Ciril Rütsche - Person und Religion

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"Der Verfasser erwirbt sich mit dieser Arbeit ein großes Verdienst, indem er die Tradition der realistischen Phänomenologie und deren Vertreter Dietrich von Hildebrand in Erinnerung ruft. Denn wenn dieser Ansatz in den letzten Jahrzehnten gegenüber der analytischen Philosophie stark zurückgetreten ist (dies gilt jedenfalls für Deutschland, aber nur bedingt für die USA), so verdient sie doch Interesse. Die Religionsphilosophie von Hildebrands ist praktisch noch gar nicht bearbeitet worden, sodass der Verfasser auf diesem Gebiet Pionierarbeit leistet. Der Argumentationsgang der Arbeit ist durchweg transparent und kohärent. Aus verstreuten Quellen wird die Religionsphilosophie von Hildebrands Schritt für Schritt rekonstruiert, sodass am Ende das gesamte Theoriegebäude vor Augen steht. Die Untersuchung leistet aber nicht nur eine immanente Rekonstruktion, sondern arbeitet durch zahlreiche Abgrenzungen (Husserl, Thomas, Kant, Feuerbach, Dawkins etc.) das Profil dieses Ansatzes heraus. So stellt die vorliegende Abhandlung einen echten Forschungsbeitrag dar."
Prof. Dr. Johannes Brachtendorf

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Ciril Rütsche

Person und Religion

Eine Darstellung der Religionsphilosophie Dietrich von Hildebrands

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2017 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.francke.de• info@francke.de

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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-7720-0025-6

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Vorwort

Das Werk Person und Religion. Eine Darstellung der Religionsphilosophie Dietrich von Hildebrands von Dr. Dr. Ciril Rütsche ist meines Wissens das erste über dieses Thema. In der Einleitung wird der Forschungsgegenstand nicht rein historisch als Darstellung der Religionsphilosophie Hildebrands und deren Hintergründe aus anderen Gebieten der Philosophie, sondern im Sinne eines echten „ symphilosopheins,“ eines Mit-Philosophierens mit Hildebrand, bestimmt. So etwa schreibt der Autor gleich zu Beginn der Einleitung:

Da die absolute Wahrheit in von Hildebrands Weltanschauung einen archimedischen Punkt einnahm und er ihre Erkennbarkeit auch zu begründen wusste, wird in dieser Arbeit zugesehen, ob und wenn ja, inwiefern die Religion Gegenstand philosophischen Erkennens ist und damit als vernünftig erwiesen werden kann.“ Oder, etwas später in der Einleitung; „Bietet die Relation zwischen Mensch und Gott die epistemologische Möglichkeit, gewisse Züge mit absoluter Gewissheit erkennen zu können? Das muss sich erweisen … Wobei dies freilich, wie bereits an dieser Stelle festgehalten werden kann, in erster Linie davon abhängt, ob der Mensch die objektive Wahrheit erkennen und sich und seine Welt transzendieren kann, wie auch, ob Gottes objektive Existenz sich überhaupt begründen lässt.

Und wiederum, noch deutlicher:

Das Forschungsziel besteht in diesem Rahmen schliesslich im Aufweis der Religion als einem Dialog zwischen Mensch und Gott. Kann von diesem Dialog erwartet werden, dass er die entscheidenden Fragen des Menschen zu beantworten, sein Bedürfnis nach Transzendenz zu befriedigen und sein Leben sinnvoll zu gestalten vermag? Um diese Frage beantworten zu können, ist es angezeigt, dass in einem ersten Schritt die Möglichkeit der Erlangung transzendenter Erkenntnisse begründet wird. Eine Aufgabe, die in wesentlichen Stücken in der Überwindung des Immanentismus und Subjektivismus Kantscher Prägung besteht, wobei auch der Erfahrung Rechnung zu tragen sein wird (vgl. Abschnitt I). Im Anschluss sei geprüft, wie es um die Erkenntnis Gottes und die dagegen erhobenen Einwände bestellt ist (vgl. Abschnitt II), um sodann das Wesen und die Gottfähigkeit des Menschen zu besprechen (Abschnitt III), sie daraufhin als mit Leben gefüllte Realität zu untersuchen und schliesslich die religiösen Aussagen und Überzeugungen betreffend den Zustand nach dem irdischen Tod kognitiv zu deuten und auf ihre Vernünftigkeit hin zu erörtern (Abschnitt IV). Was alles, wie gesagt, auf der Grundlage der philosophischen Einsichten Dietrich von Hildebrands unternommen wird. In die Diskussion werden dabei solch namhafte Denker einbezogen wie Thomas von Aquin, Immanuel Kant, Ludwig Feuerbach, Friedrich Nietzsche oder Max Scheler, um hier nur einige zu nennen.

Nach einer Darstellung der Grundzüge der „realistischen Phänomenologie“ und ihrer Loslösung von Husserls 1913 vollzogenen transzendentalen Wende und der Absichtserklärung des Autors, auf dem methodologischen Fundament der realistischen Phänomenologie im Sinne Hildebrands die systematischen, von ihm aufgeworfenen Fragen zu behandeln, bestimmt Rütsche den näheren Gegenstand seiner Arbeit noch einmal in einem doppelten, historischen und systematischen Sinn:

1 Er will die Forschungslücke schließen, die auf dem Gebiet der Erforschung der Religionsphilosophie Hildebrands besteht. Diese wurde von Hildebrand selber nie in der Religionsphilosophie gewidmeten systematischen Publikationen, sondern nur in verschiedenen handgeschriebenen Vorlesungsmanuskripten aus dem Nachlass relativ systematisch dargestellt.

2 Zugleich will er jedoch Hildebrands sich vom Autor selber weitgehend zu eigen gemachte Philosophie auf eine Kritik der Religionskritik anwenden: „Ausstehend ist auch eine unterscheidende Inblicknahme der gegenwärtig gleichsam in der Luft liegenden Kritiken an der Religion im Lichte der philosophischen Beiträge von Hildebrands. Zur Behebung dieser und weiterer Mängel will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten.“

Der erste Abschnitt, „Das Wissen um das Transzendente“, behandelt den allgemeinen phänomenologischen Realismus Hildebrands, der dessen Erkenntnistheorie kennzeichnet, die von Dietrich von Hildebrand selber in seinen Schriften Der Sinn philosophischen Fragens und Erkennens , What is Philosophy? , aber auch in den Prolegomena zu Ethik , zu Das Wesen der Liebe, sowie in „Das Cogito und die Erkenntnis der realen Welt“ und anderen Werken ausführlich dargelegt wurde.

Rütsche faßt die Hauptinhalte der Erkenntnistheorie Hildebrands nicht nur sehr treffend zusammen, sondern stellt ihren Grundriß, wiederum im Sinne eines Mit-Philosophierens, synthetisch, aber sehr präzise dar. Im Mittelpunkt von Rütsches sehr gründlicher Darstellung der Kritik Hildebrands am Erfahrungsbegriff Humes und Kants und seiner Begründung eines philosophischen Realismus steht die Frage, wie – auf Grund der Hildebrand’schen Unterscheidung dreier verschiedener Arten von Wesenheiten – eine Einsicht in das transzendente Fundament synthetischer Urteile a priori möglich ist. Rütsche teilt die der Kantischen konträre Position Hildebrands, daß die sogenannte „Erkenntnis a priori“ in dem Geist transzendenten notwendigen Wesenheiten, die dem erkennenden Subjekt zugänglich sind, den Grund ihrer Möglichkeit besitzt, nicht in subjektiven Strukturen oder Denknotwendigkeiten des Subjekts. Damit ereignet sich bei Hildebrand eine radikale und scharsinnig rational durchdachte Abkehr von dem Subjektivismus der Kantischen, Hume’schen, sowie dem Großteil nachfolgender Philosophien.

Auch die an Hildebrands Darlegung des realistisch verstandenen Cogito-Arguments1 anschließenden Darlegungen des Autors zu einer dem erkennenden Subjekt transzendent existierenden realen Welt – der eigenen Person, der „Außenwelt“ und anderer Personen – nehmen in diesem Abschnitt der Arbeit Rütsches eine wichtige Rolle ein.

Der zweite Abschnitt, „Die Erkenntnis Gottes“, faßt die von Hildebrand nirgends gesamtheitlich dargelegten Beiträge zusammen, die in verschiedensten Werken verstreut vorliegen, nun aber von Rütsche in ihrer systematischen Einheit dargestellt und in einen Dialog mit verschiedenen Formen des Atheismus und der Religionskritik im 19. Und 20. Jahrhundert von Feuerbach bis Richard Dawkins gebracht werden.

Dabei erörtert Rütsche im Kontext der in Hildebrands Philosophie steckenden Schlüssel zu Widerlegung des dem „neuen Atheismus“ zugrundeliegenden radikalen Materialismus auch wesentliche Analysen Hildebrands zur philosophischen Anthropologie und entwickelt insbesondere seine Einsichten in die Geistigkeit der Person und der menschlichen Seele, sowie seine Kritik des Materialismus, noch weiter als sie von Hildebrand selber formuliert wurden. Er betont die besondere Rolle der Werte und ihrer „Frohen Botschaft“, die Hildebrand mehr als Hinweise auf Gottes Existenz, denn als Beweise auffaßt. Rütsche versucht nachzuweisen, wie auf dem Boden der auf Anselm und Duns Scotus entwickelten Lehre der „reinen Vollkommenheiten“ Hildebrands philosophische Theologie echte Gottesbeweise hätte bieten können und auch dem ontologischen Gottesbeweis hätte zustimmen müssen, und wie dieser sich gleichsam logisch aus Hildebrands Position ergibt, obwohl Hildebrand selber ihn in seinen Schriften abgelehnt hat.2

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