Zum Fall Woods, der über Weihnachten 2009 hochkochte, gibt es zwei Anmerkungen, eine allgemeine und eine golferische. Allgemein gilt, dass die Sünden eines Heiligen stets spektakulärer sind als die Sünden eines Sünders. Seine PR-Abteilung hatte Woods gezielt und penetrant zu einem Heiligen aufgebaut, als Mr. Unfehlbar. Das erst schuf sein Problem.
Das golferische Problem war es eher, als wir feststellen mussten, dass der weltbeste Golfer kein echter Golfer war. Echte Golfer schwindeln nicht, egal, ob beim Zählen oder beim Einlochen. Echte Golfer schwindeln nicht über ihr Score, bis sie eines Tages doch beim falschen Zählen erwischt werden. Sein Score außerhalb des Platzes war mindestens 14, dennoch beharrte er lange und öffentlich auf einem Hole-in-One.
Tiger Woods ist unter uns Golfern eine Ausnahme. Zu Hause sagte er jeweils, er gehe noch kurz auf den Golfplatz. Stattdessen ging er heimlich zu einer Geliebten. Der normale Alltagsgolfer hingegen sagt zu Hause, er gehe noch kurz zu einer Geliebten. Stattdessen geht er heimlich auf den Golfplatz.
Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf? Wir wollen gar nicht bestreiten, dass manche unter uns Alltagsgolfern das Einlochen auf dem Green tatsächlich dem Einlochen in anderer Umgebung vorziehen. Es gibt gute Gründe dafür. Ich nenne Ihnen und Tiger Woods darum gern die zehn Argumente, weshalb Golf besser ist als Sex.
1 10. In den zehn Geboten steht nichts über Golf.
1 9. Flotte Dreier und Vierer sind im Golf das Übliche.
1 8. Wenn man golferische Nöte hat, ist es unbedenklich, professionelle Dienste in Anspruch zu nehmen.
1 7. Man muss nicht in einen schmuddligen Shop gehen, um Golf-Zubehör zu kaufen.
1 6. Wenn der Putter langsam alt und rostig wird, kann man ihn ersetzen.
1 5. Man muss keine Angst haben, dass private Golf-Videos im Internet auftauchen.
1 4. Man kann beim Golfen mittendrin unterbrechen und ein paar Biere trinken.
1 3. Es gibt keine golferisch übertragbaren Krankheiten.
1 2. Man braucht die Golf-Zeitschriften nicht vor den Kindern zu verstecken.
1 1. Der Golfpartner wird nie sagen: „Was, Du willst schon wieder? Ist das alles, woran Du denken kannst?“
Golfer und Cowboys nehmen den Hut nur ab, wenn sie gerade von Indianern skalpiert werden.
Wenn man alte Golfbilder betrachtet, etwa vom British Open, dann fallen zuerst die Zuschauer auf. Alle Zuschauer tragen Hüte. Die Männer tragen Bowlers, Fedoras, Gatsbys und Borsalinos. Die Frauen tragen Cloches, Berets und Swingers.
Die Spieler und Spielerinnen auf den alten Bildern tragen alle ebenfalls Hüte, meistens dieselben Modelle wie das Publikum.
Das hat sich im Prinzip bis heute gehalten. Golfer tragen Hüte. Sie tragen Hüte nicht nur, weil die Sonne brennt oder weil Regen fällt. Sie tragen den Hut auch dann, wenn es keinen Grund gibt, einen Hut zu tragen. Meistens tragen sie heute eine Art Baseballmütze.
Ich bevorzuge statt der Mützen richtige Hüte, Modelle mit schmalen Krempen, in Filz oder in Stroh, obschon, zugegeben, das mitunter etwas geckenhaft wirkt.
Hüte waren und sind stets ein Zeichen für die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe. Das gilt von Schiebermützen bis zu Zylindern. Al Capone erschoss nie einen Polizisten ohne seinen Hut auf dem Kopf. Che Guevara erschoss nie einen Kapitalisten ohne seine Baskenmütze auf dem Kopf.
Das gilt nicht nur beim Schießen, das gilt auch beim Vergnügen. Die übelste Sünde bei den Pferderennen von Royal Ascot ist es, den Seiden-Zylinder oder den Blumen-Swinger auch nur kurz abzunehmen. Sofort schreitet ein behuteter Ordner ein, brüllt „Your hat, Sir!“ oder „Your hat, Mylady!“ und sorgt dafür, dass das soziale Gefüge nicht durchbrochen wird.
Auch Piloten von Linienmaschinen tragen immer Hüte, obschon dies zur Ausübung des Berufs keinen Sinn macht. Cowboys tragen immer Hüte und haben nur in absoluten Notfällen keinen Stetson auf, beispielsweise dann, wenn sie gerade von gefiederten Indianern skalpiert werden.
Es gibt nur zwei bekannte Sportarten auf der Welt, die prinzipiell im Hut ausgeführt werden. Neben Golf ist das ist Baseball.
Golf und Baseball haben gemeinsam, dass man meistens nur herumsteht. Bei Golf ist das besonders augenfällig. Für eine Golfrunde braucht man vier Stunden. Die eigentliche physische Aktion – die Schläge und die Putts – dauern drei Minuten. Es dauert vielleicht ein bisschen länger, wenn man die Konzentrationsphase davor auch mitberechnet. Aber eine Konzentrationsphase brauchen sowieso nur ehrgeizige Golfer.
Die restlichen 3 Stunden 57 Minuten steht man herum oder spaziert durch die Gegend. Selbst bei Spielern, die unsinnigerweise dauernd Probeschläge machen, dauert die echte körperliche Bewegung auf einer Runde nicht mehr als sechs Minuten.
Wenn man herumsteht oder herumspaziert, kann man beim Sport natürlich gut einen Hut aufsetzen.
Bei Sportarten, bei denen man richtigen Sport treibt, ist das nicht ideal. Beim Rückenschwimmen zum Beispiel sind Hüte nicht zu empfehlen. Auch beim Kunstturnen und beim Boxen ist ein Borsalino auf dem Kopf eher suboptimal.
Weil immer mehr Proletarier Golf spielen, braucht es auch immer mehr weiße Mäuse.
1868 nahm an der Ecke George Street/Bridge Street der erste Verkehrspolizist Londons seine Arbeit auf. Er war der erste in der Geschichte der famosen „Bobbies“. 1902 begann der erste Verkehrspolizist Berlins seinen Job, an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Er war der erste in der Geschichte der berühmten „Weißen Mäuse“.
Und was hat das mit Golf zu tun?
Nun, die Polizisten wurden nötig durch die starke Zunahme von Autos, Droschken und Fahrrädern. Das gemeine Volk wurde mobil und ging nicht mehr zu Fuß. Die Polizisten wurden also nötig, weil sich die Mobilität popularisierte und damit proletarisierte. Immer wenn sich eine gesellschaftliche Aktivität proletarisiert, braucht es mehr Obrigkeit.
Zuvor, als nur die feine Gesellschaft mit Pferdekutschen und Droschken unterwegs war, brauchte es keine Obrigkeit, keine Regeln und keine Polizisten, welche die Regeln überwachten. Die Gentlemen liessen sich gegenseitig zuvorkommend die Vorfahrt – bitte, mein Herr. Dann, als das gemeine Volk mobil wurde, gab es immer mehr Verkehrsteilnehmer, die sich nicht gentlemanlike verhielten.
Auch Golf, der frühere Elitesport, wurde in den letzten 30 Jahren popularisiert und damit proletarisiert. So sind auch hier nicht mehr nur Gentlemen unterwegs. In meinem Golfklub zum Beispiel kann es vorkommen, dass zwei Golfer an einem Sonntag ein Matchplay spielen, 20 Minuten lang Bälle suchen und dahinter drei Viererflights am Abschlag warten lassen.
Es kann auch vorkommen, dass eine Dame samstags mutterseelenallein mit zwei Bällen spielt und acht Golfer hinter sich staut. Den Proletariern und Proletarierinnen ist sowas egal.
Wir haben auf meinem Platz in der Regel keine Verkehrspolizisten, keine Rangers und keine Marshals, wie man sie auf vielen Golfplätzen kennt. Darum können bei uns Verkehrsrowdies oft machen, was sie wollen. Vor allem können sie gegen die wichtigste aller Golfregel verstoßen, die Regel 6–7, die langsames Spiel und Verzögerungen verbietet. Es ist die wichtigste Regel, weil sie das grösste Ärgernis aller Golfer bekämpft.
Auf Plätzen, wo es Rangers und Marshals gibt, beobachtet man stets denselben Effekt. Die Golf-Polizisten müssen nur selten Strafen aussprechen. Es genügt, dass sie patrouillieren. Ihre wichtigste Funktion ist ihre Visibilität. Allein aufgrund ihrer Präsenz verhält sich das Golfervolk automatisch disziplinierter. In den USA ist dieses System der steten und diskreten Kontrolle erfunden worden.
Visibilität, so weiß jeder Kriminologie, ist für Polizeistreifen der entscheidende Faktor. Auch dies, ein letztes historisches Beispiel, hat man schon früh erkannt. 1895 setzte die Stadt New York ihre ersten mobilen Verkehrspolizisten ein, die berühmte „bycicle squad“.
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