il est ce que nous autres, de qui le surréalisme est né, nous avons rêvé qu’il surgisse après nous, au-delà de nous, et j’imagine l’exaltation que tu aurais montrée à presque chaque instant de ce chef-d’œuvre de la surprise, où l’art de l’homme dépasse à chaque respiration du silence l’art supposé du Créateur. Peut-être aurais-tu dit de ce produit de l’avenir comme tu le fis des magiciens passés, des Nuits d’Young, de Swift, de Sade, de Chateaubriand, de Constant, de Hugo, de Desbordes-Valmore, d’Aloysius Bertrand, d’Alphonse Rabbe, etc., qu’ils étaient non point surréalistes, mais surréalistes dans quelque chose, aussi bien Edgar Allan Poe que Baudelaire, ou Rimbaud, Mallarmé, Jarry […] mais je veux trop dire pour en venir à jurer Dieu que tu aurais écrit que Bob Wilson est, serait, sera (il aurait fallu le futur) surréaliste par le silence, bien qu’on puisse aussi le prétendre de tous les peintres, mais Wilson c’est le mariage du geste et du silence, du mouvement et de l’inouï.10
Glaubt man außerdem Ionesco, so begeisterten Philippe Soupault und seine surrealistischen Freunde sich sehr für das Theater des absurden Dramatikers: „Quand, en 1952-53, lui, Breton et Benjamin Péret ont vu mes pièces, ils m’ont dit en effet: 'Voilà ce que nous voulions faire!'“11
Die vermeintlich ambivalente Haltung der Surrealisten zum Theater lässt sich dadurch erklären, dass sie die Materialität und den Zeichencharakter des Theaters ablehnten, die Entgrenzung des Theaters hin zum Leben aber begrüßten und anstrebten.
3.4 Das surrealistische Theater
Das surrealistische Theater als Forschungsgegenstand sah sich lange einem doppelten Dilemma ausgesetzt.
Auf praktischer Seite waren die Texte und Stücke lange Zeit kaum zugänglich, da sie nicht veröffentlicht bzw. gespielt wurden. Viele Stücke waren gar nicht in einem professionellen Rahmen entstanden, sondern waren nur einmalig von Amateuren (oft den Surrealisten selbst) aufgeführt worden. In den letzten Jahrzehnten wurden allerdings viele surrealistische Theatertexte veröffentlicht und Stücke vermehrt aufgeführt. Begonnen hat die wissenschaftliche Rezeption des surrealistischen Theaters mit der Wiederentdeckung des Surrealismus in den 1960er Jahren. Henri Béhar1 hat das surrealistische Theater im Jahr 1967 erstmals in den Fokus der Wissenschaft gerückt und überhaupt erst einmal definiert, welche Stücke unter diesem Begriff subsumiert werden können. Béhars Korpus surrealistischer Theaterstücke wird in diesem Kapitel zur Grundlage genommen. Gloria Orenstein2 wollte 1975 da anknüpfen, wo Béhar aufgehört hatte, nämlich am Theater, das nach 1940 außerhalb von Europa stattgefunden hat und in der surrealistischen Tradition stand. Damit hat Glorenstein in der Avantgardetheaterforschung schon früh eine nicht-eurozentristische Haltung eingenommen. David Zinder hat das surrealistische Theater 1976 aufgewertet als eine Art „missing link“ zwischen dem frühen Avantgardetheater und dem experimentellen Theater der 1960er und 1970er Jahren. Im surrealistischen Theater sei schon alles im Keim enthalten gewesen, was später auf den experimentellen Bühnen Furore gemacht habe. Annabelle Melzers3 Verdienst ist es, im Jahr 1980 den Aufführungkontext der surrealistischen Stücke rekonstruiert zu haben. Jürgen Grimm4 hat 1982 das surrealistische Theater erstmals nach bestimmten Kategorien untersucht. Holger Fock5 widmete sich 1988 ebenfalls dem Theater der Surrealisten und insbesondere dem „Théâtre Alfred Jarry“: die Bedeutung dieses Theaters sah er darin, dass das Theater hier zum ersten Mal vollständig in den Dienst der Poesie gestellt worden sei. Eine vergleichende Studie der avantgardistischen Theaterformen im Futurismus, Dadaismus und Surrealismus hat Sylvia Brandt im Jahr 1995 vorgelegt. Sie beleuchtet das Theater der historischen Avantgarde vor allem vor dem Hintergrund der von den Avantgardisten angestrebten Überführung von Kunst in Lebenspraxis. Das praktische Dilemma des surrealistischen Theaters hat sich also mit der Inventarisierung, Systematisierung, Analyse und Kontextualisierung surrealistischer Theaterstücke durch die Forschung aufgelöst.
Aus avantgardetheoretischer Sicht ist das surrealistische Theater problematisch, weil die Materialität, der Wiederholungs- und Simulationscharakter des Theaters sowie die durch Bühne und Zuschauerraum bestätigte Grenze zwischen Kunst und Leben der Intention der Avantgarde (also der Überführung von Kunst in Lebenspraxis) grundlegend widersprechen. Asholt löst den „gattungsspezifischen Unmöglichkeitscharakter“6 des surrealistischen Theaters, indem er zwischen einem surrealistischen Theater ersten Grades (Ästhetik) und einem surrealistischen Theater zweiten Grades (Gesellschaftsrevolution, Überführung von Kunst in Lebenspraxis) differenziert. Die surrealistischen Theatermacher hatten demnach zwei Möglichkeiten. Erstens die ästhetische Option, d.h. das Verharren in der Institution Theater und deren Weiterentwicklung von innen. Diesen Weg haben die Dramatiker Artaud und Vitrac gewählt, die die dramatische Tradition des surrealistischen Theaters eingeleitet haben. Zweitens die radikal-politische Option, d.h. die Selbstauflösung des Theaters. Die Kunstproduktion wurde eingestellt, da die Idee von der Überführung der Kunst in Lebenspraxis gescheitert war und schon gar nicht an einem Ort wie dem Theater, wo Kunst und Leben so offensichtlich voneinander getrennt sind, realisiert werden konnte. Die Surrealisten um Breton haben diesen Weg eingeschlagen, ihre Theaterstücke sind stark literarisch geprägt und nehmen von den spezifischen Gegebenheiten der Bühne so gut wie keine Notiz, da das Theater hier nicht selbstzweckhaft ist, sondern lediglich als eines von vielen Mitteln der gesamtgesellschaftlichen Revolution dient.
Im Folgenden werden die wichtigsten Aspekte einer surrealistischen Theaterästhetik untersucht. Diese werden später für die Theaterpoeten eine wichtige Rolle spielen.
In seinem in der Zeitschrift Le Surréalisme au Service de la Révolution veröffentlichten Essai sur la situation de la poésie (1931) hat Tristan Tzara, der von Breton im Second manifeste retabliert worden war, das Poesieverständnis der historischen Avantgarde auf den Punkt gebracht. Hier skizziert Tzara die Entwicklung der Poesie von einem bloßen Ausdrucksmittel hin zur Aktivität des Geistes. Die „poésie activité de l’esprit“ ist für Tzara die einzig akzeptable Form der Poesie:
Dénonçons au plus vite un malentendu qui prétendait classer la poésie sous la rubrique des moyens d’expression . La poésie qui ne se distingue des romans que par sa forme extérieure, la poésie qui exprime soit des idées, soit des sentiments, n’intéresse plus personne. Je lui oppose la poésie activité de l’esprit .1
Die Poesie erfährt im Surrealismus eine Entgrenzung, sie bricht aus dem Gedicht aus und ein in den Alltag, auf die Straße, in die populäre Kultur. Plötzlich ist sie, so Tzara, kein Selbstzweck mehr („la poésie n’a pas de fin en soi“2), sie kann nun auch „en dehors du poème“3 existieren. Und auch der Poet ist nicht mehr unbedingt derjenige, der Gedichte schreibt, denn „[i]l est parfaitement admis aujourd’hui qu’on peut être poète sans jamais avoir écrit un vers“4. Die Poesie ist keine Kategorie der Literatur mehr, sondern, so Breton und Eluard, „le contraire de la littérature“5. Sie steigt von ihrem Elfenbeinturm herab, um zum „élément de vie“6 zu werden, sie wird praktisch und geht in das Leben hinein. Das bedeutet auch, dass jeder dazu befähigt ist, Poet zu sein. Der von den Surrealisten verehrte Lautréamont hatte in Poésies II (1870) die Notwendigkeit einer Demokratisierung der Poesie („La poésie doit être faite par tous. Non par un.“7) sowie ihr Praktischwerden („La poésie doit avoir pour but la vérité pratique.“8) bereits betont. In Anlehnung an Lautréamont hatte Breton im Manifeste du surréalisme gefordert, man müsse „ pratiquer la poésie“9. Die echte Befreiung des Menschen konnte für die Surrealisten allein durch die praktisch gewordene Poesie erfolgen. Ende der 1960er Jahre erzählte Soupault, wie die surrealistischen Experimente ihn und Breton dazu gebracht hatten,
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