Lisbeth Herger - Zwischen Sehnsucht und Schande

Здесь есть возможность читать онлайн «Lisbeth Herger - Zwischen Sehnsucht und Schande» — ознакомительный отрывок электронной книги совершенно бесплатно, а после прочтения отрывка купить полную версию. В некоторых случаях можно слушать аудио, скачать через торрент в формате fb2 и присутствует краткое содержание. Жанр: unrecognised, на немецком языке. Описание произведения, (предисловие) а так же отзывы посетителей доступны на портале библиотеки ЛибКат.

Zwischen Sehnsucht und Schande: краткое содержание, описание и аннотация

Предлагаем к чтению аннотацию, описание, краткое содержание или предисловие (зависит от того, что написал сам автор книги «Zwischen Sehnsucht und Schande»). Если вы не нашли необходимую информацию о книге — напишите в комментариях, мы постараемся отыскать её.

Neun Kinder hat die Stickerin Anna Maria Boxler geboren, sieben von ihnen wurden ihr von den Behörden weggenommen, fremdplatziert oder verdingt. Über fünfzig Mal musste sie in ihrem Leben umziehen, wurde verurteilt wegen Ungehorsam, Abtreibung und Prostitution, war zwischenzeitlich administrativ versorgt. Lisbeth Herger und Heinz Looser verfolgen die Spuren von Anna Maria Boxler, der lange tabuisierten Grossmutter des Historikers Looser. Dieser recherchierte in Kirchen-, Dorf- und Staatsarchiven in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Zürich sowie in den Akten der Armenfürsorge, wo eindrückliche Bittschriften der Grossmutter auftauchten. Die persönlichen Briefe zeigen eine widerständige Stickerin im Kampf ums Überleben und geben – ergänzend zu den Behördendokumenten – einen einzigartigen Einblick in ein Frauenleben aus der Unterschicht. Dramatisch schildert die Autorin Lisbeth Herger die Recherche des Enkels und das Leben seiner Grossmutter. Dabei entsteht das Bild eines zwischen Sehnsucht und Schande verkeilten Lebens in einer Gesellschaft, die Armut als moralisches Versagen verurteilt. Ein historisches Glossar erlaubt eine vertiefte Einbettung dieses Lebens in die Geschichte der Schweiz dieser Zeit.

Zwischen Sehnsucht und Schande — читать онлайн ознакомительный отрывок

Ниже представлен текст книги, разбитый по страницам. Система сохранения места последней прочитанной страницы, позволяет с удобством читать онлайн бесплатно книгу «Zwischen Sehnsucht und Schande», без необходимости каждый раз заново искать на чём Вы остановились. Поставьте закладку, и сможете в любой момент перейти на страницу, на которой закончили чтение.

Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Und schliesslich stehen als Hauptangeklagte zwei abtreibende Frauen vor Gericht. Die eine heisst Helene J. aus La Chaux-de-Fonds, eine ledige Dienstmagd, die früher als Kellnerin bei der Schöntal-Wirtin arbeitete, dort den Hausierer H. kennenlernte und sich von ihm Pillen geben liess, um ihre ungewollte Schwangerschaft – die Folge einer Liebschaft mit dem Taglöhner Eduard T. – abzubrechen. Und die zweite Angeklagte ist die sechsfache Mutter Anna Maria Looser-Boxler, die sich ebenfalls von diesem Hochstrasser hat helfen lassen – und diesmal, nicht wie sieben Jahre zuvor, sogar Erfolg hatte in ihrem Bemühen.

Die Angeklagte Anna Maria gibt gleich alles zu, erzählt, dass sie im September vorigen Jahres im 3. Monat schwanger war, dass sie von ihrem Geliebten Müller erfahren habe, dass Hausierer H. in solchen Fällen zu helfen wisse, dass sie diesen im Restaurant Schöntal getroffen und sich von ihm Haselwurzpillen geben lassen habe, dass diese nicht geholfen hätten und er sie dann in seine Wohnung kommen liess und mit einer Scheideneinspritzung den Abort auszulösen vermochte. Anna Maria hat aus ihrer früheren Erfahrung gelernt: keine Ausreden mehr, ein klares Eingeständnis ohne Wenn und Aber. Nicht so ihr Helfer. Dieser versucht sich herauszureden, provoziert damit allerdings bloss die Verlängerung der demütigenden Befragung. Es werden Details ans Licht gezerrt, die für Anna Maria beschämend sein müssen. Dass das Blut bereits aus der Scheide geflossen sei vor Einsetzen der Manipulation, behauptet ihr Gehilfe, allerdings ohne ihn entlastenden Erfolg. Die Recht sprechenden Männer scheinen sich in der Sache auszukennen und wissen, selbst wenn die Frucht sich bereits vorher losgelöst habe, könne ja die Ablösung der Frucht sehr wohl die Folge des Einnehmens der ebenfalls von Peter H. gelieferten Haselwurzpillen sein. Zudem sei die Vornahme der Einspritzung als vollendet anzusehen. […]

Kurz, Peter H. bleibt glücklos mit seinen Ausreden. Und obwohl ihm nur Beihilfe in zwei Fällen nachgewiesen werden kann und er von keiner der beiden Frauen je Geld bekommen hat, wie er behauptet, wird er der fortgesetzten Gehilfenschaft zur versuchten Fruchtabtreibung sowie der vollendeten Fruchtabtreibung i. Rückfall schuldig erklärt und mit acht Monaten Arbeitshaus bestraft. Eine harte Strafe, härter noch als die, die die beiden Abtreiberinnen verpasst bekommen.

Helene, die Kellnerin, 26-jährig – inzwischen hochschwanger, weil die Abtreibung misslang –, vorgängig bereits verurteilt wegen fortgesetzter einfacher Unzucht, also wegen jenem Sexualverkehr, der zu dieser Schwangerschaft führte, wird ebenfalls schuldig gesprochen. Auch sie hat zugegeben, einen Teil der 24 Pillen geschluckt zu haben, bevor sie wegen starken Bauchschmerzen und Ängsten vor Gesundheitsschäden damit wieder aufgehört hat. Ihre Strafe beträgt hundert Franken Busse und ein paar Franken noch dazu, weil sie dem Prozess unentschuldigt ferngeblieben ist. Für die möglichen Gründe ihres Fernbleibens interessiert sich keiner. Dafür, dass sie mit ihrem Kind im Bauch längst heimgekehrt ist nach La Chaux-de-Fonds oder dass die Reise nach St. Gallen sie zwei Arbeitstage, eine Übernachtung und das Reisegeld, kurz ein kleines Vermögen, gekostet hätte. Und zudem ist sie jetzt im neunten Monat schwanger. Gut möglich, dass sie, während die Richter den Stab über sie brechen, just in den Wehen liegt.

Schuldig gesprochen wird auch Anna Marias Zimmerwirtin Seraphia B. Die Duldung eines illegalen Liebesverhältnisses unter ihrem Dach scheint erwiesen und wird ihr als Kuppelei angelastet. Zur Sicherung der Beweislage hat die Polizei vorgängig ihre Wohnung inspiziert. Eine polizeiliche Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit mit Konkubinatsverbot und rigidem Sexualstrafrecht. Um in das Zimmer der Looser zu gelangen, musste das von Frau B. bewohnte Zimmer passiert werden, was kaum unbemerkt geschehen konnte, argumentieren die Richter. Weiter kommt für diese belastend hinzu, dass die Looser und Müller übereinstimmend und unabhängig von einander deponiert haben, dass Müller während der erwähnten Zeit öfters und mit Wissen der Vermieterin bei der Looser genächtigt habe. Seraphia B. bestreitet ihre Schuld. Ohne Erfolg. Im Gegenteil. Die Richter wittern gar gewerbsmässige Kuppelei, sehen sie als Bordellbetreiberin. Allerdings können sie die vermuteten ökonomischen Vorteile der Seraphia B. aus ihrer Duldung nicht nachweisen. Seraphia B. kommt mit dreissig Franken Geldbusse davon.

Auch Anna Maria Boxler wird – wie zu erwarten war – gemäss Anklage verurteilt: Die Angeklagte Looser wird der versuchten und der vollendeten Fruchtabtreibung im Rückfall sowie der fortgesetzten einfachen Unzucht im Rückfall schuldig erklärt und zu vier Monaten Arbeitshaus verurteilt. In ihrem Fall ist für das Verfahren selbstredend, was straferschwerend noch alles mit aufgeführt wird, nämlich ihre sämtlichen Vorstrafen: Gravierend ist eine rückfallbegründende Vorstrafe, wegen Fruchtabtreibungsversuch, vom Jahr 1911; zwei weitere Vorstrafen, wegen Gewerbsunzucht und wegen fortgesetzter Unterschlagung & Diebstahl. Zudem missfällt den Richtern die Autonomie, die sich im Nein von Anna Maria zu einem weiteren Kind verbirgt. Endlich ist zu sagen, dass es durchaus keiner Überredung oder sonstigen ernstlichen Beeinflussung bedurft hat, um die Looser zu ihrem Ersuchen an H. zu veranlassen; insbesondere ist nicht erhoben, dass der Liebhaber der Looser, Julius Müller, in diesem Sinne auf sie eingewirkt hätte, er hat ihr gegenteils noch Vorwürfe gemacht. Sie hat also nicht unter dem Druck eines aufgeschreckten Kindsvaters abgetrieben, sondern in der eigenwilligen Regie einer widerborstigen Frau, die sich gar gegen die Wünsche ihres Liebhabers durchzusetzen weiss. Kein Grund für einen strafmildernden Bonus. Schon gar nicht für eine, die ihren moralischen Kredit längst verspielt hat.

Die vergleichende Lektüre der Gerichtsakten zeigt, wie der Enkel feststellt, dass die Behörden ihren deutenden Blick auf das Verhalten der straffälligen Anna Maria immer mehr verändern. Wurde früher die Armut als Ursache ihres Fehlverhaltens zumindest noch erwähnt und mit bedacht, wird neuerdings mehr grundsätzlich qualifiziert, wird immer häufiger von «Minderwertigkeit» und «Geringwertigkeit» der Angeklagten gesprochen. Anna Maria wird zunehmend zu einem Menschen zweiter Klasse mit charakterlichen Mängeln, die auch biologisch begründet sind. Da sickert ganz langsam eugenisches Denken ( → Eugenik), seit Beginn des Jahrhunderts von Medizinern vorangetrieben, in die Köpfe der Justiz und Behörden. Abweichendes Verhalten wird genetisch verankert, das entsprechende Erbgut ist minderwertig, es gilt, dessen Weitergabe zu verhindern. Diese Denkart findet sich nun vermehrt auch in der behördlichen Wahrnehmung der Straftäterin Anna Maria. Zum Beispiel bei der Bemessung der Schuld des Abtreibungshelfers Peter H.: Die Richter erwägen für ihn eine Strafmilderung, weil seine Hilfe eine sittlich so tief stehende Person wie die Looser betrifft. Im Klartext heisst dies, dass nicht jeder Fötus gleichwertig ist und man auf den Nachwuchs, wie ihn eine Anna Maria Boxler hervorbringt, nur zu gerne verzichtet hätte.

Es gibt im selben Urteil noch eine kleine Geschichte, die dasselbe Denkmuster entlarvt. Es geht um eine seltsam anrührende Sonderbarkeit im Verhalten von Anna Maria, die selbst ihren Enkel irritiert. Seine Grossmutter hat nämlich den abgetriebenen Fötus nicht einfach weggeworfen, etwa ins Plumpsklo gespült oder im Ofen verbrannt, sondern sie hat die abgegangene Leibesfrucht in einem Papier aufbewahrt, mit sich herumgetragen und dieselbe verschiedenen Personen vorgezeigt. Für die Herren Richter war dieses Verhalten ein einziger widerwärtiger Beweis ihrer verkommenen Abartigkeit. Weitere Nachfragen waren für sie nicht nötig. Das Verdikt des sittlichen Mangels ersetzte jede andere Interpretation.

Читать дальше
Тёмная тема
Сбросить

Интервал:

Закладка:

Сделать

Похожие книги на «Zwischen Sehnsucht und Schande»

Представляем Вашему вниманию похожие книги на «Zwischen Sehnsucht und Schande» списком для выбора. Мы отобрали схожую по названию и смыслу литературу в надежде предоставить читателям больше вариантов отыскать новые, интересные, ещё непрочитанные произведения.


Отзывы о книге «Zwischen Sehnsucht und Schande»

Обсуждение, отзывы о книге «Zwischen Sehnsucht und Schande» и просто собственные мнения читателей. Оставьте ваши комментарии, напишите, что Вы думаете о произведении, его смысле или главных героях. Укажите что конкретно понравилось, а что нет, и почему Вы так считаете.

x