3.8 Exklusivitätsvereinbarung
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Wird ein Unternehmen außerhalb eines Bieterverfahrens verkauft oder soll kurz vor Abschluss eines Bieterverfahrens mit einem Bieter für einen kurzen Zeitraum exklusiv verhandelt werden, werden die Parteien im Einzelfall nicht bloß faktisch exklusiv verhandeln, sondern u.U. eine zeitlich befristete Exklusivitätsvereinbarung abschließen.
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Die Gewährung einer zeitlich befristeten Exklusivitätist sozusagen die Gegenleistung für die Bereitschaft des Kaufinteressenten, erhebliche Zeit und erheblichen Aufwandin den Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags zu investieren.
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Für den Verkäufer ist die Vereinbarung von Exklusivität zumindest in einem frühen Transaktionsstadium regelmäßig nachteilig: Er kann nicht den Markt testen (was sich kaufpreismindernd auswirken kann) und versperrt sich die Möglichkeit, auf einen besonderes zügigen Transaktionsprozess hinzuwirken.
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Kern einer typischen Exklusivitätsvereinbarung ist die Verpflichtung, bereits begonnene Verhandlungen mit anderen Interessenten zu beenden bzw., bei Bieterverfahren, zu unterbrechen, keine Verhandlungen mit neuen Interessenten aufzunehmen und die Verhandlungen mit dem exklusiven Verhandlungspartner während der Exklusivitätsperiode konstruktiv (nach Treu und Glauben) zu führen. In der Praxis findet man aber auch schon insoweit Schattierungen. So mag sich der Verkäufer (wenn er den Wettbewerb aufrechterhalten will) lediglich dazu verpflichten, während des Exklusivitätszeitraums keinen Kaufvertrag oder funktionsgleichen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen.477
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Die Dauer der Exklusivität hängt von den Einzelfallumständen ab. Regelmäßig ist es aus Verkäufersicht empfehlenswert, nur kurze Fristen einzuräumen und sie ggf. zu verlängern. Zudem finden sich oft Bestimmungen, nach denen der Exklusivitätszeitraum vorzeitig endet, wenn der Kaufinteressent nicht mehr zu seinem Angebot steht.478 Da es für den Käufer im Falle einer Verletzung der Exklusivitätsverpflichtung regelmäßig sehr schwierig sein wird, seinen Schaden zu beweisen,479 ist es aus Sicht des Kaufinteressenten ratsam, pauschalierten Schadensersatz oder eine Vertragsstrafe zu vereinbaren. Sie kann, wenn die Exklusivitätsvereinbarung ausnahmsweise nicht verhandelt worden ist und als AGB zu qualifizieren sein sollte, der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegen. Vertragsstrafen können unter den Voraussetzungen des § 343 BGB gerichtlich herabgesetzt werden. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Vertragsstrafe von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen worden ist (§ 348 HGB). Grenzen aus den Kapitalerhaltungsvorschriften oder, bei Aktiengesellschaften, aus § 71a AktG (gelegentlich wird, wohl in Anlehnung an den City Code on Takeovers and Mergers , eine Grenze von 1 % des Transaktionswertes genannt480) bestehen nur, wenn die Zielgesellschaft eine Aktiengesellschaft ist und selbst den pauschalierten Schadensersatz oder die Vertragsstrafe verspricht – bei „ Private M&A “-Transaktionen ein definitionsgemäß nicht relevanter Fall.
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Begründet eine Exklusivitätsverpflichtung einen rechtlichen oder unangemessenen wirtschaftlichen Zwang zum Abschluss des Hauptvertrags, besteht das Risiko, dass für die an sich formlos zu vereinbarende Exklusivitätsvereinbarung bereits die Formvorschriften des Hauptvertrags einzuhalten sind. Das gilt allerdings nur für solche Formvorschriften, die Warn- und Hinweisfunktion haben. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, die für die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen notarielle Beurkundung vorsehen, haben keine Warn- und Hinweisfunktion, sondern sollen die Fungibilität von GmbH-Geschäftsanteilen einschränken. Richtigerweise lösen unangemessen hohe Schadenspauschalierungen oder Vertragsstrafen daher bei typischen Share Deals keine Beurkundungspflicht aus.481
477Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34. 478Jäckle/Strehle/Clauss, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 51 Rn. 14. 479Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34. 480Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 49; Jäckle/Strehle/Clauss, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 51 Rn. 19 m.w.N. 481So auch Hilgard, BB 2008, 286, 289; Gärtner/Wiedeck, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 5 Rn. 34; etwas anderes kann bei einem Asset Deal gelten, wenn im Zusammenhang damit auch Grundstücke verkauft werden, da § 311b BGB Warn- und Hinweisfunktion hat; etwas anderes kann auch bei geplanten Verschmelzungen oder Spaltungen gelten, weil auch die §§ 13, 125 UmwG Warn- und Hinweisfunktion haben.
3.9 Sonstige Vorfeldvereinbarungen
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Erfolgt der Verkauf außerhalb eines Bieterverfahrens in bilateralen Verhandlungen ( One-on-One ), schließen die Parteien oft frühzeitig eine Absichtserklärung (Letter of Intent)oder beidseitige Absichtsvereinbarungen (Memorandum of Understanding, Non-Binding Term Sheet, Heads of Agreement)ab, in denen sie den zu diesem Zeitpunkt erreichten Verhandlungsstand zusammenfassen, oft darüber hinaus den weiteren Transaktionsprozess einschließlich Milestones vereinbaren und ggf. Exklusivität482 und regelmäßig Vertraulichkeit (wenn sie nicht bereits in einem vorher abgeschlossenen NDA vereinbart wurde483) vereinbaren.
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Solche Letters of Intent ( LoI ), Memoranda of Understanding ( MoU ), Heads of Agreement oder Non-Binding Term Sheets haben rechtlich regelmäßig insoweit einen hybriden Charakter, als sie regelmäßig rechtlich unverbindliche Absichtserklärungen und zugleich rechtlich bindende Klauseln enthalten.484
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Der fehlende rechtliche Bindungswille im Hinblick auf die Absichtserklärungen sollte durch Klauselformulierungen wie
( „... beabsichtigen nach derzeitigem Stand,...“ )
selbst, eine ausdrückliche Regelung des nicht bindenden Charakters der Absichtsvereinbarungen oder Teilen davon
( „This letter only constitutes a statement of the mutual intentions of the Parties with respect to the Transaction. A binding commitment will only result from the execution of Definitive Agreements“ 485)
sowie umgekehrt einer Regelung, die die ausnahmsweise bindenden Klauseln aufzählt
( „Notwithstanding clause [ ● ] above, the provisions of clauses 5 to 11 of this Letter of Intent shall be binding upon the Parties“ 486),
klar geregelt werden. Im nicht bindenden Teil sollte bevorzugt „will“ statt „shall“ verwendet werden.487 Fehlen solche Klauseln, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Klauseln bindend oder nicht bindend sind.
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Die Überschrift als Letter of Intent oder Memorandum of Understanding indiziert den grundsätzlich rechtlich unverbindlichen Charakter.488
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Werden solche Absichtsvereinbarungen in Bezug auf den beabsichtigten Verkauf von GmbH-Geschäftsanteilen abgeschlossen, ergibt sich ihr unverbindlicher Charakter auch aus § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, wenn sie nicht beurkundet worden sind. Derartige Absichtserklärungen oder -vereinbarungen können in der Regel bei einem Share Deal (und zwar regelmäßig selbst dann, wenn darin enthaltene verbindliche Verpflichtungen durch pauschalierten Schadensersatz oder Vertragsstrafen abgesichert werden, die einen rechtlichen oder unangemessenen wirtschaftlichen Zwang zum Abschluss des Hauptvertrags begründen489) formlos vereinbart werden.
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