aller Art und mit Militärflugzeugen im Besonderen ist nämlich komplex, weithin undurchsichtig, manchmal «eindeutig zweideutig» und nicht immer ganz lupenrein. Und dies nicht nur in der Schweiz und nicht erst seit heute.
Besonders augenfällig ist die Problematik dann, wenn es um Kampfflugzeuge geht, also um Jäger, Aufklärer, kleinere und grössere Bomber (Erdkampfflugzeuge genannt). Im Kriegsfall sind das die «Frontsoldaten»; jeder Einsatz kann der letzte sein, und so ist es nicht verwunderlich, dass sich in diesen Flugzeugen zwecks Verbesserung der Überlebenschancen zumeist die modernste, raffinierteste und somit auch teuerste Technik befindet. Entsprechend rücksichtslos kämpfen Hersteller, Generäle, Politiker, Lobbyisten und immer auch allerlei zwielichtige Gestalten um die milliardenschweren Aufträge. Bescheidener geht es im Geschäft mit kleineren Flugzeugen zu, also zum Beispiel mit Schulflugzeugen und kleineren Transportern. Diese sind technisch einfacher als die Kampfflugzeuge und deshalb auch billiger. Aber auch sie sind im Hinblick auf die harten Einsatzbedingungen robuster gebaut als ihre zivilen Pendants – und dadurch kostspieliger als diese, will heissen: beliebt für Geschäfte am Rande oder knapp jenseits der Legalität.
Ein erster Teil des Buches wirft einen gerafften Blick zurück auf die Militärflugzeugbeschaffungen der Schweizer Armee in den letzten 60 Jahren. Ein zweiter Teil zeigt, wie das Geschäft mit kleineren und nicht derart hochgerüsteten Flugzeugen funktioniert. Am Beispiel der seit Jahrzehnten weltweit erfolgreichen Schweizer Herstellerfirma Pilatus zeigt sich die Ambivalenz dieses Geschäfts. Oft sind die potenziellen Kunden politisch umstrittene Regimes oder eher zwielichtige Händler, die verschleiern, was sie mit dem gekauften Flugzeug eigentlich bezwecken. Und in einem dritten Teil wird schliesslich der aktuelle Beschaffungsprozess eingeordnet und beleuchtet.
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