6 Medien und Kultur
6.1 Treffen der Staatsoberhäupter der Länder mit Amtssprache Deutsch
Am 8. September 2016 hat König Philippe die Staatsoberhäupter der deutschsprachigen Länder – hierzu gehören neben Belgien auch Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich und die Schweiz – zum 13. informellen Gipfeltreffen nach Eupen eingeladen. Seit 2004 gibt es diese Treffen der deutschsprachigen Länder. 2014 hat der König die Initiative ergriffen und dafür gesorgt, dass auch Belgien beitritt und kurz darauf direkt nach Belgien eingeladen (Neumann 2016).
So wurde für die Öffentlichkeit ein Zeichen gesetzt, dass Belgien auch ein deutschsprachiges Land ist.
6.2 Rat für deutsche Rechtschreibung
Die DG hat ihren Platz in den internationalen Gremien, wo Belgien regional vertreten ist. Es war deshalb überaus wichtig, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft sich sprachlich anderen Ländern anschließt. Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens hat seit 2006 einen festen Platz im Rat für deutsche Rechtschreibung (40 Mitglieder: der Vorsitzende, 18 Vertreter aus Deutschland, 9 aus Österreich, 9 aus der Schweiz, 1 aus Südtirol, 1 aus Liechtenstein, 1 aus der DG Belgiens; Luxemburg entsendet einen Beobachter). Der Rat für deutsche Rechtschreibung tagt normalerweise in Mannheim, doch in der ersten Amtszeit hat er mindestens ein Mal in allen deutschsprachigen Ländern getagt – so zweimal in Eupen (2008 und 2014), was für die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens einen überaus symbolischen Charakter hatte. Die Beschlüsse des Rates sind vom Parlament der DG übernommen und verabschiedet worden, sodass die einheitliche Rechtschreibung, wie sie vom Rat vorgelegt wurde, in Belgien in Schule und Verwaltung gesetzlich gültig ist (Bouillon 2011: 49). Im Bereich der deutschen Orthografie haben die Beschlüsse des Parlaments der DG einen verpflichtenden Charakter für das ganze Land.
Es gibt in der DG hauptsächlich eine Tageszeitung, das GrenzEcho , und einen Rundfunk- und Fernsehsender, den BRF . Beide werden intensiv von der Bevölkerung rezipiert. Doch die Reichweite, vor allem des BRF , geht weit über die Landesgrenzen hinaus.
Das GrenzEcho wurde am 4. Juni 1927 von Pierre Van Werveke und dem aus Eupen stammenden Henri Michel gegründet. Anfangs erschien es nur ein Mal pro Woche. 1920 gab es insgesamt fünf Zeitungen in Ostbelgien, die alle Belgien gegenüber eher feindlich gestimmt waren.
1929 wurde die Katholische Partei Eigentümer der Zeitung GrenzEcho . Von 1932 bis 1985 gehörte sie dem katholischen Verein „Action Catholique“ in Verviers. Das GrenzEcho war die erste Zeitung in deutscher Sprache, die sich zum noch weitgehend ungeliebten, weil aufgezwungenen Vaterland und zur belgischen Politik bekannte, sagt uns die Webseite des GrenzEcho. 1 Das GrenzEcho positionierte sich eindeutig gegen den Nationalsozialismus, wurde deshalb auf deutschem Boden ab April 1933 verboten, und Henri Michel wurde nach Kriegsausbruch ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Nach Kriegsende übernahm er als Chefredakteur wieder die Leitung der Zeitung. Die Weiterführung der Zeitung ging damals einher mit einer starken Distanzierung von der jüngsten Vergangenheit.
Die heutigen Aktivitäten der GrenzEcho AG, die neben der Tageszeitung auch den Buchverlag GrenzEcho Verlag (GEV), die Druckerei und das Internet-Portal grenzecho . net besitzt, werden von den jeweiligen Besitzern geprägt – aktuell mehrheitlich von der Rossel-Gruppe. Dabei handelt es sich um eine Presse-Gruppe, der verschiedene Medien in Belgien und Nord-Frankreich angehören. Sie übernahm 1996 Kapitalanteile im GrenzEcho ; seit Oktober 2017 hält sie 75 Prozent der Anteile und wird in absehbarer Zeit die bestimmende Kraft sein.
Journalistisch ist das GrenzEcho heute wie viele Medien in anderen Regionen oder Staaten eine vierte Macht geworden. Für jeden Politiker vor Ort ist es wichtig, darin präsent zu sein. Manch eine politische Diskussion wird öffentlich in den Medien geführt. Auch wenn die Zeitung bescheiden ausfällt, so ist sie dennoch mitentscheidend in der Meinungsbildung in Ostbelgien.
Ferner berichtet die Tageszeitung intensiv über die örtlichen Sportereignisse und das kulturelle Geschehen. Aber auch über die innerbelgischen Geschehen wird ausführlich berichtet – das GrenzEcho hat einen erfahrenen Korrespondenten in Brüssel, Gerd Zeimers, was ja ein deutschsprachiger Leser kaum in einer deutschen Zeitung finden könnte.
Es soll allerdings bemerkt werden, dass die geschriebene Presse eine finanzielle Unterstützung von der DG erhält, denn „Tageszeitungen mit einer Mindestauflage von 7500 Exemplaren kommen in den Genuss von Subventionen“.2 Auch wenn der Zeitung kaum vorgeworfen werden kann, sie sei ein politisches Organ, soll doch festgestellt werden, dass das finanzielle Überleben durch das eventuelle Verschwinden der Dotation gefährdet wäre.
Neben dem GrenzEcho hat sich seit fünf Jahren auch ein Internet-Medium durchgesetzt: Ostbelgien Direkt .3
Kurz nach Ende des Krieges, am 1. Oktober 1945, wurde die erste Sendung in deutscher Sprache von Brüssel aus ausgestrahlt. Es ging darum, die ostbelgischen Bürger in ihrer Muttersprache über Rundfunk zu informieren. 1977 wurde das Belgische Rundfunk- und Fernsehzentrum der Deutschsprachigen Gemeinschaft (BRF) in Eupen gegründet. Anfangs wurde nur vier Stunden pro Tag gesendet, nämlich von 12 bis 14 Uhr und von 18 bis 20 Uhr. Die Sendungen wurden in der Maison de la Radio in Brüssel produziert. Später, in den 1990er Jahren, zog der Sender nach Eupen um, wo das Angebot ständig ausgebaut wurde. Seit Oktober 1999 sendet der BRF ein Fernsehmagazin über das Kabelnetz der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Seit dem 25. November 2001 übernimmt der BRF auf der Brüsseler Frequenz 95,2 MHz Programme des Deutschlandfunk (DLF) .
Heute bietet der BRF zwei Radioprogramme und ein Fernsehprogramm an. Über Kabelfernsehen können die deutschsprachigen Belgier heute eine ganze Menge Rundfunk- und Fernsehsendungen in deutscher Sprache empfangen. Die Resonanz der hiesigen Medien ist dennoch groß; auch grenzübergreifend werden die BRF -Programme gehört und angeschaut, sehr viel in Flandern, aber auch in Deutschland und in den Niederlanden, wie mir der frühere BRF -Direktor Hans Engel gesagt hat. Und über Internet bleiben die ausgewanderten Ostbelgier in Kontakt mit der Heimat.
In kulturellen Angelegenheiten drücken sich die verschiedensten Empfindungen von Künstlern und kulturfördernden Verbänden oder Gemeinschaften frei aus. Gibt es so etwas wie eine „ostbelgische Kultur“? Es ist schwierig, sich hier einen kohärenten Überblick zu verschaffen, denn in diesem Tätigkeitsfeld gibt es zwar eine Menge Beiträge in Belgien, wo es eine Reihe Künstler und kulturschaffende Persönlichkeiten gibt, doch bei einem derartigen Überblick könnten Beiträge vergessen oder schlecht eingeordnet werden. Deshalb können hier nur schemenhaft einige Ansätze aufgezeigt werden.
Einer der ersten, der sich in den anfänglichen belgischen Jahren mit Geschichte, Sprachwissenschaft und Kultur befasst hat, war Bernard Willems. Dieser Doktor der Königsberger Universität, gebürtiger Elsenborner, hat zwischen 1948 und 1949 seine Ostbelgische Kronik veröffentlicht, in der er sich mit den verschiedensten Problemen befasste, die ihm als relevant für die ostbelgische Gemeinschaft erschienen. Zum Beispiel: „Die Reims-Kölner Heerstraße, besonders im Kanton St. Vith“ oder „Die Waldnamen ‚Wald‘ und ‚Busch‘ in den Orts- und in den Flurnamen der Nordardennen (Thommen bis Konzen)“.
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