Theorien der Literatur VII

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Die Theorien der Literatur sind eine seit Jahrzehnten etablierte Buchreihe, die auf Ringvorlesungen an der Universität Augsburg zurückgeht. Bd. VII enthält erstmals einen thematischen Schwerpunkt: Es geht um die Beziehung der Literatur zu anderen Künsten. Im Fokus stehen dabei nicht Künste wie Musik und Bildende Kunst, sondern konkrete Ausformungen wie die Symphonik, die Malerei, der Comic oder der Film. Der Band leistet damit einen Beitrag zur Erforschung der wechselseitigen Einflüsse zwischen einzelnen Kunstformen, die gegenwärtig intensiv unter dem Titel der InterArt Studies untersucht werden.

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Theorien der Literatur

Band VII: Literatur und die anderen Künste

Günter Butzer / Hubert Zapf

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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© 2018 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.francke.de• info@francke.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

ePub-ISBN 978-3-7720-0061-4

Vorwort

Literaturtheorie ist in den letzten Jahrzehnten national und international zu einem der wichtigsten Bereiche der Literatur- und Kulturwissenschaften geworden. Ihr kommt eine grundlegende, kritisch-reflektierende und systematisch-orientierende Funktion für die gegenwärtige und künftige Lehre und Forschung zu. Literaturtheorie in dem Sinn, wie sie von den Autorinnen und Autoren dieses Bandes verstanden wird, ist nichts Abgehobenes oder nur Abstraktes, sondern stellt eine eigenständige, transdisziplinäre Form des Nachdenkens über Texte, kulturelle Prozesse, Symbolsysteme und Modelle menschlicher Selbstinterpretation dar. Sie ist daher in ihrer Bedeutung, wie die Literatur selbst, nicht auf den innerakademischen Bereich begrenzt, sondern potenziell von allgemeinerem Interesse. Das breite Spektrum von Fragen und Aufmerksamkeitsrichtungen, das sich mit ihr seit jeher verbunden hat und das sich im Repertoire klassischer Positionen von der Antike bis zur Moderne niederschlägt, hat sich im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert noch einmal entschieden erweitert durch neuere Ansätze, die sich im kritischen Dialog mit der Geschichte der Literaturtheorie herausgebildet haben und die mittlerweile zu wesentlichen Bezugspunkten eines zunehmend globalisierten literatur- und kulturwissenschaftlichen Diskurses geworden sind.

Im Blick auf diese Situation wurde die Reihe Theorien der Literatur konzipiert, in der bislang sechs Bände erschienen sind. Auch die Beiträge des nun vorliegenden siebten Bandes beziehen sich auf beide im Untertitel angesprochenen Seiten der literaturtheoretischen Debatte – auf ihre in lang zurückreichenden Reflexionsprozessen herausgebildeten Grundlagen und auf die in den vergangenen Jahrzehnten formulierten neuen Perspektiven , die oft unter Einbeziehung von Erkenntnissen anderer Disziplinen ästhetische Zeichenprozesse beleuchten und in ihren verschiedenen historischen, kulturellen, psychologischen und anthropologischen Dimensionen herausarbeiten. Diese beiden Pole markieren ohnehin keinen binären Gegensatz, denn einerseits bleiben auch die innovativen Ansätze der neueren Zeit noch im Gestus des radikalen Neuaufbruchs auf die Geschichte der Begriffs- und Diskursbildung angewiesen, die sich mit der kulturellen Evolution der Literatur und Literaturtheorie entwickelt hat. Und andererseits entfalten die klassischen Positionen im Rahmen neuer Fragestellungen und interdisziplinärer Impulse teilweise eine erstaunliche Aktualität, die sie als unverzichtbaren Bestandteil auch gegenwärtiger Orts- und Funktionsbestimmungen von Literaturtheorie erscheinen lässt.

Dieser Dialektik von Tradition und Innovation ist auch der vorliegende Band der Reihe treu geblieben. Er setzt jedoch insofern einen neuen Akzent, als er mit dem Thema „Literatur und die anderen Künste“ erstmals einen thematischen Schwerpunkt etabliert. Im Fokus steht dabei nicht die Beziehung der Literatur zu anderen Künsten im Allgemeinen, sondern zu konkreten Kunstformen. Der Band leistet damit einen Beitrag zur Erforschung der wechselseitigen Einflüsse zwischen den Künsten, die gegenwärtig intensiv unter dem Titel der InterArts Studies analysiert werden. Er versammelt Arbeiten, die die Bild-Text-Beziehungen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Werken der Naturkunde, aber auch im modernen Comic behandeln, ebenso wie Studien, die die Konkurrenz der Künste in der Renaissance und ekphrastische Verfahren in der realistischen Literatur des 19. Jahrhunderts untersuchen. In zwei Aufsätzen stehen die Rolle der Symphonik als Leitkunst für die Literatur der Romantik und der Moderne sowie die Relation von HipHop und Literatur im Zentrum. Ein Beitrag befasst sich mit der medialen Transposition eines literarischen Texts in unterschiedliche filmische Formate, ein weiterer thematisiert die Beziehung von Literatur und Film aus der Perspektive der psychoanalytischen Theorie Jacques Lacans. Die abschließenden Studien leuchten das intermediale Potenzial des Dramas aus und beschäftigen sich mit den interdiskursiven Bezügen von Literatur und Religion. Wie die vorherigen Bände der Reihe, sind auch die vorliegenden Beiträge aus einer Ringvorlesung hervorgegangen, die im Wintersemester 2015/16 und im Sommersemester 2016 an der Universität Augsburg stattfand. Zu den beteiligten Fächern gehören Kunstgeschichte und Filmwissenschaft, Anglistik und Amerikanistik, Germanistik und Romanistik sowie Theologie und Vergleichende Literaturwissenschaft.

Der herzliche Dank der Herausgeber gilt den Beiträgerinnen und Beiträgern sowie Tillmann Bub vom Francke Verlag für die ausgezeichnete Kooperation, insbesondere auch Claire Zander und Kathrin Windholz für ihr Engagement und die Sorgfalt, mit der sie das Manuskript für den Druck vorbereitet haben, sowie der Kurt-Bösch-Stiftung zugunsten der Universität Augsburg für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Es ist beabsichtigt, die Reihe sowohl als Vorlesung als auch in Publikationsform fortzusetzen.

Augsburg, im November 2017 Günter Butzer und Hubert Zapf

Stilisierte Krokodile

Bild und Text in der frühneuzeitlichen Naturkunde

Robert Bauernfeind

1. Visuelles Argumentationsmaterial

Text und Bild galten in der frühneuzeitlichen Naturkunde und insbesondere der Zoologie als gleichrangige Erkenntnismittel. Zum einen verdankte die Naturkunde des 16. und 17. Jahrhunderts einen wesentlichen Impuls der humanistischen Aufarbeitung antiker Schriften; dabei bildete etwa Plinius’ Historia Naturalis einen zentralen Bezugspunkt der nachantiken Betrachtung der Natur. Zum anderen musste sich diese Revision an den Kenntnissen exotischer Tiere messen lassen, die zunächst die spanischen und portugiesischen, dann vor allem die niederländischen Seefahrer aus Amerika und Asien nach Europa brachten. Die Basis der frühneuzeitlichen Naturkunde bestand also in der Auswertung antiker Texte; für die Einordnung bislang unbekannter Arten boten hingegen Bilder eine primäre Orientierung. Ihr epistemologischer Wert erschließt sich daraus, dass die Protagonisten der Naturgeschichte – besonders prominent Konrad Gessner und Ulisse Aldrovandi – Künstler anstellten, die nach Bildvorlagen ebenso wie lebenden Tieren und Präparaten Darstellungen von hoher mimetischer Raffinesse anfertigten. Ein berühmtes Beispiel sind zwei Vipern, die Jacopo Ligozzi, Hofkünstler der Medici, für Aldrovandi gezeichnet hat. Indem Ligozzi die Schlangen als Trompe-l’oeil darstellte – die Tiere scheinen sich, ornamental in einander verschlungen, auf dem mit zwei Textblöcken beschriebenen Blatt zu winden –, verschärfte er die Suggestionskraft der Darstellung so weit, dass die Gefährlichkeit der Giftschlangen geradezu greifbar erscheint.1

Das argumentative Potential der Bilder versuchten die Autoren auch für ihre Publikationen zu nutzen. Konrad Gessner ordnete etwa die Einträge in seiner vierbändigen, ab 1551 erschienenen Historia Animalium um die Darstellung des jeweils beschriebenen Tiers an, wobei der Text das Bild durch Verweise einbezieht. Die für den Druck benutzten Holzschnitte erreichen selten die ästhetische Qualität der Zeichnungen; gleichwohl vermögen sie wesentliche Merkmale der Tiere zu veranschaulichen. Ein berühmtes Beispiel ist die Darstellung eines Paradiesvogels im dritten Band, das zugleich die methodischen Schwierigkeiten der Erfassung exotischer Fauna aufzeigt, die jeweils nur an raren Einzelexemplaren vollzogen werden konnte. Als Vorlage scheint eine Zeichnung von Konrad Peutinger gedient zu haben, dem jedoch lediglich der Balg des Vogels vorgelegen war. Da diesem vermutlich bereits vor seinem Export nach Europa die Füße entfernt worden waren, entstand dort die Annahme, der Paradiesvogel habe keine Füße und verbringe sein gesamtes Leben im Flug.2 Sie verfestigte sich so sehr, dass der Paradiesvogel bereits in Joachim Camerarius’ ab 1592 erschienen Symbola et Emblemata zum Sinnbild für ein vergeistigtes Leben überhöht war.3

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