Durch diese Anpassungsleistung fühlt sich das Gegenüber wohl und befinden sich bestenfalls in einer emotionellen Komfortzone, in der der Stresspegel abfällt und die Anspannung gesenkt und gleichzeitig die Zufriedenheit im besten Falle maximiert werden können. Auch die Sitzordnung kann dafür sorgen, Gesprächskomfortzonen und damit ein zugewandtes Gegenüber zu schaffen. Je nachdem, um welche Art von Gespräch es sich handelt, macht allein die Anordnung der Stühle deutlich, wie ernst eine Situation ist. Eine bestimmte Sitzweise kann ein kollegiales Miteinander oder ein klares hierarchisches Gefälle betonen. So sorgt ein runder Tisch in der Regel für mehr Wohlgefühl als ein eckiger. Wer zu zweit sitzt, schafft mit einer Übereck-Anordnung mehr Nähe als mit dem sachlichen, aber distanzierterem vis-à-vis. Je entspannter, angepasster und abgestimmter die Atmosphäre, desto größer die Aussicht auf Erfolg. Wer es gern klar strukturiert mag, braucht keine übermäßige Kuschelatmosphäre. Manche Menschen dagegen benötigen eine Aufwärmphase und lieben es, Gespräche mit – gern auch privatem – Smalltalk zu beginnen. Wieder andere brauchen Zahlen, Daten und Fakten bis in kleinste Details, um sich sicher zu fühlen. Diese Bedürfnisse zu bedienen, sich darauf einzustellen, vorzubereiten und im Gespräch darauf einzuschwingen, bedeutet, dem Verhaltensstil des Gegenübers gerecht zu werden. Die Führungskraft sollte in der Lage sein, ihre Mitarbeitenden dahingehend einzuschätzen.
Abb. 1: Erfolgreiche Gespräche führen
Gerade wenn der oder die Mitarbeitende keine Zeit hatte, sich auf ein Gespräch vorzubereiten, kann es hilfreich sein, vor Beginn des Gesprächs Ängsten und Sorgen den Wind aus den Segeln zu nehmen: man sagt offen, dass man auf einen konstruktiven Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden Wert legt und es ganz normal ist, dass Themen gemeinsam besprochen werden. Kritik darf keine Bedrohung oder Abwertung darstellen, sondern unterstützt beispielsweise eine strukturiertere Zusammenarbeit und die Verbesserung der Prozesse. Das alles ist zu Beginn einer Gesprächseinladung förderlicher als ein schnelles »Kommst du mal, wir müssen reden«, um anschließend mit der »Tür ins Haus« zu fallen.
• Bei eigener geringer Anpassungsleistung und hohem Stresslevel beim Gegenüber befindet sich der oder die Gesprächspartner*in in der sogenannten Problemzone. Etwaige Differenzen und Konflikte treten offen zutage. Er bzw. sie reagiert abwehrend und abweisend. Es kann laut und emotional werden. Für rationale Argumente ist kaum noch Platz oder ein Durchkommen. Eine konstruktive Lösung gerät vollständig aus dem Fokus.
• Bei geringer Anpassungsleistung der Führungskraft und einem gewissen Stressempfinden bei dem oder der Mitarbeitenden befindet sich diese*r eher in der Diskomfortzone. Er oder sie ist verunsichert, macht sich Sorgen, weiß nicht, was ihn oder sie erwartet. Spannungen brodeln vielleicht unter der Oberfläche, an eine konstruktive Lösung wird eher nicht gedacht.
• Bei mäßiger Anpassungsleistung und Absenkung des Stresses, den das Gegenüber empfindet, erreicht das Gegenüber die neutrale Zone. Hier ist das Verhalten eher abwartend.
• Erst wenn die Anpassungsleistung durch die Führungskraft maximiert wird und Stress und Ängste des Gegenübers in hohem Maße aufgefangen werden können, fühlt sich der oder die Gesprächspartner*in wohl. Erst dann befindet er oder sie sich in der Komfortzone – das Gespräch ist angenehm und führt zu dem gewünschten Ergebnis.

Allen Bemühungen zum Trotz kann es zu Situationen und Konflikten kommen, für die es einfach keine Lösung gibt. Führungskräfte müssen lernen zu erkennen, wann Schluss ist. Ist das Ende erreicht und keine Einigung in Sicht, helfen zunächst weitere Gespräche, später das Hinzuziehen von Dritten, z. B. von nächsthöheren Vorgesetzten. Wenn nichts mehr geht, kann eine Mediation versucht werden oder im äußersten Fall eine Trennung oder eventuell sogar eine gerichtliche Lösung.
Senken Sie den Stresslevel Ihres bzw. Ihrer Gesprächspartner*in, indem Sie ihn oder sie dort abholen, wo er bzw. sie steht. Halten Sie dennoch Ihre Ziele, Standards und Werte stets aufrecht. Sie können beispielsweise einem Mitarbeitenden zugestehen, sich einen neuen Pflegestandard in Etappen zu erarbeiten, machen Sie aber immer klar, was der Anspruch Ihrerseits an seine/ihre Arbeit ist, der langfristig erreicht werden soll. Auch hier gilt es, Führungsprinzipien, Führungskreislauf und Reifegrade zu berücksichtigen (siehe Band 1, Fleischer et al. 2020).
3.2 Das Johari-Fenster aus der Perspektive der Verhaltensprofile
Ein bedeutender Aspekt in Bezug auf Verhaltensprofile ist das Verhältnis zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung einer Person. Das Modell des Johari-Fensters (siehe auch Band 2), 1955 entwickelt von den amerikanischen Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham, veranschaulicht deutlich die Selbst- und Fremdwahrnehmung bekannter und unbekannter Eigenschaften und Verhaltensmerkmale und lässt sich in seiner Ausgestaltung auf unterschiedliche soziale Rollen einer Person im Alltag übertragen.
Der Begriff »Rolle« ist abgeleitet vom altgriechischen Schauspiel, in dem ein Akteur ein von Thema und Inhalt vorgeschriebenes Verhalten zeigt. In der Sozialpsychologie wird unter Rolle die Summe erwarteter Verhaltensweisen verstanden, die an den Inhaber einer bestimmten sozialen Position gerichtet sind. In erster Linie wird in sozialen Systemen die Rolle anhand des Berufs bzw. der ausgeübten Tätigkeiten festgelegt (Nerdinger, 2013).
Das Johari-Modell kann auch genutzt werden, um die Selbstmit der Fremdwahrnehmung abzugleichen, Zusammenhänge zu erkennen und Ausgangspunkt zur Reflexion über die eigene Außenwirkung zu sein.
Abb. 2: Das Johari-Fenster: Wissen um meine Verhaltensweisen
Das Johari-Fenster ist ein in vier Teile gegliedertes Quadrat und setzt die ihr bewussten und unbewussten Eigenschaften und Verhaltensmerkmale einer Person ins Verhältnis zur Fremdwahrnehmung dieser Merkmale durch andere. Die vier Bereiche stehen für:
• Die Arena: Der öffentliche Bereich, unser »Schaufenster«. Diese Verhaltensmuster sind uns und anderen bekannt, wir fühlen uns sicher, senden diese Merkmale bewusst aus und geben sie in sozialen Situationen ein. Beispiel: Einer Führungskraft ist Genauigkeit eine hohe Priorität. Der Mensch selbst und alle Kolleg*innen wissen um diese Eigenart und haben gelernt, damit umzugehen und diese Priorität zu bedienen.
• Die Maske: Der geheime Bereich. Verhaltensmerkmale, die andere nicht kennen und die bewusst privat und verborgen gehalten werden. Beispiel: Unerträgliches Lampenfieber vor großen Herausforderungen, das man zu überspielen versucht, wie beispielsweise in einem Bewerbungsgespräch.
• Nicht ausgeschöpfte Potenziale: Diese Bereiche sind weder mir noch anderen bekannt. Beispiel: »Wenn wir uns austauschen, könnten wir miteinander entdecken, was wir noch gemeinsam bewegen könnten.«
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