INHALT
THEMA
Die Geschichte des „rassistischen Albtraums“
Wider den Wahn der Hautfarbe
Von Marita Wagner
Rassismus: Herausforderung für die Kirchen
Von Regina Polak
Deutsche Kirche – weiße Kirche?
Die Replik von Marita Wagner auf Regina Polak
Was hat die Geschichte des Rassismus mit uns zu tun?
Die Replik von Regina Polak auf Marita Wagner
Im christlichen Happyland
Rassismus ist bislang nur selten ein Thema deutschsprachiger Theologie
Von Franca Spies
PROJEKT
Für alle schmerzhaft
Über Rassismus in der Kirche reden – analog und digital
Von Sarah Vecera
INTERVIEW
Rassismus: „Ich habe das Recht, dich auszulöschen.“
Ein Gespräch mit Amma Yeboah
PRAXIS
(Neo-)Koloniale Körperkonstruktionen, Rassismus und feministische Theologie
Von Sandra Lassak
Hörbare Stimmen
Zur Rezeption von Literatur Schwarzer Autor*innen in Deutschland
Von Daniela Kalscheuer
Mit bernsteinfarbenen Augen
Rassismuskritisch leben und arbeiten lernen
Von Anthea Bethge
Anders sehen lernen
Errungenschaften Afrikas nicht länger übersehen
Von Keith Hamaimbo und Georg Krämer
‚Rasse‘ in der Liturgie
Der Teufel steckt im Detail. Und Gott auch.
Von Bernd Hagendkord SJ
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
Rassismus – ein Thema für die kirchliche Bildungsarbeit?
Einblicke in das Projekt Kirche für Demokratie. Verantwortung übernehmen – Teilhabe stärken
Von Susanne Brandes
Café Hoffnung
Eine Wanderakademie gegen die Angst
Von Ruben Enxing
FORUM
Warum wir einmal im Jahr in den Iran reisen, um über Gott zu reden
Erfahrungen aus der theologischen Kooperation mit Hochschulen im Iran
Von Lukas Wiesenhütter und Klaus von Stosch
POPKULTURBEUTEL
Treppen und Aufzüge
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Re: Lecture
Von Judith Frömmer
Buchbesprechungen
Impressum
Die Lebendige Seelsorge ist eine Kooperation zwischen Echter Verlag und Bonifatiuswerk.
EDITORIAL
Hildegard Wustmans Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Rassismus ist eine weltumspannende und vielschichtige Realität. Menschen werden noch immer von Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe wahrgenommen, eingeteilt und ermordet. Dabei markiert Rassismus nicht nur das Handeln einzelner, sondern auch Herrschaftsverhältnisse und ist tief in Gesellschaften verwurzelt. Mit diesem Themenheft möchte die Lebendige Seelsorge einen Beitrag zur notwendigen Auseinandersetzung mit dem individuellen und strukturellen Rassismus in Theologie, Kirche und Gesellschaft leisten.
Marita Wagner beschreibt geschichtliche Entwicklungen und zeigt dabei auf, wie Wahrnehmungsmuster bis in die Gegenwart prägen. Regina Polak markiert unmissverständlich, dass Rassismus eine Herausforderung für die Kirchen ist und sich konkret im Umgang mit der Migration zeigt. Franca Spieß legt dar, wie notwendig es ist, dass weiße Menschen lernen, Rassismus wahrzunehmen und die eigenen Privilegien zu hinterfragen. Sarah Vecera berichtet von ihrem Arbeitsschwerpunkt Rassismus und Kirche. Im Interview gewährt Amma Yeboah Einblicke in ihre Erfahrungen als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und als Trainerin für Empowerment und Critical Whiteness. Sandra Lassak denkt in ihrem Beitrag über den Zusammenhang von Rassismus und Körper nach und Daniela Kalscheuer macht auf das literarische Schaffen Schwarzer Autor*innen in Deutschland aufmerksam. Wie rassismuskritisches Arbeiten und Lernen gelingen kann, welche Anstrengungen dies kostet und was zu gewinnen ist, beschreibt Anthea Bethge. Keith Hamaimbo und Georg Krämer engagieren sich dafür, mit entwicklungspolitischer Bildungsarbeit und in globalen Netzwerken gegen Rassismus zu arbeiten. Auch Sprache ist nicht unschuldig. Bernd Hagenkord SJ macht dies für die liturgische Sprache deutlich. Die Beiträge in der Rubrik des Bonifatiuswerkes beschreiben praxisnah wie Rassismus im Rahmen eines Projektes der kirchlichen Bildungsarbeit in Sachsen-Anhalt umgesetzt wurde und wie sich die Katholische Akademie des Bistums Dresden-Meißen mit dem mobilen Café Hoffnung und begleitenden Bildungsveranstaltungen in das Programm Weltoffenes Sachsen eingebracht hat.
Liebe Leserin, lieber Leser, ein facettenreiches Themenheft liegt in Ihren Händen. Ich wünsche Ihnen eine nachdenkliche Lektüre.
Prof.in Dr. Hildegard Wustmans
HINWEIS: DISKRIMINIERUNGSSENSIBLE SPRACHE
Diese Ausgabe verwendet die Schreibweisen race bzw. ‚Rasse‘, weiß und Schwarz und verweist damit auf soziale Konstruktionen, damit keine biologistischen Missverständnisse aufkommen. Weitere Informationen zu diskriminierungssensibler Sprache finden sich bspw. unter https://www.amnesty.de/2017/3/1/glossar-fuer-diskriminierungssensible-sprache.
THEMA
Die Geschichte des „rassistischen Albtraums“
Wider den Wahn der Hautfarbe
Rassismus und der Begriff der ‚Rasse‘ sowie das dahinterstehende Konzept sind keine neuzeitliche Erfindung, die auf die Nationalsozialisten zurückgeht. Vielmehr haben unterschiedlichste Denker über Jahrhunderte hinweg zur Verstetigung rassistischer Denkmuster beigetragen, welche sich zu einem biologisch-kulturellen Code ausdifferenziert haben. Dieser ermöglicht es, andere Menschen zu verachten, weil sie als vermeintlich unterlegen gelten. Eine geschichtliche Spurensuche des Rassismus in Deutschland. Marita Wagner
„Die Bedeutung, die der Hautfarbe beigemessen wird, ist immer und überall und auf ewig ein Wahn. Ich weiß, ich verlange Unmögliches. Doch in unserer Zeit, wie in jeder Zeit, ist das Unmögliche das Mindeste, was man verlangen kann“ ( Baldwin, 111), so schreibt der vielbeachtete afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin 1963 in seinem Werk The Fire Next Time über die Notwendigkeit, die rassistische weiße Dominanzgesellschaft in den USA und Europa zu demaskieren und zu dekonstruieren, auch wenn der Erfolg dieses Unterfangens noch so aussichtslos erscheint. Dazu bedürfe es der Auf- und Abgabe weißer Privilegien. Baldwin verfällt dabei keineswegs einem naiven Wunschdenken, wie die folgenden Worte verdeutlichen: „Die meisten [ Weißen ] hüten und bewahren; sie nehmen an, sie würden sich selbst und das, womit sie sich identifizieren, hüten und bewahren, während sie in Wahrheit ihr Konstrukt der Wirklichkeit und ihr eigenes Selbstbild hüten und bewahren. Man kann rein gar nichts geben, ohne sich selbst zu geben – das heißt, sich in die Waagschale zu werfen. Wenn man sich nicht selbst in die Waagschale werfen kann, ist man schlicht unfähig zu geben. Schließlich kann man Freiheit nur geben, indem man jemanden befreit“ ( Baldwin, 96).
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