Der Autor Claude Müller Werder thematisiert das problembasierte Lernen (PBL). Studierende bearbeiten authentische Fragestellungen und erhalten so die Möglichkeit, Problemlösestrategien und Wissenserwerb in möglichst realen Kontexten zu erarbeiten und damit die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu verringern.
Die Autorinnen Christine Bieri und Esther Kamm sowie der Autor Reto Luder zeigen, wie forschungsorientiertes Lernen an einer pädagogischen Hochschule aussehen kann. Abhängig vom gewählten Forschungstyp werden die verschiedenen Stufen der Bloom’schen Taxonomie abgedeckt. Erfahrungen zeigen, dass dieses Lernsetting vermehrt auf Autonomie und Selbstverantwortung bei den Studierenden setzt. Zusätzlich wird klar, dass ein solches Vorgehen auf Kosten der Breite in die Tiefe geht. Nicht das oberflächlich-additive «Abarbeiten» vereinzelter und als kleine Einheiten konzipierter «Module» ist gefragt, sondern eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem Thema über einen längeren Zeitraum.
Bei der Planspielmethode geht es zum Beispiel darum, vernetztes Denken mit mehreren Variablen im System zu üben. Dabei werden Systeme analysiert und relevante Variablen identifiziert und evaluiert. Neben dem Spielen entsprechender Spiele können Studierende auch angehalten werden, selbst Planspiele zu entwerfen. Geschieht das, haben wir die höchste Stufe der Bloom’schen Taxonomie – das Gestalten – erreicht. Ein zusätzlicher Gewinn resultiert aus der Tatsache, dass beim Spielen auch Gefühle angesprochen werden, was für nachhaltiges Lernen von zentraler Bedeutung ist (Beitrag von Willy Kriz).
Abbildung 1:Bloom’sche Taxonomie für den kognitiven Bereich – verschiedene Ebenen des Denkens beim Lernen (übernommen von der Louisiana State University, Center for Academic Studies)
In der zweiten Hälfte des Buches kommen vor allem Autoren von technischen Fachrichtungen zu Wort. Das Projektstudio im Architekturstudium an der Universität Liechtenstein oder das problembasierte Grundlagenpraktikum für angehende Chemiker an der Fachhochschule Wädenswil in der Schweiz sind ganz auf Handlungsorientierung und employability ausgerichtet. Banzer, Scherrer und Staub zeigen in ihrem Beitrag anhand des Architekturstudiums auf, wie eine kompetenzorientierte Studiengangentwicklung aussehen kann. Dabei gehen sie unter anderem der Frage nach, inwieweit neben der Fachdisziplin auch didaktische Gesichtspunkte bei der Studiengangsgestaltung eine Rolle zu spielen haben.
Die Autorinnen und Autoren der verschiedenen Hochschulen und Fachrichtungen demonstrieren überzeugend, dass die Kompetenzorientierung nichts mit der Fachrichtung oder der Institution zu tun haben muss. Dass das Schulen überfachlicher Kompetenzen – oft auch soft skills genannt – durchaus auch ein Thema in den sogenannten harten Wissenschaften ist, zeigt der Beitrag von Margot Tanner. Als verantwortliche Leiterin des Projektes No-TechS (non technical skills) an der School of Engineering der Zürcher Fachhochschule ist sie verantwortlich für die Planung und Umsetzung entsprechender Lehr-und Lernformate in den Ingenieurwissenschaften (Beitrag von Tanner in diesem Buch).
Sowohl bei ihrem Beispiel wie auch beim Beispiel von Banzer et. al wird klar, dass ein systemischer Ansatz, bei dem die ganze Institution in die «Kompetenzorientierung» einbezogen wird, erfolgversprechender ist als nur eine punktuelle Veränderung auf Modulebene von einzelnen Dozierenden. Diese Erkenntnis deckt sich mit vergleichbaren Erfahrungen aus dem angelsächsischen Raum (Cullen et al. 2012).
We believe that relying on individual classroom efforts to change the learning environment on a programmatic, college, or institutional scale is not strategic and does nothing to link and integrate those individual experiences. We believe that for graduates to develop the skills we have referred to in this chapter, curricular coherence, repeated experiences, and reflection on learning across courses are necessary (S. 13).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit den vorgestellten Methoden
➤höhere Ebenen des Denkens (nach Bloom) aktiviert werden;
➤die Verarbeitungstiefe des vermittelten Wissens und Könnens zunimmt; die Transferwirksamkeit (Stichwort employability) der in den Lehrveranstaltungen vermittelten Inhalte verbessert wird;
➤die Kluft zwischen Wissen und Handeln verkleinert wird (Stichwort träges Wissen);
➤die Transdisziplinarität und das Arbeiten in Teams gefördert werden.
Bachmann, H. (2011) (Hrsg.). Kompetenzorientierte Hochschullehre. Bern: hep.
Bologna (2009). Abschlusskommuniqué der Ministerkonferenz. Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.ond.vlaanderen.be/hogeronderwijs/bologna/conference/documents/Leuven_Louvain-la-Neuve_Communiqué_April_2009.pdf
Cullen, R. & Harris, M. & Hill, R. R. (2012). The Learner-centered Curriculum. San Francisco: The Jossey-Bass.
ECTS Users’ guide (2009). Quelle: Internet (Zugriff 12.02.2012) http://www.oead.at/fileadmin/lll/dateien/lebenslanges_lernen_pdf_word_xls/erasmus/bologna/ects_users_guide2009_de.pdf
Huba, M. & Freed, J. (2000). Learner-Centered Assessment on College Campuses. London: Ally and Bacon.
Mandel, H. & Reinmann, G. (2006). Unterrichten und Lernumgebungen gestalten. In: Krapp, A., Weidenmann, B. (Hrsg.). Pädagogische Psychologie. Weinheim: Beltz, S. 613–658
Thomann et al. (2011). Zwischen Beraten und Dozieren. Bern: hep.
Petra HildKooperatives Lernen im Hochschulbereich
1Einleitung
Beim Kooperativen Lernen wird die Interaktion als ein wesentliches konstituierendes Merkmal von Lernprozessen in den Vordergrund gerückt. Dahinter steht die Grundüberzeugung, dass Lernen durch Auseinandersetzung, durch Austausch und Aushandeln sowie im Dialog geschieht. Dies ist kein neuer Gedanke, aber einer, der immer wieder neu gefasst werden muss. Die zunehmende Gewichtung des Kooperativen Lernens innerhalb der letzten Jahre hat stark mit einem veränderten Lehr-Lern-Verständnis zu tun. Es geht neben den zu erlernenden Inhalten heute darum, wie gelernt wird oder wie Lernen organisiert ist (Einführung zu diesem Band siehe hier). Gleichzeitig werden vonseiten der Wirtschaft und diverser Berufs- und Arbeitsfelder hohe Anforderungen hinsichtlich Team-, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit an Studienabgänger und -abgängerinnen gestellt. Mit kooperativ angelegten Lernprozessen schaffen Dozentinnen und Dozenten in der Hochschullehre Anlässe für dialogische Gespräche, Diskussionen und Entscheidungen. Kooperatives Lernen fokussiert die lernende Studentin, den lernenden Studenten und bezieht sich auf alle acht Merkmale studierendenzentrierter Lehre. Ein Lehr-Lern-Arrangement, das Selbstkonstruktion und Selbststeuerung betont, hat zur Folge, dass Lehrende die Verantwortung für Lernprozesse und -produkte an die Gruppe und die einzelnen Studierenden abgeben, sich nicht direkt einmischen und eine beobachtende, beratende und zur Reflexion anregende Rolle einnehmen. Es entstehen Räume zur Beobachtung, die in der herkömmlichen Lehre meist fehlen. Ganz allgemein werden mit Kooperativem Lernen verschiedene Strategien bezeichnet, deren Gemeinsamkeit die Gruppenarbeit ist. Kooperatives Lernen betont die Verschiedenheit der Studierenden, versteht diese als Ressource und will den Erwerb von Kenntnissen, Kompetenzen und Einstellungen durch Lernen in einer Gruppe oder einer Expertengemeinschaft ermöglichen. Zahlreiche Forschungen bestätigen die Wirksamkeit von Prozessen Kooperativen Lernens (Green & Green 2007; Huber 2006/1993; Johnson, Johnson & Holubec 2005; Konrad & Traub 2001).
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