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Weinert, Franz Emanuel (2001). Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Weinert, Franz Emanuel (Hrsg.). Leistungsmessungen in Schulen . Weinheim [u.a.]: Beltz, 17–32.
Die Perspektive der Organisationsforschung
Narration in der Kommunikation von Organisationssystemen
Annika Schach
Der Beitrag stellt im ersten Teil den systemtheoretischen Blick auf Organisationen und die Rolle von Sprache und Textsorten im wirtschaftlichen Kontext vor. Im zweiten Teil liegt der Fokus auf der Beschreibung des narrativen Kommunikationsmodus, der als Storytelling-Technik in Organisationen eine immer größere Bedeutung erlangt und die Anforderungen für die Aus- und Weiterbildung verändert.
Das Spektrum von Kommunikation im Unternehmenskontext ist breit: vom Gespräch des Vertriebsmitarbeiters mit einem Kunden bis zum Protokoll der Vorstandssitzung. Alle mündlichen und schriftlichen Kommunikationsformen werden mit dem Begriff der Organisationskommunikation Organisationskommunikation umschrieben, der die gesamte Kommunikation in und über die Organisation umfasst. Aus der Perspektive der soziologischen Organisationsforschung ist ein solch breites Kommunikationsfeld folgerichtig, da soziale Systeme aus systemtheoretischer Perspektive aus Kommunikation bzw. Kommunikation in der Form von Entscheidungen bestehen (Luhmann 1984). Nach der CCO-Perspektive (Communication Constitution of Organizations) entstehen und überdauern Organisationen erst dadurch, dass Sprachhandlungen im Namen der Organisation vollzogen werden (Hoffjann 2015:106). In der Unternehmenspraxis haben sich die Anforderungen an die Sprachkompetenz in vielen Bereichen differenziert und verbreitert. Das lässt sich anhand der manifesten Differenzierung der Textfunktion diverser Textsorten in der Wirtschaft ableiten: Waren beispielsweise in der externen Unternehmenskommunikation Unternehmenskommunikation1 ehemals hauptsächlich Informations- und Appellfunktionen zu identifizieren, kommen heute vielfältige Textsorten der Kontaktfunktion im Rahmen der DigitalisierungDigitalisierung und Textsorten mit Obligationsfunktion wie Leitbilder und Compliance-Richtlinien vor (Schach 2015:45). Die Veränderungen in der Organisationsumwelt, insbesondere im Journalismus, bewirken neben der Ausdifferenzierung ebenso eine Änderung des KommunikationsmodusKommunikationsmodus bzw. der Vertextungsstrategie. War die externe Organisationskommunikation, d.h. die Public Relations, vornehmlich durch deskriptive Textsorten geprägt, werden heute narrative Textstrukturen immer dominanter. Dem Einsatz von Geschichten wird eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Erreichung der gewünschten Aufmerksamkeits- und Einstellungsziele von Organisationen zugeschrieben.
2. Organisationen als Systeme
In der Organisationsforschung ist die systemtheoretische Perspektive auf Organisationen als geschlossene Systeme weit verbreitet. Durch ihre Schnittstelle zu einer systemtheoretisch orientierten Textlinguistik lassen sich die Funktionen von Texten und Sprache in der Organisation und ihrer Umwelt besser beschreiben. (Gansel, 2011) Die textlinguistische Analyse liefert Ergebnisse, wie Textsorten in der System-Umwelt-DifferenzSystem-Umwelt-Differenz zu strukturellen Kopplungen mit anderen Systemen führen können. Zudem lassen sich mittels textlinguistischer Kategorien Veränderungsprozesse in Bezug auf die Themenentfaltung von Textsorten der Wirtschaft bzw. der Organisationskommunikation identifizieren. Die funktional-strukturelle Systemtheorie ist in der Organisationsforschung in unterschiedlicher Prägung ausgearbeitet worden. Sie ist angelegt als komplexe Gesellschaftstheorie, die eine Grundlage bietet, die Entstehung von Systemen zu beschreiben. Ein entscheidender Vorteil der Systemtheorie liegt darin, dass sich mit ihr Phänomene der Mikroebene (Kommunikation), der Mesoebene (Organisationen) und der Makroebene (Gesellschaften und Funktionssysteme) gleichermaßen beschreiben und erklären lassen (Merten 2009:68). So lassen sich auch Beziehungen zwischen diesen Systemen sowie zwischen Organisationssystemen erläutern. In der Systemtheorie Luhmann‘scher Prägung besteht die Gesellschaft aus funktional ausdifferenzierten Teilsystemen wie z.B. Wirtschaft, Recht und Wissenschaft, die operativ geschlossen und autopoietisch strukturiert sind. Das bedeutet, dass soziale Systeme von der Umwelt lediglich irritiert werden und diese Irritationen auf der Basis eigener Strukturen auflösen können. Die unterschiedlichen Funktionssysteme übernehmen exklusiv bestimmte Aufgaben für die Gesellschaft. So übernimmt das Wirtschaftssystem die Allokation knapper Güter (Luhmann 1998). In allen Funktionssystemen operieren Organisationen, die eine KomplexitätssteigerungKomplexitätssteigerung der jeweiligen Funktionssysteme ermöglichen, wie beispielsweise Unternehmen im Wirtschaftssystem. So müssen die einzelnen Systeme bei der Erfüllung ihrer spezifischen Funktionen nur einen Teil der gesamtgesellschaftlichen Komplexität bewältigen, das Prinzip ist demnach eine „Steigerung durch Reduktion von Komplexität“ (Luhmann 1984:507). Organisationen sind demnach Sinnsysteme, d.h. Sinnproduktion ist die spezifische Basis der Operationen ihrer Selbstreproduktion, um stabile Grenzen zur Umwelt aufrechtzuerhalten“ (Szyszka 2009:136). Im Unterschied zu gesellschaftlichen Funktionssystemen haben Organisationen eine besondere Operationsweise: Sie treffen Entscheidungen. Durch diese Fähigkeit sind Organisationen handlungs- und kommunikationsfähig. Sie sind damit die beobachtbaren und durch Kommunikation adressierbaren Operatoren der Funktionssysteme. Ihre Entscheidungen sind dabei immer doppelt kodiert: Sie folgen einerseits der Leitunterscheidung des Funktionssystems, dem sie angehören, und andererseits dem organisationseigenen Code, der der Sicherung der eigenen Existenz dient. Unternehmen folgen dem allgemeinen Code des Wirtschaftssystems (Zahlung/Nichtzahlung) und orientieren sich andererseits an der eigenen Effektivität und am eigenen Fortbestand (Krüger 2015:32). Allerdings wird die Gesellschaft im Zuge der Differenzierung heterogener und vielfältiger, da durch die Emergenz zusätzlicher Teilsysteme die Anzahl gesellschaftlicher Beobachterperspektiven steigt (Hoffjann 2007:92). Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen Systemen. Durch die wachsende Differenzierung steigt der Bedarf für Abstimmungen sowohl zwischen den Funktionssystemen als auch den Organisationen. Die Folge ist eine kontinuierliche Zunahme gesellschaftlicher Kommunikation, die wiederum zu einem wachsenden Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit führt. Die direkte Kommunikation über Systemgrenzen hinweg ist aus systemtheoretischer Perspektive unmöglich, da jedes Funktionssystem geschlossen ist und ausschließlich nach dem eigenen, exklusiven Code als Leitdifferenz operiert. Allerdings greifen hier die Konzepte der strukturellen und operativen Kopplung sowie der gegenseitigen Irritation.
3. Textsorten und Kommunikationsbereich
Auch in der textlinguistischen Perspektive wird ein systemtheoretisches Begriffs- und Definitionsinstrumentarium zur Analyse von Textsorten herangezogen, um den Kommunikationsbereich von Textsorten zu untersuchen, die menschliches Handeln im Allgemeinen reflektieren und sich in verschiedensten Kommunikationsbereichen ausprägen (vgl. Gansel 2011:12).
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