Man darf nicht zwanghaft erwarten, dass man stets im optimierten Sinne handelt. Manchmal täuscht man sich selbst darüber, was ein optimierter Zustand ist.
Ein Beispiel veranschaulicht die Erwartung, die ein Sportler mit seinem psychophysischen Zustand verbindet:
Ein 15-jähriger Ausdauersportler ist mit seinen Leistungen im Wettkampf nicht zufrieden. Er habe einfach nicht den Kopf frei. Ihm komme alles Mögliche in den Sinn. Der Berater fragt ihn, ob er wirklich langsamer geworden sei, wenn ihm diese Dinge durch den Kopf gingen. Er antwortet, dass er sich jedes Mal sehr ärgere, weil er an Vieles denke, nur nicht an seine sportliche Handlung.
Der Berater erklärt ihm, es sei vermutlich nicht leistungsmindernd, und deute eher auf eine leistungsfördernde Selbstvergessenheit hin. Es ist nicht sinnvoll, sich während der sportlichen Höchstleistung über sich selbst zu ärgern und sich Vorwürfe zu machen.
Den Kopf frei zu haben, bedeutet nicht, dass man aufhört zu denken. Es sei denn, man hat höhere Kompetenzen in der Anwendung meditativer Techniken erworben.
Nach dem Wettkampf steht die Erholung im Vordergrund. Nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche des Menschen kann durchatmen und Ereignisse verarbeiten.
VERWEISE:
→ Training (8)
→ Psychophysische Regulation (12)
→ Selbstmassage (18)
→ Entspannung und Aktivierung (20)
→ Belastungsphasen (24)
→ Selbstreflexion (38)
→ Selbstbeobachtung (39)
→ Selbstkontrolle (40)
→ Einstellung (51)
→ Aberglauben (54)
→ Religion (55)
→ Aggressivität (73)
→ Ästhetik (74)
→ Sieg und Niederlage (80)
→ Fairness (88)
10
Entspannungsverfahren
Ein entspannter Muskel ist nicht schlaff. Er ist weniger gespannt und locker.
Entspannungsverfahren zählen in der Sportpsychologie zu den psychophysisch regulativ wirkenden Verfahren.
Regulieren bedeutet in diesem Fall: regeln, einstellen und ordnen. Das ist ein Verfahren zum Ordnen psychischer Zustände oder Handlungen, beispielsweise der Gedanken, Empfindungen, Gefühle.
Entspannungsverfahren können zur Regulation des aktuellen körperlichen und psychischen Befindens und zum Erwerb bzw. dem Lernen bestimmter Bewegungshandlungen eingesetzt werden, beispielsweise technisch korrekter Anläufe, Absprünge, Abwürfe, also zur Bewegungsregulation.
Die Realisierung einer sportlichen Handlung geschieht nicht einzig durch den Körper, also die Muskeln und Gelenke etc., sondern durch das Bewusstsein und Empfinden bzw. durch eine Absicht, einen Grund, ein Motiv. Auf solche Handlungsmotive einzuwirken, nennt man Handlungsregulation.
Die körperliche Wirkung geschieht über das vegetative Nervensystem und über die Regulation der Muskelspannungen. Damit kann Handeln zuverlässiger werden und können Bewegungen selbst beobachtet, wahrgenommen und reflektiert werden.
Entspannungsverfahren sollen helfen, die aktuelle Verbesserung der Befindlichkeit zu erreichen. Diese ist zum jeweiligen Zeitpunkt vermutlich unterschiedlich. Das heißt, dass die Befindlichkeit vor dem Wettkampf anders beschrieben wird als nach dem Wettkampf, was unter anderem auf das unterschiedliche Erregungsniveau zurückzuführen ist. Es stellt sich die Frage, inwieweit der Zustand der Erregtheit als positiv und angenehm empfunden wird bzw. in der Erregtheit, dass Wohlfühlen erreicht werden kann.
Entspannungsverfahren werden als Konzentrationstraining eingesetzt und bilden die Basis für die Durchführung des mentalen Trainings.
Wurde die Fähigkeit erworben, spontan einzelne Muskelketten zu entspannen, kann man im Wettkampf plötzlich auftretende muskuläre Anspannungen versuchen zu lösen. In diesem Fall kann dies als Handlungsregulation interpretiert werden. Die sportliche Bewegungshandlung soll wieder optimiert werden.
Die Wirkungen der psychophysischen Regulation von Entspannungsverfahren im Sport kann aus den Teilperspektiven der Psychoregulation, der Handlungsregulation und der Bewegungsregulation betrachtet werden.
VERWEISE:
→ Training (8)
→ Psychophysische Regulation (12)
→ Wohlgefühl (13)
→ Freies Bewegen (19)
→ Entspannung und Aktivierung (20)
→ Psychologisches Training (21)
→ Aqua Entspannung (23)
→ Konzentration (26)
→ Stressbewältigung (34)
→ Schlaf (59)
→ Beispiel Entspannung und Aktivierung für Bewegungseingeschränkte (90)
→ Entspannungstraining für Kinder (92)
11
Bewegungsregulation
erfordert Handlungsorientiertheit: Sie kann spontan und geplant stattfinden.
Um Bewegungshandlungen ausführen und kontrollieren zu können, ist es sinnvoll, mit seinen Gedanken und Gefühlen bei der Bewegungshandlung zu sein, die man ausführt. Im Tennistraining möchte man den Bewegungsablauf seines Aufschlages üben. Hierbei ist es wichtig, spüren und empfinden zu können, wie man gerade den Arm schwingt, die Hand hält, wie man den Ball hochwirft etc., damit man in der Lage ist, Bewegungsfehler zu erkennen und zu korrigieren.
In Sportarten, die von der Exaktheit komplexer Bewegungsabläufe bestimmt sind, zum Beispiel beim Geräteturnen, Trampolinturnen, Eiskunstlauf oder Wasserspringen ist es manchmal notwendig, Fehler in den Anfängen einer Bewegung auszugleichen, zu kompensieren, damit man nicht stürzt oder der Sprung gut aussieht. Es ist äußerst wichtig, sich bei der Ausübung der Bewegungen zu spüren und kontrollieren zu können.
VERWEISE:
→ Training (8)
→ Psychophysische Regulation (12)
→ Konzentration (26)
→ Handlungsorientierung (28)
→ Selbststeuerung (43)
→ Improvisation (47)
→ Rehabilitation (86)
Haben die Beine keinen Kontakt zueinander, lässt sich dieser Bewegungsablauf schlechter regulieren.
12
Psychophysische Regulation
Der Körper bedingt die Psyche, die Psyche bedingt den Körper.
Ein Physiotherapeut stellte der erfahrenen Mitbegründerin der Konzentrativen Bewegungstherapie, Miriam Goldberg (vgl. Hesse et al. 2001) folgende Frage: »Mir ist es so unangenehm, wenn ich jemanden behandle, und er beginnt zu weinen, weil er emotional berührt ist. Ich kann nicht damit umgehen, wenn sich plötzlich eine ›Seele‹ öffnet. Sie antwortete: ›Siehst Du diese Tür dort? Ich habe in den letzten Tagen nur Körper durch diese Tür kommen und gehen sehen, keine Seelen. Es gibt keine Seele.‹«
Das sogenannte Seelische ist für uns subjektives Erleben. Für die Wissenschaft ist es an das Körperliche gebunden. Man beobachtet und erlebt den Körper, seine Bewegungen, seine Handlungen, besonders im Sport.
Man kann sehen, ahnen oder sich vorstellen, wie sich ein Sportler fühlt, was er in einer entsprechenden Situation denkt, beispielsweise vor einem entscheidenden Sprung oder Strafwurf.
Auch die Wissenschaft benötigt Beobachtungen von Körpern, sei es in Form von Computertomografien oder EMGs oder EEGs oder mündlichen Aussagen oder Berichten.
Читать дальше