Golf ist das beste Spiel dieser Welt. Golf ist aber auch das beste Spiel, in dem wir schlecht sind. Golf ist die schwierigste physische Anforderung dieser Welt. Niemand kann es jemals perfekt, nicht einmal die Nummer eins der Weltrangliste, und wir normale Hacker sowieso nie.
Die Einsicht, daß man es niemals perfekt kann, führt zwingend zu Selbstironie und Heiterkeit. Warum soll man sich über das Unvermeidliche ärgern? Die schwierigste physische Anforderung dieser Welt mündet damit in den leichtesten psychischen Gemütszustand. Golf ist der Schwebezustand der genussvollen Gelassenheit.
Richtige Golfer lachen viel über sich selbst. Richtige Golfer haben aber auch kein Problem, wenn andere über sie lachen. Von außen betrachtet können wir Golfer ja ziemliche Witzfiguren sein. Wir machen zehn Probeschwünge in dreißig Sekunden, wir traben in rosa Shirts und gelben Hosen durchs Gebüsch und wir hauen drei Bälle hintereinander in einen Ententeich.
So ist dieses Buch gemeint. Es beschreibt das Verhalten von uns Alltagsgolfern in Feld und Wald. Wir sind fröhlich, entspannt und heiter, aber auch nicht ganz ernst zu nehmen. Wir wissen, wir haben zwei Seiten: Wir sind oft am Lachen. Und wir sind oft zum Lachen.
Der Kampf der Geschlechter
Ein Mann weiß, wie man Golf spielt. Eine Frau weiß das nicht. Darum sagt er es ihr.
Am letzten Wochenende habe ich zum ersten Mal ein sogenanntes Sie & Er-Turnier gespielt. In einen Sie & Er-Turnier spielt man im Team mit der eigenen Frau.
Es ist klar, was erfahrene Golfer nun erwarten. Sie erwarten, dass ich nun meine Scheidung ankündige und auch gleich Scheidungssumme und Scheidungstermin nenne.
Für viele Männer gehört es tatsächlich zu den letzten großen Herausforderungen unserer Zeit, mit der eigenen Frau Golf zu spielen. Es ist eine soziologisch spezielle Situation, die im Fachgebiet der Konfliktforschung bestens bekannt ist. Soziologen nennen es „die Interaktion von zwei Parteien mit unterschiedlichen Wertesystemen.“
Das unterschiedliche Wertesystem ist einfach zu beschreiben: Der Mann weiß, wie man richtig Golf spielt. Die Frau weiß das nicht.
Der Mann sagt also am dritten Loch: „Schätzchen, du kommst von außen an den Ball. Ich würde den Abschwung darum früher mit der Hüfte einleiten.“ Statt dass sie für den hilfreichen Hinweis nun dankbar ist, beginnt sie zu fauchen.
Am fünften Loch sagt der Mann: „Schätzchen, Deine Schulterrotation ist zu schwach, das kostet Dich Länge.“ Statt dass sie für den hervorragenden Tipp nun dankbar ist, beginnt sie zu schnappen.
Wenn der Mann am sechsten Loch nun noch sein Schätzchen prägnant und präzise auf die falsche Bewegung beim Putten hinweist, ist der Gang zum Scheidungsanwalt oft nicht mehr weit. Die meisten Männer erachten es aber als ihre aufopfernde Pflicht, am sechsten Loch prägnant und präzise auf die falsche Bewegung beim Putten hinzuweisen. So selbstlos sind wir eben.
Frauen haben offenbar ein Autoritätsproblem. Sie haben ein Autoritätsproblem überall dort, wo wir Männer, objektiv betrachtet, einfach alles besser wissen. Besser wissen wir es nachweislich beim Autofahren, am Kartentisch, beim Fußball, beim Grillen und auf der Golfrunde.
Auf der Golfrunde haben unsere Frauen also ein Autoritätsproblem. Interessanterweise haben sie dieses Problem vor der Golfrunde nicht. Vor der Golfrunde stehen sie zu Hause vor dem offenen Schrank und fragen, was sie denn heute am besten anziehen sollten. Zur Wahl stehen Hellblau, Himbeerrot und Lindengrün.
Nun sagt der Mann prägnant und präzise: „Schätzchen, nimm doch dieses hellblaue T-Shirt, in dem Du immer so hinreißend aussiehst.“
„Dankeschön“, haucht sie nun, „das ist ein hervorragender Tipp von Dir.“
Die Grammatik des Möglichen
Hätte. Wäre. Würde. Die häufigste Sprachform auf dem Golfplatz ist der Konjunktiv.
Zuerst kurz zurück in die Deutschstunde am Gymnasium. Neben dem Indikativ und dem Imperativ ist bekanntlich der Konjunktiv der dritte Modus des Verbs. Von besonderer Schönheit ist dabei die Wahrscheinlichkeitsform des Konjunktivs II.
Der Konjunktiv II wird auch Irrealis genannt. Irrealis heißt er darum, weil er das Eintreten von unwahrscheinlichen Ereignissen beschreibt. Oft ist er, um die Hoffnung auf das Unwahrscheinliche auszudrücken, als doppelter Konjunktiv gesetzt. Beispiel: „Wenn ich ein Vöglein wär’, flög’ ich zu Dir.“
Nun bin ich aber kein Vöglein und kann nicht fliegen. Das ist der Indikativ, die nüchterne Wirklichkeitsform.
Die Wirklichkeitsform beim Golfen besteht darin, dass der Golfer und die Golferin vor einem Teich stehen, ein Eisen sieben nehmen und den Ball ins Wasser hauen. Sobald der Ball ins Wasser taucht, rufen der Golfer und die Golferin aus: „Hätte ich ein Eisen sechs genommen, dann wäre er nicht ins Wasser geflogen.“
Den Gegensatz zwischen Indikativ und Konjunktiv erleben der Golfer und die Golferin genauso, wenn der Ball rechts in den Wald entschwindet. Sobald der Ball rechts im Wald entschwunden ist, rufen der Golfer und die Golferin aus: „Hätte ich mehr nach links gezielt, dann würde er nicht rechts im Wald liegen.“
Für Germanisten erneut ein kurzer Einschub. Wir nähern uns nun dem Konditionalis, auch genannt Konjunktiv III. Er ist durch die Würde-Form definiert und vergleicht eine mögliche Voraussetzung mit deren möglicher Konsequenz. Beispiel: „Würde ich geradeaus schlagen, dann würde mein Ball seltener im Gebüsch landen.“
Der Golfplatz ist ein wunderbares Tummelfeld für Anhänger der Möglichkeitsform. Ich kenne keinen andern Ort auf diesem Planeten, wo der Konjunktiv derart geballt und permanent zu hören ist. Jeder Golfer redet ununterbrochen davon, was wäre, wenn er hätte und was gewesen wäre, wenn er getan haben würde.
„Wenn ich den Ball besser getroffen hätte, dann wäre er nicht im Bunker gelandet, wäre von dort dann nicht übers Green hinaus geflogen, und ich würde nun eine Fünf statt eine Acht schreiben.“
Interessant daran ist, dass die Wahrscheinlichkeitsform meist nur dann zur Anwendung kommt, wenn etwas schief geht.
Wenn etwas klappt, dann war keine Wahrscheinlichkeit im Spiel. Wenn der Golfer den Ball an einen Baum haut, er vom Baum an einen Felsen springt und von dort direkt an die Fahne rollt, dann sagt kein Golfer konjunktiv: „Wäre der Ball nicht an Baum und Felsen geprallt, dann würde er weniger gut liegen.“ Nein, dann sagt der Golfer indikativ: „Den habe ich aber sehr kreativ gespielt.“
Es ist nicht verwunderlich, dass der Konjunktiv im Golf so verbreitet ist. Golf ist der Sport der unbeschränkten Möglichkeiten. In keiner anderen Sportart kann so viel Unerwartetes geschehen. Denn kein anderer Sportplatz ist so vielfältig gestaltet. Es gibt Bäche, Bäume, Sand, Blumen, Teiche, Gebüsch, Gras, Höhen, Täler, Wälder und Seen. Alles ist hier möglich, und auch das Gegenteil davon.
In anderen Sportarten ist im Vergleich gar nichts möglich. Der Tennisball kann höchstens ins Netz fliegen. Der Fußball kann höchstens ins Aus fliegen. Das war es dann schon.
Golfer wissen, dass alles möglich ist. Sie wissen, dass das Unerwartete jederzeit eintreten kann, im guten wie im schlechten Sinne. Darum ist der Konjunktiv, der Irrealis, die bevorzugte Sprachform des Golfers: „Würde ich nicht Überraschungen lieben, wäre ich kein Golfer geworden.“
Zur Geliebten oder auf den Platz?
Die Frage ist geklärt: Golf ist definitiv besser als Sex. Die Klärung verdanken wir Tiger Woods.
Eines der ältesten Vorurteile von Nichtgolfern gegenüber Golfern betrifft deren erektile Dysfunktion: „Haben Sie noch Sex oder spielen Sie schon Golf?“
Wir Golfer können Tiger Woods also durchaus dankbar sein. Zumindest mit diesem Vorurteil hat er radikal aufgeräumt.
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